Borussia braucht einen Umbruch, davon sind viele Anhängerinnen und Anhänger überzeugt. Nachdem der Verein zuletzt Signale gesandt hatte, die nicht nach Umbruch aussehen - die Vertragsverlängerung von Tobias Sippel als jüngstes Beispiel - kündigt sich nun doch das Ende einer Ära an. Lars Stindl wird den Verein zum Saisonende verlassen. Der 34-jährige Mannschaftskapitän wird, so sagt er selbst, in seine Heimat zurückkehren. Und Heimat ist der Niederrhein ihm und seiner Familie offenbar trotz großer Verbundenheit zur Borussia nicht geworden. So wird Lars Stindl im Sommer zurück ins Südpfälzische oder ins Nordbadische ziehen und irgendwo dort, womöglich bei seinem Stammverein Karlsruher SC, noch eine Weile spielen. Im Gegensatz zu den "Verlängerten" Herrmann, Jantschke und Sippel hätte Stindl in Gladbach vermutlich nicht nur ein Jahr als Backup oder Maskottchen vor sich gehabt. Als nicht nur folkloristische sondern auch als sportliche Integrationsfigur hätten ihn viele von uns gerne noch länger im Borussentrikot gesehen. Er hat sich anders entschieden, diese Entscheidung gilt es zu respektieren, wenn auch mit großem Bedauern. 

Lars Stindl war definitiv eine Integrations- und Identifikationsfigur. Ein begabter Spieler mit Kopf und Herz. Ein Führungsspieler, ein Mann, der die Mannschaft an seinen vielen guten Tagen ein Stück besser gemacht hat und womöglich noch einige wenige Male besser machen wird. Stindl erlebte in Gladbach noch die letzten Ausläufer der Ära Favre. Ursprünglich als Ersatz für den zu Bayer Leverkusen gewechselten Christoph Kramer geholt, funktionierte er auf der Sechserposition, auf der er eingeplant war, nicht wie gewünscht. Unter Favres Nachfolger André Schubert spielte Stindl offensiver und von da an eigentlich immer - im zentralen offensiven Mittelfeld, auf einer der Außenpositionen oder im Sturm. Schon in seiner zweiten Gladbacher Saison wurde der ruhige aber stets klare und überlegte Spieler zum Kapitän und ein weiteres Jahr später zum Nationalspieler. Unter Joachim Löw gehörte Stindl zu den prägenden Figuren beim Confederation-Cup 2017 und schoss die deutsche Mannschaft zum Turniersieg. Seine Nationalmannschaftskarriere wurde durch eine Sprunggelenksverletzung beendet. Stindl verpasste die Weltmeisterschaft in Russland und wurde fortan nicht mehr berufen. Im Verein kämpfte er sich zurück und wurde wieder zur prägenden Figur, wie auch nach einem Beinbruch im Jahr 2019. 78 Tore hat Stindl bis heute für Borussia geschossen, 59 davon in der Bundesliga, weitere im Pokal, in der Champions- und der Europa-League. Unvergessen bleibt, wie er in Florenz quasi im Alleingang ein schon verloren geglaubtes Spiel drehte und seine Mannschaft mit drei Toren ins Achtelfinale der Europa-League schoss. 

Lars Stindl ist bisher der Borusse, auf den sich alle einigen können. Neben Yann Sommer und Jonas Hofmann war er auch zuletzt der unumstrittenste Spieler im Kader, einer, dessen Wert trotz des fortgeschrittenen Alters kaum jemand bestritt. Sommer ist weg, Stindl bald auch, bei Hoffmann können wir auf einen Verbleib hoffen. Borussia ohne Lars Stindl wird eine andere sein, die Rolle Stindls auf und neben dem Platz muss neu besetzt, die Hierarchie neu geordnet bzw. erst einmal wieder gefunden werden. Darin liegt auch eine Chance. Den Spieler, den Typen Lars Stindl werden wir alle vermissen. Mögen sich Stindl und wir Borussen-Fans gegenseitig einen erfreulichen Saisonausklang bereiten!