koeln neuNach dem Unentschieden gegen Mainz, mit dem man in der aktuellen Situation wohl leben muss, gingen die Blicke der Gladbacher schnell nach vorn. Dabei nahm man den Mund ganz schön voll. Rocco Reitz versprach „100 Prozent und Vollgas“, Nils Schmadtke „eine Mannschaft, die brennt!“ Was fällt dem geneigten Fan dazu ein? Nun ja, mein erster Gedanke war, dass das ja eigentlich Selbstverständlichkeiten sind, die man von einer Bundesligamannschaft nicht nur im Derby gegen Köln, sondern in allen 34 Saisonspielen erwarten darf. Der zweite, zugegeben pessimistische Gedanke: „Die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!“ Schließlich hatte man ja ähnliches nach dem in emotionaler und kämpferischer Hinsicht befriedigenden Bochum-Spiel verkündet. Wie sehr die Mannschaft selbstgesteckte Ziele und angeblich nun endlich verstandene Mechanismen verinnerlicht hat, konnte man dann in der ersten Halbzeit in Mainz beobachten. Der dritte Gedanke, wieder optimistischer: „Nichts ist so beständig wie die Gladbacher Unbeständigkeit!“ Heißt: Auf das eher schlechte Spiel gegen Mainz folgt wieder ein besseres, vielleicht auch angefeuert durch die Aussicht, mit einem Derbysieg die Stimmung in und um den Borussia-Park schlagartig wieder zu heben (was das allerdings für Saarbrücken bedeutet, will ich mir lieber nicht ausmalen …).

In das Spiel geht Borussia mit wenigen – aber wichtigen – Ausfällen und vielen Fragezeichen: Omlin, Cvancara und Plea sind weiter nicht dabei, wobei der Ausfall von Plea am schwersten wiegt, wohingegen Omlin – Wer hätte das vor der Saison gedacht? – am leichtesten zu ersetzen ist (angeblich steht der Vertrag von Nicolas vor einer langfristigen Verlängerung). Die Fragezeichen beziehen sich sowohl auf die geeignete Formation als auch auf deren personelle Besetzung: Viererkette oder Dreierkette? Funktionierte gegen Bochum die Viererkette super, versagte diese gegen Mainz komplett und erst mit einer Umstellung wurde es besser.  Keine einfache Entscheidung also, auch wenn das Versagen im ersten Teil des Mainz-Spiels hoffentlich eher ein Kopf- als ein Formationsproblem war. Nach meiner Überzeugung spricht viel dafür, es noch einmal mit einer Viererkette zu versuchen, dieses Mal aber wach an die Sache heranzugehen: Die Viererkette bietet einen Platz für Lainer, der einerseits Honorat den Rücken freihalten kann und andererseits einer der ganz wenigen Spieler im Kader ist, der als emotionaler Leader taugt. Mit einer Viererkette können die offensiven Außen – vermutlich Ngoumou und Honorat, vielleicht aber auch Hack – ihre offensiven Qualitäten ausspielen, ohne sich defensiv im Zweikampf verschleißen zu müssen. Das verspricht mehr Power nach vorn und vor allem mehr Zuspiele auf Jordan. Nachteil: Es fehlt ein Platz im Mittelfeld, sodass sich Seoane erneut zwischen Reitz und Neuhaus wird entscheiden müssen. Es sei denn, der zuletzt ein wenig uninspirierte Koné bekäme eine Pause verordnet. Defensiv hat Seoane ebenfalls die Qual der Wahl. Im Fall einer Viererkette dürfte Wöber erneut als Linksverteidiger auflaufen, nachdem Netz sein Defensivverhalten im Laufe der Saison nicht gerade verbessert hat. Wenn rechts Lainer spielt, kämen Itakura, Elvedi und Friedrich als Innenverteidiger in Frage - wahrscheinlich mit den beiden Erstgenannten in der Startelf.

Köln kommt als ziemlich namenlose Wundertüte daher – wichtige Spieler wie Ljubicic, Thielmann, Uth oder Waldschmidt fehlen verletzt oder gesperrt. Auch Davie Selke ist nach wochenlanger Pause noch nicht richtig fit, könnte aber spielen.  Angesichts dessen wird man nicht damit rechnen dürfen, dass der Kölner Ansatz auf ein attraktives Fußballspiel gerichtet sein wird. Schließich weiß man auch im Schatten der Bahnhofskapelle, worauf Gladbacher empfindlich reagieren. Man darf sich also darauf einstellen, auf eher defensiv ausgerichtete Gegner zu treffen. Der Hinweis von Seoane in der Pressekonferenz, bei aller Notwendigkeit von Emotionalität auch das Fußballspielen nicht zu vergessen, ist deshalb wichtig. Denn nur mit Emotion und Fußballspiel wird man die Kölner knacken. An eine Niederlage will man nicht denken und als erster Verein der Bundesliga 500 Unentschieden auf dem Konto zu haben, diesen laut Kicker drohenden Rekord möchte man auch nicht gerade gegen Köln erreichen.

Der SEITENWAHL-Tipp:

Uwe Pirl: Ich musste nach dem letzten Wochenende diversen Freunden und Kollegen mit Mainz-Bezug versprechen, dass wir gegen Köln gewinnen. Die Mannschaft hält sich dran und erwürgt ein 2:1.

Christian Spoo: Wie immer, wenn es gilt, Böcke umzustoßen, erweisen die sich als unumstößlich. Selbst wenn‘s Ziegenböcke sind, die das ganze Jahr sonst nichts auf die Kette kriegen. Ein enttäuschendes Derby endet ohne Sieger. 1:1.

Michael Heinen: Im Derby ist ein Sieg Pflicht. Borussia gewinnt mit 3:2.

Claus-Dieter Mayer: Nach der peinlichen 0:2 Niederlage im Derby gegen 10 Kölner (Platzverweis für den FC in der 20. Minute) beginnt in Gladbach allmählich die Seoanen-Forschung, nicht (seo-)ahnend, dass drei Tage später in Saarbrücken alles noch schlimmer kommen wird.