Glaubt man diversen Meinungsumfragen, dann könnte das kommende Wochenende für schwarz-gelb nicht allzu erfreulich verlaufen. Retten kann es sie vermutlich einzig, wenn es ihnen gelingt, schwache Grüne zu übertölpeln. Die Bilanz der letzten Jahre spricht leider dafür, dass dies der Fall sein wird und der BV 09 Dortmund wie so oft drei Punkte aus dem Borussia-Park mitnehmen wird.

Die ursprüngliche Borussia mit Gründungsjahr 1900 tat sich zuletzt ein ganz klein wenig schwer gegen die neun Jahre später gegründete Billigkopie aus Westfalen. 13 Niederlagen in Folge setzte es zwischen 2015 und 2020, ehe im Januar dieses Jahres endlich mal wieder die richtige Borussia als Sieger vom Platz ging. Wer gehofft hatte, damit sei der unglückselige Knoten geplatzt, der wurde aber nur wenige Wochen später eines Besseren belehrt, als der BV09 mit einer durchschnittlichen Leistung relativ ungefährdet eine weitere Runde auf dem Weg zum DFB-Pokalsieg übersprang. Es war eine dieser typisch uninspirierten Leistungen in der rosigen Endzeit der letzten Saison.

Umso ernüchternder, dass sich das Bild auch in der aktuellen Saison unter neuem Trainer fortgesetzt hat. Im Jahr 2021 präsentiert sich Borussia wie ein Abstiegskandidat und steht daher völlig zurecht nach fünf Spieltagen auf dem drittletzten Tabellenplatz. Bis zur Wochenmitte hätten Optimisten noch einwenden können, dass Gladbach damit als das Juventus Turin der Bundesliga angesehen werden kann. Realisten machen sich dagegen Sorge, in welche Richtung sich der Verein in den kommenden Monaten entwickeln könnte.

Eine perfekte Analyse hierzu hat Joachim Schwerin vor einigen Tagen auf dieser Seite bereits geliefert. Wie zur Bestätigung seiner Worte gab Jonas Hofmann einen Tag später einer großen Boulevardzeitung ein Interview, in dem er das (Vor-)Urteil der teilweise fehlenden Identifikation einiger Akteure mit dem Verein eindringlich untermauerte. Wer in einer solch kritischen Phase mit einem möglichen Vereinswechsel kokettiert, hat den Ernst der Lage nicht verstanden. Das gilt in diesem Fall sogar für den Akteur, der in den letzten Monaten sportlich noch am überzeugendsten aufgetreten ist.

Borussia steht in den kommenden Wochen und Monaten an einem Scheideweg, der darüber entscheiden könnte, ob sich die Mannschaft wieder im oberen Tabellendrittel der Liga etabliert oder ob sie im Mittelmaß oder gar noch tiefer versinkt. Außer Frage steht, dass eine Kaderauffrischung der Mannschaft in diesem Sommer gutgetan hätte. Auch der eigentlich unumstrittene Max Eberl ist angesichts der inzwischen suboptimalen Kaderzusammenstellung nicht von der Kritik auszunehmen. In dieser Transferperiode waren ihm aber bekanntlich aus finanziellen Gründen die Hände gebunden, weshalb sein neuer Trainer jetzt mit dem vorhandenen Personal wird arbeiten müssen.

Von einem Top-Trainer darf schon erwartet werden, dass er bei der unbestritten vorhandenen individuellen Qualität mehr Leistung herauskitzeln kann als dies zuletzt der Fall war. Es ist aber unredlich, bereits nach fünf Spieltagen ernsthaft über seine Position diskutieren zu wollen. Die Arbeit eines Trainers sollte ganz allgemein nie auf Basis der ersten Anfangsmonate bewertet werden, da dies im Guten wie im Schlechten nur selten Aufschluss gibt über sein langfristig-kontinuierliches Wirken. Frühestens zur Winterpause kann ein erstes Zwischenfazit gezogen werden, inwieweit es Adi Hütter bis dahin gelungen sein wird, seiner Mannschaft ein funktionierendes System und eine taugliche Handschrift zu verpassen.

In der oftmals hyperventilierenden Öffentlichkeit wird sich eine entsprechende Diskussion aber nicht vermeiden lassen, sofern die nächsten beiden Partien wenig erfolgreich verlaufen sollten – wovon Stand jetzt leider auszugehen ist. Der BV 09 wie auch der VfL Wolfsburg sind nämlich Herausforderungen, die bei den derzeitigen Auftritten der Borussia kaum lösbar wirken. Was ein wenig Mut macht: Das bislang einzig akzeptable Saisonspiel absolvierte die Fohlenelf am ersten Spieltag beim 1:1 gegen Bayern München. Vielleicht gelingt ihr Ähnliches gegen die beiden anderen Klubs, die derzeit noch auf Augenhöhe mit dem Rekordmeister agieren.

Beim BV 09 verlief die Saison bislang genau gegensätzlich zur Borussia: Der Ligaauftakt in Freiburg war der bislang schwächste Auftritt und ging folgerichtig 1:2 verloren. Im Anschluss folgten vier Siege, die den Verein auf Platz 3 katapultierten. In den vergangenen Jahren reichte den Dortmundern meist schon der Einsatz von Marco Reus, um Borussia außer Gefecht zu setzen. Mittlerweile haben sie mit Erling Haaland aber eine noch viel stärkere Waffe, die mit ihrer Schnelligkeit und Effizienz von Borussias Defensive in aktueller Verfassung nur schwer verteidigt werden kann. Der Norweger ist ohne Zweifel einer der stärksten Stürmer der Welt. Es sollte einem charakterstarken Fan aber dennoch schwerfallen, einem Menschen zuzujubeln, der mit dem weltbekanntesten Rassisten und Sexisten sympathisiert und im vergangenen Jahr für eben jenen Donald Trump auf Twitter Wahlkampfhilfe betrieben hat. Leider überdeckt der Erfolg vieles: Ist der sportliche Erfolg eines Superstars nur groß genug, vermag die Öffentlichkeit sogar über Steuerverbrechen und mutmaßliche Vergewaltigungen hinwegzusehen.

Während sich Haaland offensichtlich noch weiter rechts orientiert, ist der sonstige BV 09 auch politisch sehr stark schwarz-gelb-orientiert: u. a. mit CDU-Mitglied und -Wahlkampfhelfer Hans-Joachim Watzke, dem ehemaligen BV09-Aufsichtsrat Friedrich Merz sowie dem aktuellen BV09-Wirtschaftsratsmitglied Christian Lindner. Wie wenig eine schwarz-gelbe Farbkombination mit grün harmoniert, wird sich in Berlin voraussichtlich erst im Laufe der Koalitionsgespräche herausstellen. Es könnte viel Zeit gespart werden, wenn hier auf jahrzehntelange Erfahrungen aus dem Fußball zurückgegriffen würde. Am kommenden Samstagabend erhalten die potentiellen Regierungsparteien dazu ein weiteres Mal Gelegenheit. Denn nicht nur die Rückkehr des umstrittenen Ex-Trainers wird dafür sorgen, dass am Samstagabend im Borussia-Park nur wenige Freundlichkeiten zwischen den Gegnern ausgetauscht werden. Dies hat sich der Neu-Dortmunder Übungsleiter durch seine Aussagen und sein Auftreten redlich verdient – solange hierbei auf jegliche Form von Gewalt und auf übertrieben geschmacklose Beleidigungen verzichtet wird. Für die Zukunft des Landes und der Borussia wäre es zu wünschen, dass Herr Rose im Speziellen genau wie schwarz-gelb im Allgemeinen tatsächlich kein allzu schönes Wochenende haben werden.

Borussia: Sommer - Scally, Ginter, Elvedi, Netz - Kramer, Zakaria - Herrmann, Stindl, Plea - Embolo

Dortmund: Kobel - Meunier, Akanji, Hummels, Guerreiro - Bellingham, Witsel, Dahoud, Reus - Hazard, Haaland

SEITENWAHL-Tipps

Michael Heinen: „Es ist das vielleicht größtvorstellbare Ärgernis, aber seit einigen Jahren belegt die Partie Borussia – Dortmund die These, dass am Ende (fast) immer das Böse siegt. So wird es leider auch am Samstag sein: Die unechte Borussia siegt mit 3:1 beim Original.“

Christian Spoo: „Ein Bild, das es lange nicht gab: Lässig grinsend verlässt Marco Rose den Borussia-Park. Soeben hat er dort mit seiner Mannschaft 4:0 gewonnen.“

Uwe Pirl: „Dortmund ist momentan in demselben Zustand blinder Verliebtheit, wie Gladbach das im Herbst 2019 war. Auch wenn dadurch das Hirn ein wenig vernebelt ist – dummerweise hilft das beim Kicken. Deshalb gewinnt Dortmund 3:1. Nächstes Jahr, wenn das Objekt der Begierde ich entweder als Blender entlarvt hat oder den nächsten Schritt gehen will, läufts dann andersrum.“

Claus-Dieter Mayer: „Das 1:1 in einem intensiven Spiel gegen den BVB ist gefühlt ein Schritt nach vorn, tabellarisch allerdings nicht.“