Borussia musste sich an diesem Wochenende gleich für zwei peinliche Niederlagen rehabilitieren. Für das 0:4 in der Vorwoche in Mainz und nicht minder für das 0:6 aus der Vorsaison gegen den SC Freiburg. Es gelang ihr zumindest in wesentlichen Teilen. Denn obwohl das Ergebnis am Ende ein wenig unbefriedigend wirkte, konnten die Fans mit dem Auftreten und Engagement der Mannschaft weitgehend zufrieden sein. Obwohl Daniel Farke nicht müde wird zu betonen, wie weit seine Elf von den Top6 leistungsmäßig entfernt ist: Gegen den Tabellenfünften präsentierte sich die Fohlenelf mehr als nur auf Augenhöhe und hätte aufgrund der größeren und zahlreicheren Chancen einen Sieg verdient gehabt. Insbesondere Alassane Plea war im Abschluss zweimal unglücklich, sodass am Ende nur ein 0:0 stand.

Für den Kampf um Platz 7 ist dieser Punkt vermutlich zu wenig. Aber zunächst einmal war es wichtig den Willen der Mannschaft zu sehen, wieder etwas des verloren gegangenen Vertrauens ihrer Anhänger zurückzugewinnen. Eine ordentliche Partie wird dafür aber bei weitem nicht reichen. Sie wird in den kommenden Wochen konstant unter Beweis stellen müssen, dass ihr dies nicht nur gegen eine der Top6-Mannschaften gelingt, sondern auch gegen vermeintlich schwächer besetzte Teams, wie demnächst Bremen oder Köln.

Die Leistung gegen Freiburg war ordentlich, aber noch lange nicht ausreichend, um das zu vergessen, was sich in dieser Saison – sowie in den letzten Jahren – angestaut hat. Zur Erinnerung: 2:2 auf Schalke, 0:1 gegen Mainz, 1:5 in Bremen, 1:2 in Darmstadt, 1:2 in Bochum, 0:1 in Augsburg, 0:0 gegen Schalke, 1:4 in Berlin, 0:4 in Mainz. In (mindestens) neun Spielen dieser Saison quälte die Mannschaft ihre Fans mit lethargischen Larifari-Leistungen gegen (zum Teil deutlich) schwächer besetzte Mannschaften. Und nein, schon die ersten Halbzeiten zuletzt gegen Mainz, Schalke oder Augsburg waren nicht gut, sondern allerhöchstens durchwachsen. Wenn sich eine Mannschaft mit den individuellen Qualitäten der Borussia in 45 Minuten maximal eine zwingende Torchance erspielt, dann ist das nicht gut und sollte nicht schöngeredet werden. Schon gar nicht, wenn dies in der Vergangenheit zu keiner Verbesserung geführt und somit offensichtlich keinen motivierenden Einfluss auf das Team hat.

Gegen Freiburg waren es deutlich mehr zwingende Toraktionen, wenngleich selbst da noch bei einigen Offensivakteuren Luft nach oben war. Stärker zu bemängeln ist die erste Viertelstunde nach dem Seitenwechsel, als es wieder einmal sehr nach einer schwächeren zweiten Borussen-Hälfte aussah. Anders als in vielen Spielen der vergangenen Wochen konnte sich die Mannschaft aber aus dieser passiven Phase befreien und war in der letzten halben Stunde dem Sieg näher als der Gegner.

Marcus Thuram hatte dabei einige gute Aktionen, aber leider auch die schlechteste als er allzu plump versuchte, einen Strafstoß herauszuholen. Der Schiedsrichter fiel nach kurzem Zögern zunächst auf den Täuschungsversuch hinein, wurde dann aber von seinem Videoassistenten zurecht korrigiert. Einziger Fehler von Brand, dass er für diese Schwalbe nicht die zwingend erforderliche Gelbe Karte herausholte. Hier sogar Rot zu fordern, wie es Sky-„Experte“ Didi Hamann forderte, ist blanker Populismus. Aber ganz straffrei hätte Thuram nicht bleiben dürfen. Da er später wegen einer weiteren Dummheit doch noch die Gelbe Karte sah, konnte er von Glück sagen, die Partie nicht vorzeitig beenden zu müssen.

Auch Lars Stindl hätte sich bei einer härteren Linie des Schiedsrichters nicht unbedingt beschweren können, wenn er für seinen ungeschickten Tritt auf den Knöchel von Höfler vom Platz verwiesen worden wäre. Gelb war hier die angemessene Wahl. Zumindest durch die Freiburger Fanbrille wäre Rot aber nicht unmöglich gewesen.

Nicht verschont wurde dagegen Ramy Bensebaini, der über die zunehmend unsichere Spielleitung von Benjamin Brand allzu frustriert war und nach einer der zahlreichen strittigen 50:50-Entscheidungen den Ball frustriert wegschoss. Gelb war auch hier die einzig richtige Entscheidung und noch viel mehr Gelb-Rot für das anschließende hämische Klatschen des Algeriers, der sich mit diesen Unsportlichkeiten für seinen künftigen Arbeitgeber empfahl.

Keine Frage, der Schiedsrichter trug erheblich zu der hektischen Grundstimmung bei, die sich Mitte der zweiten Halbzeit entwickelte. Er pfiff zwar nicht „alles“ gegen Borussia, wie es durch die Gladbacher Fanbrille den Anschein zu haben schien. Nach Thurams Täuschungsversuch schien er aber Borussia keinen weiteren Pfiff gönnen zu wollen und zog sich so den berechtigten Unmut des Stadions zu.

Es ist grundsätzlich positiv zu werten, mit welcher Leidenschaft die Mannschaft auf diese spürbare Ungerechtigkeit reagierte und so die zuletzt oftmals vermissten Emotionen erkennen ließ. Dies sollte sich aber nicht zu sehr in Frust und Lamentieren ausdrücken, weil dies letzten Endes dem Teamerfolg schadet. Bensebaini hat auf diese Weise seiner Mannschaft einen Bärendienst erwiesen, die in dieser Phase auf den Führungstreffer drängte und so die letzten 10 Minuten in Unterzahl ausgebremst wurde. Dass er anschließend im Kabinengang die Berufswahl von Mutter Brand hinterfragte, verstärkt den negativen Gesamteindruck, den der Linksverteidiger in dieser Szene vermittelte.

Unabhängig davon, ob das DFB-Sportgericht Bensebainis Beleidigung stärker ahnden möchte als die unflätigen Worte von Julian Nagelsmann zuletzt, sollte sich der Trainer überlegen, ob er dem Algerier eine etwas längere Denkpause verpassen möchte. Sportlich ist er in der Form der letzten Monate kein allzu großer Verlust und es wäre an der Zeit, Luca Netz mehr als nur sporadische (Kurz-)Einsätze zu gönnen. Es ergibt sich jetzt eine gute Gelegenheit, dem Ex-Herthaner in den kommenden 2-3 Spielen eine echte Bewährungschance zu verschaffen. Sollte er nicht in der Lage sein, Bensebaini in der aktuellen Verfassung mindestens gleichwertig zu vertreten, so müsste sich der Verein im Sommer dringend nach einem stärkeren Linksverteidiger umsehen.

Erfreulich war die Leistung von Tobias Sippel, über dessen Aufstellung zunächst nicht jeder Borussen-Fan glücklich war. Der einstmals als „beste Nr. 2 der Liga“ übertrieben gefeierte Ex-Lauterer hatte bei seinen Einsätzen im bisherigen Saisonverlauf größere Schwächen in der Strafraum- und Ballbeherrschung offenbart und war dadurch in nicht minder überzogene Ungnade gefallen. Gegen Freiburg strahlte er endlich wieder Sicherheit aus und hielt, was auf seinen Kasten kam.

Auch Nico Elvedi bot seine beste Partie seit Monaten, wenngleich dies nicht sonderlich schwer war. Bis auf einen kleineren Wackler in der 2. Halbzeit agierte er fehlerlos, was in der aktuellen Situation keine Selbstverständlichkeit ist. Es ist unerklärlich, mit welcher Konstanz der Schweizer in dieser Saison unterperformt und sogar noch unsicherer auftritt als in seinem ersten Borussen-Jahr. Es ist aber ebenso unerklärlich, wie geschichtsvergessen so mancher Fan auftritt und einen verdienten langjährigen Borussen in einer zweifelsohne sehr schlechten Phase direkt fallen lässt. Mit gerade einmal 26 Jahren hat Elvedi bereits 259 Pflichtspiele für den Verein gemacht, ist seit sieben Jahren Stammspieler und hat davon mindestens vier Jahre sehr ordentliche Leistungen abgeliefert. Auch in der Nationalmannschaft kommt er bereits auf 43 Einsätze und hat an je zwei Welt- und Europameisterschaften teilgenommen.

Anstatt solch einen verdienten Borussen in seinem Leistungsloch zu unterstützen, wird er angefeindet und damit noch weiter verunsichert. Stattdessen wird in der schnelllebigen Fußballwelt das Eigengewächs Jordan Beyer in den Himmel gelobt, der seine aktuell beachtlichen Leistungen zunächst einmal nur in der Zweitklassigkeit offenbart. Bei Borussia hat er sich unter mehreren Trainern nicht nachhaltig durchsetzen können und wurde vor Saisonbeginn vom Team Virkus/Farke offensichtlich schwächer eingeschätzt als Elvedi, Friedrich, Jantschke und Scally. In der vorigen Saison zeigte er zwar ordentliche Ansätze, stand aber insgesamt selbst da nur bei 15 Partien für länger als 30 Minuten auf dem Platz. In seinem derzeitigen Alter war Elvedi bereits fast drei Jahre lang Stammspieler der Borussia mit über 100 Einsätzen in der Liga sowie acht Champions League-Auftritten.

Keine Frage, Elvedi stagniert seit inzwischen einem Jahr in seinen Leistungen, hat den Sprung zum Führungsspieler nicht geschafft, sondern sich stattdessen im neuen Farke-System als Unsicherheitsfaktor erwiesen. Und ebenso unzweifelhaft ist Jordan Beyer ein vielversprechender junger Spieler – zudem noch aus dem eigenen Fohlenstall – dem zuzutrauen ist, in einigen Jahren sogar noch stärker werden zu können als Elvedi im „Top-Flow“. Es ist sehr bedauerlich, dass Borussia von seinen Fähigkeiten offensichtlich nicht so überzeugt war und dem FC Burnley eine Kaufoption eingeräumt hat. Selbst wenn diese – wie von der Rheinischen Post kolportiert – bei 15 Millionen Euro liegen sollte, wäre es sehr schade, auf ein solch talentiertes Eigengewächs verzichten zu müssen.

Der Ur-Fohle Jordan Beyer hätte ein sichtbares Signal für den so dringend benötigten Aufbruch in eine bessere Zukunft sein können. Einen solche werden die Verantwortlichen der Mannschaft und den Fans bis zum Sommer erzeugen müssen. Die noch ausstehenden elf Partien dieser Saison sollten insbesondere dafür genutzt werden, um zu erkennen, wer aus dem bestehenden Kader für diese Perspektive stehen könnte. Daniel Farke sollte zwar die Zukunft im Blick haben, darf aber die Gegenwart nicht völlig vernachlässigen. Nathan Ngoumou oder Oscar Fraulo z. B. haben bislang leider noch nicht im Ansatz gezeigt, dass sie Bundesliga-Niveau aufweisen. Nach Ansicht des Trainers würde die Mannschaft durch ihren Einsatz oder auch nur durch ihre Einwechselung geschwächt, sodass sie sich zunächst einmal über stärkere Trainingsleistungen empfehlen müssen.

Auch wenn absehbar ist, dass Borussia bis zum Saisonende im Tabellenmittelfeld herumdümpeln wird. Für die Grundstimmung im Verein und auch für das Bankkonto macht es einen signifikanten Unterschied, ob die Mannschaft mit ab sofort starkem Einsatz und Engagement auftritt und die Saison z. B. als 8. halbwegs versöhnlich beendet – oder ob sie weiter ihren wechselhaften Stimmungen nachgibt und am Ende nur 13. wird. Letzteres würde die ohnehin schon sehr schwierige Aufgabe von Roland Virkus und seinem Team noch weiter verkomplizieren, ambitionierte Fußballer in den Borussia-Park zu locken und so eine wettbewerbsfähige Mannschaft mit Perspektive aufzustellen. Es ist zu hoffen, dass das 0:0 gegen Freiburg nach den Erfahrungen der letzten Monate ein erster Schritt in die andere Richtung gewesen ist.