Wir fangen gleich an, aber vorher müssen wir noch die Meldungen der Woche aus München aufarbeiten. Keine Angst, es kommen keine billigen Andreas-Brehme-Gags, auch wenn der in München wohnt. Würden wir nie machen. Nein, wir wollen vielmehr darauf verweisen, dass im Zuge der erzwungenen Demission des grundsympathischen Julian Nagelsmann beeindruckend oft jenes 5-0 im DFB-Pokal zitiert wurde. Angesichts der Tatsache, dass er während dieses Spiels in der Küche hockte, war das vielleicht etwas ungerecht, aber es war ja auch nur eines von fünf Spielen unter Nagelsmann zwischen diesen beiden Vereinen. Und dabei brachte Bayern insgesamt nur 2 Unentschieden zustande. Diese fünf Spiele verliefen sehr unterschiedlich, da war von glücklichen über schmeichelhafte Punkteteilungen bis zu noch zu niedrig ausgefallenen Klatschen eigentlich alles dabei, nur eins war immer gleich: Nagelsmann war nicht schuld. Sondern wahlweise Schiedsrichter, die Spieler, dunkle Mächte und der Weltenlauf. Nur eben Julian nicht.  

Wir hätten gerne zugesehen, zu welchen Tiraden er sich bei weiteren Niederlagen hätte hinreißen lassen, aber das ist uns ja leider nicht vergönnt. Sein Nachfolger hat zweifellos anderes Format, spannend wird nur sein, wie der notorisch aneckende Tuchel mit seinen neuen Vorgesetzten zurechtkommt, die sich zuletzt und auch in der Kommunikation rund um die Entlassung ungefähr so geschickt angestellt haben, als hätten sie vor kurzem noch ihr Geld als Preisboxer auf der Wiesn verdient. Außerhalb des Sport1-Kosmos wird jedenfalls auf absehbare Zeit keiner mehr das Hohelied des perfekt geführten Vereins singen, der noch ganz bei Trost ist. 

Apropos schlecht arbeitendes Führungspersonal, bevor wir da ganz selbstkritisch auf den eigenen Verein schauen, dürfen wir mit dem anfangen, bei dem die Borussia am Sonntag zu Gast ist. Der hat sich offensichtlich beim Nachwuchs des slowenischen Clubs Olimpija Ljubljana bedient und versucht, wenig elegant, die üblichen Entschädigungen für die Jugendausbildung zu umgehen. Das geschah dem Vorwurf nach, indem man den Spieler zur Vertragsauflösung angestiftet habe. Der 1. FC Köln weist das natürlich zurück, die einseitige Kündigung des Spielers sei völlig rechtskonform gewesen, weil der ehemalige Verein vertragsbrüchig geworden sei, und damit habe man ja auch nichts zu tun. Trotzdem sah man sich offensichtlich genötigt, ein der eigenen Aussage nach weit über der nun verhängten Geldstrafe liegendes Angebot zur Beilegung des Streites zu machen, was etwas seltsam anmutet: wenn man sich doch überhaupt nichts zu Schulden hat kommen lassen, warum war man dann bereit, einen sechsstelligen Betrag abzudrücken? Nächstenliebe scheidet im Bundesligageschäft ja aus, wie Joshua Kimmich unter der Woche zu berichten wusste.  

Nun würde ein Transferverbot für den von seinen Anhängern liebevoll “Äffzeh” genannten Verein den Durchschnittsborussen nicht unbedingt in ein Jammertal stürzen, aber andererseits gilt es an dieser Stelle auch festzuhalten: Von der FIFA für ungebührliches Gebaren und moralisch verwerfliches Transferverhalten gerügt und bestraft zu werden, das ist schon so etwas wie eine Gefängnisstrafe für schlechte Tischmanieren, ausgesprochen von Richter Hannibal Lecter.  

Kommen wir damit mal zur sportlichen Situation beim Gegner. Nachdem man lange Zeit eine total dufte Runde spielte und sich in Schlagdistanz zum europäischen Geschäft wähnte, auch noch richtig gut ins neue Kalenderjahr kam und sich also daran machte, ohne Mehrfachbelastung jetzt in der Liga durchzustarten (wie so ziemlich jedes äffzehnahes Umfeld im Bekanntenkreis eines jeden Menschen auf dem Planeten nicht müde wurde zu verkünden), hat sich das Blatt jüngst gewandelt. Da hat man nach fünf Spielen mit der Ausbeute von einem Punkt sich eine ziemlich ähnliche Ausgangssituation erspielt wie die Borussia, nur mit einem Touch mehr Abstiegsangst angesichts von vier Punkten weniger insgesamt. Nach oben ist nichts mehr möglich, nach unten bei einem schlechten Saisonverlauf aber durchaus. Frappierend ist die Torausbeute in diesen fünf Spielen: Ein mickriger Treffer steht da, der Ehrentreffer bei einem krachenden 1:6 gegen Dortmund, und die Kernfrage in der Domstadt ist daher auch: “Wer soll die Tore schießen?” Die einzig logische Antwort darauf, nämlich “Davie Selke”, die löst zumindest in Berlin gewisse Heiterkeitsstürme aus. Gegen Borussia hat er gefühlt schon mal getroffen, allerdings erinnert man sich auch einen bemerkenswert hanebüchenen Fehlschuss noch im Trikot von Werder Bremen. Und Derby-Atmosphäre kann er auch: Im Trikot von Berlin hat man ihm nach dem Derby gegen Union sein in den Block geworfenes Trikot postwendend zurück in den Innenraum geschmissen. Sicher also, dass er weiß, wie es nicht geht.  

Star beim Gegner ist ohnehin der Trainer, der sympathische Klops mit der kultigen Schiebermütze, der immer so am Spielfeldrand steht, als habe er Verdauungsprobleme. Und der auch töfte in der Welt Bescheid weiß, was er der Welt auch gerne häufig und ungefragt erzählt. Immerhin versteht er es, seiner Mannschaft gewisse Basics wie Laufbereitschaft und Zweikampfschärfe einzuimpfen, zwei Qualitäten, mit denen Borussia äußerst selten in dieser Saison klarkam, weshalb der Ausgang des Derbys mal wieder sehr offen scheint. Jedenfalls ist der Trainer auf der anderen Seite bisher nicht damit in Erscheinung getreten, der Mannschaft die richtige Einstellung gegen vermeintlich schwächer besetzte Gegner zu vermitteln. Die gesamte Saison rätselt man bereits, ob das nun ursächlich an ihm oder an der Mannschaft liegt, schließlich hatte sein Vorgänger ähnliche Probleme vorzuweisen.  
 
Überhaupt: Auch bei der Borussia moderiert man die Saison äußerst schlecht. Mal kann man nicht mehr erwarten, mal belohnt man sich nur nicht, mal fehlt es an der Einstellung. Wohlgemerkt alles bei einem vollkommen gleichförmigen Saisonverlauf, in dem fehlende Konstanz über einen Zeitraum von mehr als 60 Minuten die einzige Konstante ist. Viel zu retten ist nun eh nicht mehr, wenn man nicht wirklich und mit Überzeugung als Erfolg verkünden will, dass man nicht ernsthaft in Abstiegssorgen geraten ist. Trainer, Spieler und Manager wären gut beraten, wenn ihnen die Bedeutung des Spiels am Sonntag wirklich klar wäre. Es geht nämlich nicht “auch nur um drei Punkte”, sondern es geht überhaupt nicht um Punkte; die Punkte sind ganz im Gegenteil fast völlig egal. Es geht vor allem darum, welche Stimmung man in diesen letzten Saisonabschnitt mitnimmt, und wie ambitioniert sich dieser Verein auch potentiellen Zugängen gegenüber zeigt. Es wäre daher eine verdammt gute Idee, am Sonntag einfach mal eine überzeugende Leistung zu zeigen. Sonst steht Borussia bald so nackig da wie Frauen am Ende von Andreas-Brehme-Geburtstagsgrußvideos. Sorry, jetzt haben wir es doch getan, aber der lag auf dem Punkt wie damals 1990 in Rom. Wir wussten alles, aber halten, halten konnten wir ihn nicht.  

Seitenwahl-Tipps:

Thomas Häcki: Für ein Derby braucht man Eier, in Gladbach gibt es aber nur Hühner. Deswegen ist das 0:4 auch wenig überraschend.

Michael Heinen: Ein Derby darf nicht verloren gehen. Da Borussia auswärts aber auch nur selten gewinnt, läuft es auf ein 2:2-Unentschieden hinaus.

Christian Spoo: Erneut ein Treffen im Niemandsland der Bundesliga. Ein alles in Allem enttäuschendes Derby endet 2:2.

Mike Lukanz: Ich tippe ja nicht mehr mit. Aber bei der mir ins Gesicht heulenden Tipp-Depression der übrigen Kollegen muss ich die Fahne der Vernunft hochhalten. Borussia gewinnt das Derby natürlich mit 3:1.

Uwe Pirl: Es gab Zeiten, in denen ein rauschender 4:0- oder 5:1-Sieg gegen Köln ziemlich sicher prognostizierbar war. Aber Zeiten ändern sich (in diesem Fall: Leider!). Seien wir also mit weniger zufrieden und freuen wir uns, dass sich Borussia zu einem 2:1 in Köln würgt.

Claus-Dieter Mayer: Die hauen wir weg, 5:1!

Michael Oehm: Ich wünsche mir mehr Liebe und deshalb einen 2:0 Sieg der Borussia. Für jedes Transferfenster ein Tor. Danach darf der CAS dann sein übliches Prozedere veranstalten.