seitenwahl 202307151722 IMG 8841Der Wechsel allein ist das Beständige, sagte einst Arthur Schopenhauer, obwohl er die glorreiche Borussia aus Mönchengladbach zu seiner Zeit noch gar nicht kennen konnte. Mit seiner Philosophie des metaphysischen Pessimismus wäre er heutzutage überzeugtes Vereinsmitglied und hätte am Derby vom vergangenen Samstag seine jämmerliche Freude gehabt.

Wie so oft in dieser Saison wechselten sich bei Borussia während einer Partie couragierte, glanzvolle Momente mit trostlosen, blutarmen Teilleistungen ab. Die ersten 20 bis 30 Minuten war wenig von den vollmundigen Ankündigungen zu sehen, gegen den Erzrivalen „brennen“ zu wollen. Dies änderte sich erst in der letzten Viertelstunde der ersten Halbzeit, in der sich Borussia den zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich verdiente.

Nach dem Seitenwechsel wurde es ein noch wilderes Spiel, in dem Borussia erst einen Rückstand drehte, um dann – mal wieder – eine eigene Führung nicht über die Zeit zu bringen. Die insgesamt gute Offensivleistung wurde – mal wieder – durch haarsträubende Fehler in der Defensive zunichte gemacht. Insbesondere Nicolas/Netz, Elvedi/Lainer sowie Itakura hatten an den Gegentoren ihren Anteil.

seitenwahl 202308051638 IMG 3158Nur ein anderer Bundesligist hat dem 1. FC Köln in dieser Saison gestattet, mehr als ein Tor zu erzielen (Eintracht Frankfurt verlor 2:0 in Köln). Borussia ließ in beiden Partien jeweils drei zu. Sechs Gegentore in zwei Spielen gegen einen Bundesligisten, der seine Offensivhoffnungen allen Ernstes auf Davie Selke setzt und dessen zweifacher Torschütze in diesem Spiel so viele Treffer erzielte wie in allen 31 vorherigen Versuchen zusammen. Wenn bloß Schopenhauer dies noch hätte erleben dürfen.

Den Derbysieg fahrlässig aus der Hand gegeben. Die Punkte 12 und 13 in dieser Saison gegen die glorarmen Drei im Tabellenkeller verloren. Die Defensivschwäche eindrucksvoll fortgesetzt. Und dennoch war die Stimmung unter den Borussen-Fans nach der Partie nicht komplett negativ, sondern gemischt. Dies lag zuvorderst daran, dass die Mannschaft nach der schwachen Anfangsphase den Willen zeigte, um den Derbysieg zu kämpfen und sich auch vom zweiten Rückstand nach der Pause nicht umwerfen ließ.

Die erfolgreiche Einwechselung des Duos Hack-Reitz bewies einmal mehr, dass Borussia die kämpferische Komponente dieser beiden Spieler guttut und Seoane ruhig öfter von Beginn auf sie setzen sollte. Der Ex-Bielefelder krönte sich zudem noch durch seinen zweiten Doppelpack in dieser Saison.

Für das Pokalspiel am Dienstag wird der Trainer dadurch in der Offensive die Qual der Wahl haben. Defensiv wird die Zeit nicht reichen, um das leidige Problem der Kompaktheit endlich in den Griff zu bekommen. Wenn selbst der 1. FC Köln in der Lage ist, drei Tore und eine Reihe weiterer Großchancen zu kreieren, wird dies auch dem hochmotivierten 1. FC Saarbrücken möglich sein.

Das Problem sind aber nicht nur die individuellen Schwächen. Aktuell verfügt Borussia im defensiven Mittelfeld über technisch versierte Akteure, die ihre Stärken zumeist eher in der Offensive ausspielen und denen es nicht gelingt, die Abwehr zu stabilisieren – unabhängig davon, ob diese als Vierer- oder Fünferkette aufgestellt wird. In der Vergangenheit hat Borussia auf ähnliche Situationen reagiert, indem sie Spieler wie Tomas Galasek, Tobias Strobl oder Thorben Marx installierte, zu einer Zeit, als man den Begriff „Holding Six“ am ehesten noch für ein Kartenspiel gehalten hätte. Marx und Strobl waren zwar limitierte Spieler, die aber zumindest zeitweilig zu größerer Kompaktheit und Stabilität im Defensivverbund beitrugen. Vielleicht wäre es daher einen Versuch wert, mit Itakura oder Jantschke einen neuen personellen Impuls zu setzen.

Spätestens zur nächsten Saison wird es eine der dringlichsten Aufgaben sein, dieses Problem zu beheben und hier neue Lösungen zu finden. Die konstante Aufstellung von Koné anstelle des regelmäßig auffälligeren Reitz könnte zum Teil dem Wunsch entspringen, für den international gefragten Franzosen eine möglichst hohe Ablöse zu erzielen.

seitenwahl 202305291418 IMG 1039Das Geld wird im Sommer dringend benötigt für den bevorstehenden nächsten „Umbruch“. Hilfreich wäre es für die Rekrutierung neuer Spieler ebenso, wenn Borussia am Saisonende im oberen Mittelfeld landen könnte oder im Idealfall sogar international spielen dürfte. Auch wenn es weiterhin nur sechs Punkte Abstand zum 7. Platz sind, wird es wahrscheinlicher sein, diesen Weg über zwei Favoritensiege sowie einen Außenseiter-Coup im Pokal zu erreichen. Dafür muss aber zunächst am Dienstag die nicht zu unterschätzende Hürde genommen werden. Borussia täte gut daran, dort von der 1. Minute an engagiert und konzentriert aufzutreten und sich endlich einmal den philosophischen Ansätzen eines Schopenhauers zu widersetzen.