leverkusen neu

Dass man gut 2 Monate lang, wann immer man bei der Kicker-App auf Bundesliga klickte, als Erstes einen Gladbach-Sieg angezeigt bekam, gab es vermutlich lange nicht mehr. Was macht es da, dass es immer derselbe 4:2-Erfolg gegen Dortmund war, der, ungeachtet solcher Ablenkungen wie der WM, Weihnachten oder dem RS-Virus, stoisch daran erinnerte, wer die wahre Borussia ist? Wie wichtig dieses Spiel für die Psyche von uns Fans war, wird klar, wenn man sich vorstellt, der BVB hätte in jenem Spiel seine durchaus guten Möglichkeiten in der ersten Halbzeit genutzt. Dann wäre die Gladbach Anhängerschaft wohl 10 Wochen lang von Alpträumen ob des mageren Abstandes von 5 Punkten auf den Relegationsplatz geplagt worden.

Dieses Gedankenspiel deutet an, wie fragil die Lage des Vereins in diesen Tagen ist. Der Kader ist (noch) hochwertig, hat auch in einigen Spielen der Hinrunde wie z.B. gegen Dortmund überzeugt, anderseits aber in der Liga noch keinen Auswärtssieg erzielt und in einigen Spielen (Bremen, Darmstadt, Bochum) komplett versagt. Der bisherige achte Platz erscheint als faire Reflexion dieser Leistungen. Schaut man auf die Teams auf den Plätzen 1-7 an, ist auch nicht klar, wen die Borussia da mal einfach so verdrängen sollte. Wolfsburg ist in etwa auf Augenhöhe, hat sich aber dummerweise über die Saison gesteigert. Die Hoffnung, dass Union Berlin über seine Verhältnisse gepunktet hat und jetzt dahin durchgereicht wird, wo es hingehört, hat man auch schon öfters in der Vergangenheit gehabt, ohne dass sie sich letztendlich erfüllt hätte. Es erhärtet sich der Verdacht, das obere Tabellendrittel könnte inzwischen das natürliche Habitat der Köpenicker sein. Ähnliches gilt auch für die inzwischen brechreizerregend stabilen Freiburger. Und nicht nur wird es schwer, wen vorne zu verdrängen, sondern mit Hoffenheim und dem kommenden Gegner aus Leverkusen rangieren auch zwei Teams mit ähnlichen Ambitionen wie die Borussia nur 4 Punkte hinter dieser. Die „Strategie“ Spieler wie Thuram und Bensebaini in diesem Winter nicht und damit im Sommer ablösefrei gehen zu lassen, um diese Saison noch ins internationale Geschäft zu kommen, wirkt deshalb auch ein bisschen so, wie jemand ,der zur Finanzierung eines Projekts erstmal einen Lottoschein ausfüllt: theoretisch könnte es gut gehen! Vermutlich ist der Nichtverkauf dieser Spieler aber auch weniger Strategie als eher der Ausdruck der seit 3.5 Jahren anhaltenden Missachtung der Borussia seitens des Transfermarkts. Eine Ausnahme bildet hier Yann Sommer, der den VFL nach 8.5 meist guten Jahren Richtung Bayern München verlassen hat und nun durch seinen Schweizer Nationalmannschaftskollegen Jonas Omlin ersetzt wird.

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Ob Omlin dann am Sonntag gegen Leverkusen gleich sein Debüt im Borussiapark gibt, ist eine der interessanten Fragen rund um den Auftakt ins Fußball-Jahr 2023, aber außer es tut sich etwas Außergewöhnliches, sollte man von einem Einsatz des Schweizers ausgehen. Sieben Millionen  (oder sind es 8? Höre ich gar 9?) für einen Ersatztorwart klingt nämlich irgendwie seltsam.  Die beiden anderen bemerkenswerten Personalien bei den Gladbachern sind die nach Verletzung zurückgekehrten Itakura und Neuhaus. Neuhaus wird wegen mangelnder Spielpraxis vermutlich erstmal auf der Bank sitzen, wohingegen zu erwarten ist, dass WM-Teilnehmer und (wegen zweier gelber Karten) Achtelfinal-Verpasser Itakura Marvin Friedrich aus der Startelf verdrängt und dadurch der Gladbacher Defensive etwas zusätzliche Stabilität gibt. Der Rest der Aufstellung wird vermutlich der Startelf gegen Dortmund im November ähneln wie auch immer die aussah (ist irgendwie ziemlich lang her, aber so Gestalten wie Hofmann, Weigl, Thuram, Plea, Kone und Kramer könnten sich darunter befinden).

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Sucht man die Enttäuschung der bisherigen Saison, so muss man nur zum sonntäglichen Gegner aus Leverkusen gucken. Der Tabellendritte des Vorjahres galt bei manch einem im Sommer gar als Geheimfavorit auf die Meisterschaft. Der Trainer Seoane schien nach erfolgreicher Debütsaison fest etabliert, die Mannschaft konnte zusammengehalten werden. Ein Wermutstropfen war natürlich der langfristige Ausfall von Florian Wirtz, aber auch ohne den Jungstar hatte man im Saison-Endspurt 19 Punkte aus den letzten 8 Spielen geholt. Was konnte also schon schiefgehen? So ziemlich alles! Am Anfang war es zum Teil noch Pech, aber irgendwann schlug die Tobias-Escher-Regel zu und die Leistungen der Werkself passten sich den Ergebnissen an, sodass man nach 8 Spieltagen mit nur einem Sieg auf einem Abstiegsplatz stand. Schon die frühe Menschheit wusste, dass man dem Unheil nicht einfach so seinen Lauf lassen darf. Und wo dereinst ein Schaf geopfert oder eine Witwe verbrannt wurde, wird heutzutage viel zivilisierter der Trainer entlassen. Aus Gladbach-Sicht war dabei vor allem die Tatsache pikant, dass ein Anwärter auf die Rose-Nachfolge 2021 durch einen anderen ersetzt wurde: Xavi Alonso, der im Frühjahr 2021 für ca. einen Vormittag rund um den Borussiapark für Schnappatmung sorgte, bevor auch Borussia-Fans erkennen mussten, dass die Bildzeitung nicht die zuverlässigste Nachrichtenquelle ist.

Aber auch der charismatische spanische Weltstar schien zunächst den Fluch nicht bannen zu können. Nach einem Sieg gegen Schalke gab es drei weitere sieglose Spiele und Leverkusen stand auf dem Relegationsplatz. Aber just zu diesem Zeitpunkt, als ganz Fußball-Deutschland heiß diskutierte, wer wie am wenigsten von der WM gucken würde, gewann Bayer klammheimlich innerhalb einer englischen Woche 3 Spiele in Folge und hievte sich selbst ins Mittelfeld der Tabelle. Würde die lange Pause dies nicht lächerlich machen, könnte man davon sprechen, dass Bayer 04 das formstärkste Team der Liga ist. Zumindest sind sie aber eine Mannschaft mit hohem Potenzial, bei der der schlimmste unmittelbare Druck zunächst abgefallen ist.  Die interessanteste Personalie bei den Leverkusenern ist mit Sicherheit Jungstar Florian Wirtz, der am Sonntag sein Comeback nach 10 Monaten Pause feiern könnte. Patrick Schick hingegen wird mit Leistenproblemen wohl ausfallen. Allerdings hat der Goalgetter der Vorsaison mit nur 2 Toren in den Spielen vor der Pause bislang sowieso nicht überzeugt, sodass dieser Ausfall erheblich weniger ins Gewicht fällt, als er das im Vorjahr getan hätte.

Wie wir alle wissen ist das nächste Spiel nicht nur immer das schwerste, sondern in den meisten Fällen auch das wichtigste der Vereinsgeschichte und das Spiel am 16. Spieltag gegen Leverkusen macht da keine Ausnahme. Sollte man wirklich Thuram und Bensebaini bis Saisonende behalten, ist ein Platz in Europa (und wenn es geht mindestens Euro-League) für die Borussia im Prinzip ein MUSS, um einen kompletten Absturz im Sommer zu verhindern. Wie schon oben gesagt , ist das ein Lotteriespiel aber auch nicht unmöglich. Angesichts der folgenden Auswärtsspiele in Augsburg und Hoffenheim und der bisherigen Auswärtsschwäche des VFL, ist das Spiel am Sonntag damit aber schon fast ein Pflichtsieg. Und das gegen einen Gegner, der insgesamt besser besetzt ist und für den das Spiel eine ähnliche Bedeutung hat. Es gab definitiv schon langweiligere Ausgangslagen für ein Bundesligaspiel.

Seitenwahl-Tipps:

Claus-Dieter Mayer: In einem unterhaltsamen Fußball-Spiel trennt man sich am Ende mit 2:2. Auch wenn  beide Seiten diesen Ausgang höchst positiv bewerten, nützt er eigentlich keinem der Teams wirklich was.

Thomas Häcki: Leverkusen entpuppt sich als der übliche Spielverderber und gewinnt mit 2:1

Christian Spoo: Bundesliga? Jonas Omlin wird sich umgucken. Nämlich genau viermal. Da helfen auch die beiden eigenen Tore der Borussia nicht. Das Jahr 2023 beginnt ungemütlich.

Volkhard Patten: Viel hängt davon ab, wie schnell sich Omlin an die Hintermannschaft gewöhnt. Eine Viertelstunde sollte ja reichen, wenn man Nagelsmann glauben schenken darf. Wenn es viel länger dauert, startet Borussia mit einer Heimniederlage.

Uwe Pirl: Wäre wohl besser gewesen, auf die Leverkusener vor der Verpflichtung von Xabi Alonso und vor der Genesung von Wirtz zu treffen. Mit den beiden, die Mannschaft besser machenden Personalien wird das ein extrem schwerer Gegner. Gladbach zeigt aber das Heimgesicht und gewinnt 2:1. Omlin führt sich gut ein und macht eines grundsätzlich anders als Sommer: Er hält einen Elfmeter.

Michael Oehm: Man hört ihn nicht so gerne wie oft, den Satz, dass mehr drin gewesen wäre als das 1-1, mit dem sich Borussia schließlich begnügen muss.

Michael Heinen: Gegen Leverkusen gibt es für Borussia selten viele Punkte. So ist es erneut. Borussia verliert 0:1.