Warnung
  • JUser: :_load: Fehler beim Laden des Benutzers mit der ID: 75
Der Beginn einer neuen Saison bietet zu vielerlei Dingen Anlass, die Borussia nutzte ihn beispielsweise dazu sich mit einem Trainer und Spielern abermals neu und vermeintlich richtig wie besser aufzustellen. SEITENWAHL nutzt Saisonstarts seit Jahren prinzipiell dazu, sich fundamentale Gedanken über die Einzelbestandteile, die das „Gesamtkunstwerk Borussia Mönchengladbach" ausmachen, zu machen, sie rückblickend aufzuarbeiten und sich im Wissen der in der großen Spielpause angestellten Veränderungen für die Zukunft einen hoffentlich wirklichkeitsnahen Vorausblick zu erlauben. So ist es nunmehr an der Zeit für einen aufgrund der Detailtiefe zweiteilig gewordenen „Bundesligacheck" über Borussia - mit dem ersten Teil am heutigen Mittwoch und dem zweiten Teil am morgigen Donnerstag.

Zu-/Abgänge: Zwei Wochen vor dem Beginn der Saison und ausgerechnet am Tage der Saisoneröffnung konnte Borussia ihrerseits ihre Sommerplanungen abschließen und das Kapitel der Neuzugänge für den Sommer 2006 abschließen. Fünf Neuzugänge, nach Meinung von Trainer Heynckes die maximale Anzahl Spieler, die man in einer Spielpause sinnvoll in einer bestehende Mannschaft integrieren könne, fanden den Weg an die Hennes-Weisweiler-Allee; der letzte unter ihnen stellte durch seinen Transfer gleich einen Vereinsrekord auf.
 
Da die Verpflichtung der eigentlich erst für diesen Sommer vorgesehenen Bo Svensson (Abwehr) und Nando Rafael (Angriff) bereits in der vergangenen Winterpause vollgezogen worden war, machte diesmal der angehende dänische Nationalspieler Sebastian Svärd, ein multipler Defensivspieler, den Anfang. Für weniger als 750.000 Euro beendete er sein einjähriges Intermezzo beim portugiesischen Erstligaabsteiger Vitoria Guimaraes, wo er sich als zentraler, defensivorientierter Mittelfeldakteur in den Vordergrund spielen konnte. Hervorgegangen aus der Jugendschule von Champions League Finalist Arsenal London kann Svärd nicht nur im Mittelfeld spielen, sondern ebenfalls auf der Außenposition (rechts), wie bedingungsweise zentral in der Abwehrreihe. Ansprechend am Ball und aggressiv im Zweikampf, orientiert sich Svärd im Mittelfeld grundsätzlich in eine Rolle, die zum Bindeglied zwischen Defensive und Offensive taugt und auf der die Borussia zwar bereits mit Akteuren bestückt war - nicht zuletzt durch den aus der Regionalligareserve aufrückenden Juniorennationalspieler Robert Flessers - aber dennoch wenig Konstanz bot. Die Vielseitigkeit sich trotz der kommunizierten Vorliebe zur Mittelfeldposition auch auf Abwehrpositionen, beispielsweise eben der rechten Außenverteidigerrolle, bewegen zu können, eröffnet Svärd als vollwertige Ergänzung des Kaders bessere Chancen auf regelmäßige Einsätze.

Wesentlich geringere Chancen auf sofortige Einsätze hat hingegen der für ein bisschen mehr Geld aus Gelsenkirchen vom FC Schalke 04 verpflichtete Torwart Christofer Heimeroth, der in erster Linie Darius Kampa und Michael Melka als Ersatz für Stammtorwart Kasey Keller beerben dürfte. Der hoch aufgeschossene Heimeroth, vereinzelt in Juniorennationalmannschaften getestet, erhielt aus diesem Grund dennoch sogleich einen Vierjahresvertrag (!), der selbstverständlich unterstreicht, dass sich seine Einsatzmöglichkeit eher lang- als kurzfristig ergeben sollte. Dass der im Sauerland geborene Schlussmann als Ersatztorwart kein hastig gefundener Lückenfüller ist, weist die Tatsache nach, dass man ihn bereits in einer anderen Konstellation während der vergangenen Spielzeit umworben hatte. Fachkundige Beobachter des Bundesligakonkurrenten Schalke 04 attestieren dem baumlangen Keeper zwar noch kein völlig durchgängiges Bundesliganiveau, schwärmen andererseits von seinem prinzipiellen Talent.
Der zweite Gelsenkirchener, den die Borussia in diesem Sommer verpflichtete, ist mit Michael Delura gar ein gebürtiger. Er sammelte zuletzt bei Hannover 96 Spielpraxis und wurde zunächst für eine Spielzeit auf Leihbasis angeheuert. Wesentlich stärker als den unabhängig vom neuen Trainer kontaktierten Heimeroth kann man Delura Jupp Heynckes zurechnen, förderte Heynckes den Offensivspieler doch nicht nur während seiner Amtszeit auf Schalke, sondern fädelte darüber hinaus eben jenes angesprochene Lehrjahr in Hannover ein, wo Delura unter Ex-Borussentrainer Ewald Lienen und dessen Nachfolger Peter Neururer jedoch zu keinem festen Wert für die Niedersachsen wurde. Entsprechend sind seine Möglichkeiten bei der Borussia umgehend Stammkraft zu werden auch geschmälert, wenngleich er mit seiner Spitzigkeit, Schnelligkeit und seiner Unbekümmertheit beispielsweise eine Alternative für beide Flügelpositionen im Mittelfeld bedeutet und außerdem als ursprünglicher Stürmer mit seiner Größe und seinen Fähigkeiten im Kopfball auch für den Angriff in Frage kommt.
 
Als Stürmer begann auch der für etwa eine Million Euro vom entthronten Schweizer Abonnementmeister FC Basel an den Niederrhein gekommene David Degen, seines Zeichens Nationalspieler und ungenutzter WM-Teilnehmer im eidgenössischen Dress. Selbst wenn man die Verpflichtung Degens, der sich bei Basel auf der rechten Mittelfeldseite dampfmachend in den Vordergrund spielte und sich als Vorlagengeber auf manchem Notizzettel verewigte, wie Deluras nicht als Aufsehen erregend einstufen möchte, beweist die Bestückung des Kaders mit schnellen, angriffsfreudigen Akteuren für die Außen- oder Halbpositionen im Mittelfeld eine lobenswerte Fähigkeit zur strukturierten Saisonanalyse, da Borussia solche Akteure in den letzten Jahren in ihrem Kader allenfalls behelfsmäßig vorweisen konnte. Somit besitzt Degen - der ebenso offensiv denkt wie Delura, aber insgesamt weniger verspielt wirkt - gute Chancen sich auf Anhieb einen Stammplatz zu erarbeiten und die Elf gerade auf seiner Seite im rechten Mittelfeld auch zu verstärken.
Deutlich größere Schwierigkeiten sich in der ersten Mannschaft der Borussia einen Stammplatz zu erobern, wird derweil der nach einem halben Jahr aus Berlin zurückgekehrte Publikumsfreund Vaclav Sverkos haben, der im Anschluss an ein gänzlich verkorkstes Jahr erst einmal um den generellen Anschluss an den näheren Kader und die Zurückerlangung seines auf jugendlicher Unbekümmertheit fußenden Spielstils bemüht sein dürfte; für eine wichtigere Rolle von Sverkos dürfte vornehmlich die Konkurrenz zu groß und andererseits seine über die Stagnation hinausgehende Zurückentwicklung im letzten Jahr zu immens sein.
 
Als Königstransfer des Borussensommers und entsprechend als Krönung ihrer Bemühungen hinsichtlich der Verstärkung des vorhandenen Kaders darf man die Verpflichtung des sechsfachen argentinischen Nationalspielers Federico Insúa einordnen, der für die vereinsinterne Rekordsumme von immerhin knapp 4 Millionen Euro vom argentinischen Meister Boca Juniors seinen Weg zur Borussia fand. Drei gewichtige Trophäen (zwei nationale und einen kontinentalen Titel) gewann der europaweit bekannte südamerikanische Verein während Insúas kurzer Vereinszugehörigkeit und an jedem Erfolg war dabei der Neu-Borusse in gewichtiger Rolle gestalterisch beteiligt. Zusammen mit Nationalstürmer Rodrigo Palacio und Ex-Nationalspieler Martín Palermo bildete der torgefährliche Impulsgeber im Mittelfeld das Prunkstück der dortigen Offensivabteilung und galt, 24 Monate nachdem ihm ein Abstecher in die spanische Liga misslungen war, als einer der herausragendsten Figuren in der argentinischen Liga. Es ist daher nachvollziehbar, dass dem selbstverständlich in den Kader zu integrierenden Mann von der Südhalbkugel am ehesten von allen Neuzugängen zuzutrauen ist, dass er die Borussia unmissverständlich verstärken könnte und sollte. Ob die direkteste Verstärkung für Borussia seine natürliche Torgefährlichkeit, seine Standards oder seine spielgestalterischen wie beim Torerfolg assistierenden Qualitäten sein werden, gerät ob der Fülle der Schwächen Borussias auf diesen Gebieten beinahe in den Hintergrund. Idealere Voraussetzungen um trotz nicht auszuschließender Anpassungsprobleme schnurstracks eine richtig unverzichtbare Wertigkeit für Borussia zu erlangen, bringt andererseits auch kein anderer Neuzugang des Borussensommers mit.
 
Investitionen von nahezu 6 Millionen Euro stehen indes erheblich geringere Erlöse aus Spielerabgängen gegenüber, auch ein Resultat aus dem Umstand, dass einige auslaufende Verträge (Böhme, Lisztes, Kampa) nicht verlängert worden waren und sich jene Profis folglich kostenfrei einem anderen Verein anschließen konnten. Bis zwei Wochen vor Saisonstart gelang jedoch einzig Mittelfeldspieler Jörg Böhme ein solcher Neuanfang, unterzeichnete der gebürtige Hohenmölsener doch einen strikt leistungsbezogenen Vertrag bei seinem Ex-Verein Arminia Bielefeld, jenen Ostwestfalen, die der Borussia vor der Vorsaison mit Bernd Korzynietz bereits einen ähnlich Aussortierten abgenommen hatten.
 
Gar nicht wieder an den Niederrhein zurückkehren durfte unterdessen der in der letzten Saison an den Zweitligisten Offenbach verliehene Torwart Sead Ramovic, der sich seine Weiterbeschäftigung bei seinem Leihverein in der Zweiten Bundesliga über kolportierte Ungebührlichkeiten selbst verbaute und schließlich von der Borussia zum Zwecke der Findung eines neuen Arbeitsgebers von der Teilnahme am Mannschaftstraining freigestellt wurde; mit Ramovic und Kampa verließen somit beide gerade vor zwei Jahren als Nachfolger des Duos Stiel und Reitmaier verpflichteten Torhüter die Borussia wieder.
Bereits zur Winterpause während der Vorsaison hatte die Borussia unterdessen dem bis dahin ebenfalls in die Zweite Liga verliehenen Jan Schlaudraff (Aachen) erlaubt sich fest an seinen Leihverein zu binden. Durch den Aachener Aufstieg, der den Traditionsverein nach über 30-jähriger Abstinenz wieder in die Eliteklasse brachte, erhielt sie für den einst von Holger Fach entdeckten Zweitligashootingstar der vergangenen Spielzeit immerhin aber noch eine weitgehend unbenannte Sonderentschädigung, die von der Höhe her ähnlich einzustufen sein dürfte wie die Ablösesumme für Mittelfeldspieler Thomas Broich, der nach zwei Jahren der kolossalen Stagnation dem Ruf des wieder einmal aus der 1. Bundesliga abgestiegenen 1. FC Köln folgte und nun auf dem gemächlicheren Standard der niederen Klasse an die Monate und Leistungen anzuknüpfen hofft, die ihn 2004 bis in den erweiterten Dunstkreis der Nationalmannschaft gespült hatten. Trotz immerhin 28 Saisoneinsätzen Broichs in der zurückliegenden Saison hatte die Borussia letztlich gegen seinen Übertritt in die Domstadt keine Einwände. Unmittelbar vor dem Beginn der Saison entschieden sich mit Niels Oude Kamphuis (Vertragsauflösung) und Milan Fukal (dessen Wechsel nach England war bei Redaktionsschluß allerdings noch nicht endgültig - Anm. d. Autors) außerdem zwei andere Spieler des alten Kaders für einen flotten Abschied aus Mönchengladbach, zum Teil eben, weil sie bei der "neuen Borussia" keine Perspektive mehr für sich sehen konnten.
 
Stärken: Konsolidierend wirkte sich die Saison 2005/06 auf die Borussia aus und schon während der Hinrunde, während der der Borussenmotor partiell hervorragend lief, konnte die Mannschaft als Mannschaft überzeugen und eine gleichmäßig und gleichförmige zufriedenstellende Entwicklung bieten, die ihr gerade auf dem heimischem Terrain der Hennes-Weisweiler-Allee auch später nicht abging. So ergatterte sie als notorisch heimstarke Elf die fünftbeste Heimbilanz aller Bundesligavereine (8 Heimsiege mit lediglich einer Heimniederlage pro Halbsaison) und absolvierte ihre besten Partien vor „ihrem" Publikum. Im Zuge dieser Positiventwicklung mitschwingend, stabilisierte sie sich als chancenverwertende Mannschaft auf ihrem Vorjahresniveau und nutzte umgerechnet jede vierte Torgelegenheit vor dem gegnerischen Gehäuse. Außerdem erwirkte sie im Saisonverlauf die stolze Anzahl von 207 Eckballsituationen, die ligaweit allein (!) von Vizemeister Werder Bremen (212) übertroffen werden konnte.
Über die statistischen Werte hinaus konnten Einzelspieler in den jeweiligen Mannschaftsteilen bisweilen für Furore sorgen, so gehörte Torwart Kasey Keller mit einer herausragenden Serie zu den besten seines Genres in der Liga, der vorwiegend in der Abwehr eingesetzte Marcell Jansen schaffte als zum Leistungstrainer emporgeschossener den umgehenden Sprung zum Nationalspieler, im Mittelfeld sicherte sich Jungprofi Eugen Polanski durch eine ansprechende Runde anerkennende Schulterklopfer aus der ganzen Liga und im Angriff verwirklichte sich der bereits in der vorherigen Saison beste Torschütze des Vereins, Oliver Neuville, abermals mit einer zweistelligen Ausbeute. Zu diesen vier Fixpunkten durchaus hinzugerechnet werden kann mit Zé António ein Vorjahresneuzugang, der beinahe seinen Teamgefährten Keller, Jansen und Neuville zur Fußball-WM gefolgt wäre und, wie der langjährige Mittelfeldspieler Peer Kluge, als bester Neuzugang am Ende wenigstens auf eine mehr als befriedigende Runde zurückblicken durfte.
 
Positiv anzurechnen ist der Mannschaft auch ein Zugewinn auf dem Gebiet der „Turnarounds", also bei Spielen, in denen sie einen Rückstand noch in einen Sieg umwandeln konnte. Beispielhaft bewiesen am sechsten Spieltag vor heimischem Publikum gegen Werder Bremen, als die Elf nach einer katastrophalen ersten Hälfte sich im Anschluß an die Halbzeitpause in einen wahren Rausch spielte. Auch das Heimspiel gegen Frankfurt, als sie sogar mit zwei Toren zurückgelegen hatte, bog sie sich noch zurecht. Insgesamt verlor sie gegen zwei besserplatzierte Teams (Meister Bayern München & Rückrundenvierter 1. FC Nürnberg) beide Spiele, gewann aber dafür gegen zwei schlechterplatzierte (Bielefeld und Frankfurt) ebenso beide Spiele.

Ausgesprochen positiv zu sehen ist ebenso der deutliche Anstieg der im eigenen Nachwuchs herangebildeten Spieler inmitten des Profikaders. Von ihnen schaffte Marcell Jansen, wie erwähnt, den Sprung zum Leistungsträger und Eugen Polanski den zum Stammspieler. Dahinter kamen mit Marvin Compper und Robert Fleßers weitere Nachwuchskräfte zu zusammen immerhin sieben Spielen. Eine konsequente Verjüngung im Sinne der zuvor vollmundig neuaufgelegten Vereinsphilosophie - nach der schrittweise bis zu einem Drittel der Lizenzspieler aus dem eigenen Klub kommen sollen - wurde also eingeleitet. Zudem durfte Verteidigertalent Tobias Levels bereits als Ersatzspieler an die Liga heranschnuppern und mit Akteuren wie dem im letzten Sommer von Eintracht Frankfurt hinzugeholten Marko Marin oder des im Winter aus Berlin verpflichteten U21-Nationalspielers Nando Rafael (bereits 13 Rückrundenspiele), nicht zuletzt aber den heranreifenden Kräften aus der gerade in die Regionalliga aufgestiegenen U23-Elf stehen weitere Nachwuchskräfte mit guten Chancen auf dem Sprung.
 
So verfügt die Borussia im sechsten Jahr nach dem Wiederaufstieg durchaus über einen Pool an Leistungsträgern (wie etwa Keller, Jansen und Neuville) und Talenten, die bei guter Schulung unmissverständlich das Zeug zu einer homogenen und - dank Neuzugängen wie Insúa oder Degen - zu einer spielstarken Einheit haben.
 
Schwächen: Es ist nicht alles Gold, wirklich nicht, und dennoch ist es nötig sich vor Augen zu führen, dass es in nahezu jeder Vereinsmannschaft auch Schwächen geben wird, solange eine Elf nicht verlustpunkt- und gegentorfrei eine komplette Saison absolviert. Insofern mag es sich bei den verbesserungswürdigen Dingen mitunter lediglich um Feinheiten handeln, dennoch sind auch diese Geringfügigkeiten einer Erwähnung wert, denn es ist in der Tat nicht nur die schon eklatante Auswärtsschwäche (in 85 Begegnungen 50 Niederlagen bei lediglich 9 Erfolgen) oder die fehlende Gefährlichkeit aus dem Mittelfeld heraus (Kluge war mit nur 3 Toren in der gesamten letzten Saison gefährlichster Mittelfeldakteur), die zu Verbesserungen einlädt. Zunächst einmal gibt es vor allem auch im Hinblick auf das bei der zurückliegenden Weltmeisterschaft so im öffentlichen Fokus diskutierte leidenschaftliche Angriffsspiel voller Hingabe eine Brache bei der Borussia, die es ebenso wie beim an und für sich einfach komplett fehlenden Kombinationsspiel eigentlich nicht geben müsste.

Im Fußball allgemein, und in der Bundesliga besonders, wird immer betont, dass eine Mannschaft „alles" getan habe. Dies ist vielfach natürlich nicht von der Hand zu weisen, dennoch gibt es einen Unterschied zwischen einem kampfbetonten Einsatz und einer hingebungsvollen Darbietung. So hat die Borussia zum Beispiel im Heimspiel gegen Bayern München (1:3) sicher „alles" dagegen getan, aber hingebungsvoll oder richtig leidenschaftlich war sie viel eher (und oft auch nur streckenweise) in wenigen anderen Spielen wie Bremen, Dortmund, Hamburg oder Frankfurt.
Schon bei der Auflistung sticht ins Auge, dass drei dieser Spiele in der Vorrunde stattfanden, in der die Borussia letztlich stolze acht Punkte mehr errang als in der eher faden wie zusammenhanglosen Rückserie. Nach dem eher als schlecht einzustufenden Trainingslager in Spanien im Winter begann ihr nämlich so ziemlich viel abzugehen, so bekam man richtige Torchancen wirklich nur allzu selten zu sehen und flüssiges Kombinationsspiel fand mal gar nicht mehr statt. Die Bälle wurden häufig  blindlings quer über den Platz gedroschen und degradierten schon einmal ganze Mannschaftsteile zur vollständigen Beschäftigungslosigkeit.

Auch dafür gibt es selbstverständlich Gründe, zeigte sich die Mannschaft doch ziemlich stimmungsschwankend und euphorieabhängig, ein Umstand, dem ohne weitere Umschweife natürlich gerade auswärts Rechnung getragen werden musste, da man dort das Ziel des Spiels - den Torerfolg - seit Jahren schon sträflich aus den Augen verloren hat. Die aus den Augen verlorene Leidenschaft, das fehlende Kombinationsspiel, die Defizite im zielgenauen Passspiel und der seit Jahren nicht vorhandene Tempofußball in Form einer wirklich konsequenten Bewegung in Richtung des gegnerischen Tores gaben immer und immer wieder eben auch auswärts letztlich den Ausschlag gegen die Borussia; selbst wenn man sich bestimmte Niederlagen (wie etwa in Leverkusen im letzten Saisondrittel) im Endeffekt über eher zaghaft präsentierte Elementartugenden „schönreden" konnte.
 
Fehlende Stabilität ist so ein markantes Stichwort, dass im Zusammenhang mit der bisherigen Borussia einfach fallen muss. Sicher auch gefördert durch die häufigen wie unnötigen Personalwechsel, erlangte die Mannschaft kaum einmal einen Zustand der Stabilität, dafür sprechen allein dreizehn Gegentreffer in der Schlussviertelstunde oder - wie zuletzt gegen Hannover oder Berlin - Gegentore unmittelbar nach einem eigenen Torerfolg. Borussia war nicht stabil, sie war oft fahrig, sie war anfällig. Bei Standardsituationen, bei denen sie von der reinen Papierform her (ausreichend Stammspieler mit „Gardemaß") keinesfalls zu den schlechtesten Teams zu zählen war, zeigte sie sich hinten unsicher und gerade bei Eckbällen vor dem gegnerischen Tor verschwenderisch (die Ausbeute dort: 3%). Generell verbesserungswürdig bleibt seit Jahren auch die Anzahl der Gegentore, in der letzten Saison immerhin 50 an der Zahl. Beträchtlich eben und weiterhin in keinem Verhältnis zu den eigenen Torerfolgen (2005/06: 42).
 
Inwiefern die Borussia durch Neuzugänge diese besagten, vielschichtigen Defizite bereits abgestellt hat, ist bislang nur teilweise zu beantworten. Natürlich bürgt gerade eben Neuzugang Insúa mit seiner Vita als torgefährlicher Vorlagengeber aus dem Mittelfeld für Qualitäten, die der Borussia bisher sehr fehlten. Ebenso steht David Degen mit seiner druckvollen Offensivbewegung über die Außenbahn im Mittelfeld, in der ihm ein Michael Delura prinzipiell kaum nachstehen müsste, für die Chance gerade den in Auswärtsspielen ligaweit gebräuchlichen Konterfußball mit Leben zu erfüllen. Sie stehen somit in der Tat für eine gewisse Multifunktion, die das Mittelfeld der Borussia gleichfalls stärker und schwungvoller machen müsste, trotzdem müssen diese Akteure zunächst in das Spiel eingebettet werden und da könnte sich ein nicht zu unterschätzendes Problem entwickeln, das nicht auf Knopfdruck lösbar ist und von den bisherigen Spielern eine Anpassungsfähigkeit im Hinblick auf eine durchdachte gemeinsame Bewegung bzw. eine Art Gedankenschnelligkeit abverlangt. Etwas, dass bislang so nicht üblich gewesen ist.

Als Schwäche könnte sich ebenso entpuppen, dass zu viele der dem Angriff zuzurechnenden Akteure - namentlich in erster Linie einmal Sverkos, Kahê oder Rafael - in der Vorsaison keinesfalls ohne Probleme agierten und hinter ihren Namen, aber vor allem hinter ihren Leistungen somit ein Fragezeichen notiert werden muss.
Auch stellt sich unisono die Frage nach der tragfähigen und relativ nahtfreien Lösung, sollten vermeintliche Schlüsselfiguren wie Keller, Neuville oder der für vermehrte Torgefahr und Ideen angestellte Insúa schon nur kurzfristig verhindert sein oder werden. Nicht minder unbeliebt scheint auch die Frage zu sein, was allgemein geschieht, wenn die in nicht geringer Anzahl im Kader vertretenen Nachwuchsprofis den sogenannten Sprung nicht bewerkstelligen können bzw. die Shootingstars unter ihnen - wie Jansen oder Polanski - leistungsmäßig nicht an bisherige Darbietungen anschließen können. Zumal gleichzeitig Konkurrenten um die Stammplätze dieser Jungprofis, wie etwa Helveg oder Bøgelund, einen guten Teil der vergangenen Saison verletzungsbedingt nicht absolvieren konnten.
 
So sieht der vermeintlich „erste Anzug" der Borussia mit Nationalspielern, Eigengewächsen und Qualitätsspielern unbestritten besser auf das Maß geschneidert aus, hat man den unbestritten besten Kader seit einem guten Jahrzehnt beisammen. Hinter dieser vermeintlich ersten Formation ergibt sich auf einigen Positionen (wie im Angriff, im offensiven Mittelfeld oder auch in der Innenverteidigung) aber doch mehr als ein einzelnes Fragezeichen.
 
Ausrichtung und Stil: In einer Sommerpause mit einem internationalen Endturnier als „Lückenfüller" wird zumeist erwartet, dass sich Vereinsmannschaften und vor allem Trainer von Vereinsmannschaften hernach dem bei diesem Turnier geprägten stilistischen Ausrichtung anpassen. Im Falle der Weltmeisterschaft in der Bundesrepublik war dieser vermeintliche Trend in erster Linie der des sogenannten „Doppel-Sechsers" - also eines zweiten defensiven Akteurs im zentralen Mittelfeld - und die „Verschlankung" der Angriffsreihe auf einen Stoß- bzw. Keilstürmer mit einem intervallähnlich nachstoßenden Halbstürmer in versetzter Position.
 
Nun, auch für das Spiel der Borussia könnten beide Varianten, und sogar beide Variationen gleichzeitig, einen Weg darstellen, wie die zurückliegende Saisonvorbereitung vermuten ließ. Hier hatte die Borussia über einen längeren Zeitraum mit zwei zentral defensiv agierenden Mittelfeldspielern gespielt und Trainer Heynckes zu Protokoll gegeben, dass er schließlich mit dieser taktischen Grundformation einstmals Real Madrid zum Champions League Sieg gebracht habe. Nicht nur diese Tatsache zeigt deutlich, dass es sinnvoll sein kann, wenn man sich im Vorfeld einer Saison über Spielweise und Stilrichtung eingehende Gedanken macht und vorhandene Möglichkeiten analytisch ergründet. Die Konstellation der Borussia 2005/06 und ihres jetzigen Trainers während derselben Zeitperiode bot da einem „wie ein Ingenieur" (laut Präsident Rolf Königs) arbeitenden Heynckes die besten Voraussetzungen. So sah dieser doch in der vergangenen Saison, noch aus genügend distanzierter Position zum Kader, mehrere und letztlich auch kontinuierlich Spiele der Borussia, trat deshalb also nicht ganz wissensfrei seine neue Stelle an. Dies gab ihm in der Ist-Analyse Wissensvorsprünge, die Trainer für gewöhnlich so nicht haben, wenn sie an einer neuen Arbeitsstelle ihre spieltaktischen Überlegungen treffen.
 
Ausrichtung und Stil der Borussia in der Vorsaison war und blieb eine eher einseitige Sache. Als Horst Köppel mit einer rautenförmigen Anordnung im Mittelfeld einer 4-4-2-Formation längere Zeit ungeschlagen blieb und die zu jenen Momenten eher lieblos weggeworfenen Chancen (in Stuttgart, in Berlin, in Dortmund) eher als aufkommende Brandfackel und Bedrohung der Nachhaltigkeit seiner Tätigkeit bei der Borussia begriff, hastete er atemlos in taktische Kunstgriffe, die nicht nur allesamt ins Leere griffen, die vielmehr noch einen doch erheblichen Flurschaden im Saisonverlauf bewirkten. Aus der eigentlichen Ruhe heraus „bastelte" sich Köppel immer neue taktische Grundformationen, in denen Spieler (wie Filip Daems in Mainz oder Nando Rafael in Wolfsburg) urplötzlich ihnen völlig wildfremde Rollen auszufüllen hatten. Ein Marcell Jansen rotierte munter durch Abwehr, Mittelfeld und Angriff - spielte quasi Samstag linker Verteidiger und Sonntag dann hängende Spitze - und letztlich „kollabierten" einzelne Spieler selbst dann, wenn sie nur um Nuancen ungewohnte Positionen auszufüllen hatten (z.B. El Fakiri gegen Bayern München). Mitunter schien es für den heiter „bastelnden" Cheftrainer wochenlang unmöglich einfach wieder auf jenes von der Mehrzahl der Spieler doch beherrschte „Rautensystem" zurückzukehren bzw. Spieler im Punktspielbetrieb nicht ausschließlich oder strikt auf Alternativpositionen auszuprobieren.
 
Selbst wenn sich dieser kleine Blick zurück als frevelhafter Misston in Richtung des längst mit Applaus verabschiedeten ehemaligen Trainers anhören sollte, natürlich ist vordergründig der Trainingsalltag die Bühne für das Üben von taktischen Kniffen, Zügen und grundlegenden Ausrichtungen und Stilfragen. Entsprechend akribisch paukt Neu-Trainer Heynckes nun, unterbrach gerade bei taktischen Übungsformen regelmäßig und eilig und unterband dadurch einigermaßen sich entwickelnde Fehlstellungen in einer Art, dass sich gar seriöse Lokaljournalisten prompt zu Vergleichen hinreißen ließen, wonach die Unterschiede zwischen Ex- und Neu-Trainer in der Trainingsarbeit gegenwärtig Tag und Nacht gleichen würden. 

Von der reinen Grundformation her eignet sich für die Borussia in ihrer aktuellen Kaderkomposition nicht einzig nur die 4-4-2-Formationen mit ihren nuancenhaften Modifikationen, die kryptisch bis neumodisch ja gern einmal „flache Vier" oder „Doppel-Sechser" heißen. Die Borussia ist in der Lage bei einem 4-4-2 mit zwei zentral defensiven Mittelfeldspielern zu agieren, die von zwei eher offensiven Außen (Degen oder Delura, möglicherweise auch Jansen oder Kluge) flankiert werden, aber sie kann auch in einer in Deutschland als „Raute" bekannten Zusammenstellung spielen, mit jeweils einem defensiven (Polanski?) wie offensiven (Insua?) Mittelfeldspieler und jeweils einem weiteren auf der jeweiligen Halbposition. Durch die Verpflichtung von David Degen und Michael Delura ist, wie gerade angedeutet, rein von der Möglichkeit auch Tatsache, dass sie bei passender Gelegenheit mit Flügelstürmern und einem 4-3-3 auftreten könnte, zumal sie mit Marcell Jansen auf der linken Seite über einen variabel auftauchenden Akteur verfügt. Sie könnte aber eben auch völlig dem zweiten Trend der WM verfallen und die Angriffsreihe auf einen Stürmer reduzieren, um beispielsweise mit Federico Insúa in einer Halbstürmerrolle hinter Neuville oder Sonck auf ein aufgestocktes Mittelfeld (so womöglich konsequent mit zwei Defensiven) zu bauen.

Mutiger Angriffsfußball, auch auswärts, prangt derweil unter dem neuen Trainer auf der Vereinsfahne, wenngleich natürlich nicht um jeden Preis. So darf man zunächst einmal völlig davon ausgehen, dass die erste Zielsetzung eine Perfektionierung der Abwehr und der Abwehrarbeit darstellen sollte („Kompaktheit"). So sprach der Trainer ja nicht nur vereinzelt davon, dass er den angedeuteten Angriffsfußball auf einem soliden Abwehrfundament aufzusetzen plant. Schnelles, flüssiges Kombinationsspiel in die Spitze, ohne größere Rast in der neutralen Zone, gehört dann ebenso dazu, wie der steile Paß in den freien Raum. Wer aus einem soliden Abwehrfundament heraus mutigen Angriffsfußball will, wird es sich auch im fremden Stadion aber eben nicht erlauben können bloßen Ballbesitz als höchstrangiges Gut anzusehen, sondern muss konstruktives Spiel verlangen und bieten.
Auch deshalb ist es von elementarer Wichtigkeit, dass das Trainer-Team bei der Grundlagenschulung angesetzt hat, gehörte dies in den letzten Jahren allenfalls sporadisch zum Handwerkszeug der Borussia, die gerade auswärts - wo womöglich eine Variante mit zwei zentral defensiven Mittelfeldspielern am ehesten als Dauerlösung denkbar sein könnte - auch das länger schon vernachlässigte Konterspiel wiederaufleben lassen müsste.

.... Teil 2 (Trainer, Fans, Finanzen, Vorbereitung und die Prognose der SEITENWAHL-Redaktion) folgt zum Donnerstag, 10.08.2006 ...