hertha berlin neu

Am 7. April 2019 verkündete Borussia Mönchengladbach die Trennung von Trainer Dieter Hecking zum Saisonende. Trotz einer Niederlagenserie gab es keinen besonderen sportlichen Druck, man hatte noch gute Aussichten auf die Teilnahme im europäischen Fußball. Es sei eine Trennung "strategischer Natur", wurde Sportdirektor Max Eberl in der Presse zitiert. Nur 9 Tage später, am 16. April, verkündete Hertha BSC die Trennung von Pal Dardai. Trotz einer Niederlagenserie gab es keinen besonderen sportlichen Druck, man stand im gesicherten Mittelfeld. Es sei ein "neuer Impuls im Sommer der richtige Schritt für Hertha BSC", wurde Sportdirektor Michael Preetz in der Presse zitiert. Besonders aufmerksame und gewiefte Leser werden festgestellt haben, dass es zwischen diesen beiden Abläufen im April gewisse Ähnlichkeiten gab, die aber an der Stelle auch schon aufhörten. Bei Borussia stand der neue Mann schon bereit und wurde wenig später auch offiziell vorgestellt. Noch dazu war es einer der begehrtesten Trainer Europas und der allgemeine Konsens war, dass dieser Wechsel theoretisch zwar nach hinten losgehen könne, aber höchstwahrscheinlich eine ziemlich gute Idee war. In Berlin hingegen hatte man sich anscheinend noch keinen Gedanken darum gemacht, was denn nun nach Dardai geschehen solle. Wochenlang wurde ein Name nach dem anderen durch die Presse gewälzt und Legenden wie Rudi Gutendorf, Udo Lattek oder Kuno Klötzer beugten nur durch vorzeitiges Ableben dem Schicksal entgegen, als Hertha-Trainer diskutiert zu werden. Letztendlich entschied man sich für Ante Covic, der zuvor Jugend-Teams und die zweite Mannschaft in Berlin gecoacht hatte. Außerhalb Berlins war man sich einig, dass das theoretisch zwar gut gehen könne, aber im Prinzip nur die Planlosigkeit bei der Hertha widerspiegele.

Man kann darüber philosophieren, ob sich hier die Unterschiede in der Vereinskultur zeigen, es vielleicht eher nur an den Personen Eberl und Preetz liegt oder aber auch nur Glück/Pech eine Rolle spielten. Wie auch immer: Die Hinrunde bewies, dass die Mehrheitsmeinung in beiden Fällen richtig lag. Marco Rose schlug in Mönchengladbach voll ein und ist gerade dabei, die beste Gladbacher Hinrunde seit 1976/77 zu beenden, während Ante Covic schon nach wenigen Monaten seinen Hut nehmen musste, als die Hertha drohte in die Abstiegsränge abzurutschen.

Am Samstagabend treffen diese beide Teams im Topspiel des Tages aufeinander. Auf der Bank in Berlin sitzt inzwischen Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann, der Ex-Werder-Coach Alexander Nouri als Jogi II zur Seite hat, für den Fall, dass er mal Entscheidungen zu treffen hat, die etwas mit Fußball zu tun haben. Dieses anfangs mit eben soviel Neugierde wie Skepsis aufgenommene Duo kann mittlerweile immerhin 7 Punkte aus 4 Spielen vorweisen. Auch wenn man dabei kaum glänzen konnte, hat eine Mischung aus defensiver Stabilität und offensiver Effizienz (dafür hätte man auch gleich Dardai behalten können, aber das soll nicht unser Problem sein) dafür gesorgt, dass man sich von den unmittelbaren Abstiegsplätzen etwas entfernen konnte. Das ist auch nicht wirklich eine Sensation, hat Hertha doch einen zwar nicht CL-verdächtigen, aber doch klar Bundesliga-tauglichen Kader.


In Grujic fehlt den Hauptstädtern dabei einer ihrer talentiertesten Akteure im Mittelfeld wegen Gelbsperre, aber auch der Rest kann sich sehen lassen. Arne Maier im Mittelfeld zählt nicht zu Unrecht zu einem der großen Talente in Deutschland, Lukebakio hat die Borussen-Abwehr schon im Fortuna-Trikot mehrfach irritiert, der alternde Gladbach-Schreck Kalou wird hoffentlich brav auf der Bank bleiben. Dass diese Mannschaft über weite Strecken der Hinrunde unter ihren Möglichkeiten geblieben ist, sollte die Borussia nicht dazu verleiten, den Gegner zu leicht zu nehmen. Ähnliches galt auch für den VFL Wolfsburg! Angesichts der letzten Spiele und der grundsätzlichen Spielphilosophie Nouris kann man davon ausgehen, dass Hertha eher defensiv und abwartend agieren wird, um den VFL mit schnellen Kontern zu überraschen.


Auf Gladbacher Seite bangt man erneut um den Einsatz Stefan Lainers. So gut wie Routinier Jantschke den Österreicher defensiv gegen Paderborn ersetzt hat, fehlt ohne Lainer doch ein entscheidendes Element im Offensivspiel auf der rechten Seite. Ansonsten steht Marco Rose aber fast der komplette Kader zur Verfügung und man kann wohl davon ausgehen, dass Embolo, Thuram und vielleicht auch Benesebaini und Benes zurück ins Team kommen. Nach den Nachspielzeit-Nackenschlägen gegen Istanbul und Wolfsburg hat man gegen Paderborn zumindest die Pflicht erfüllen können und man kann nur hoffen, dass die Mannschaft in Berlin noch einmal die Konzentration und Energie aufbringen kann, die sie zumindest in der Bundesliga in den letzten Monaten ausgezeichnet hat.

 

Seitenwahl-Tipps

Claus-Dieter Mayer: Auch mit dem ersten Sturm wirkt die Borussia in Berlin etwas müde und angesichts der traditionellen Berlinen Fussballverweigerung wird das Spiel so öde und zäh wie das Olympiastadion kalt und zugig ist. Das 1:1 zwischen Hertha und Gladbach hat man schon am Sonntag wieder komplett vergessen.

Christian Spoo: Hertha ist im Aufwind, auch wenn es nicht gut aussieht, was sie spielen. Die Berliner Brust ist breiter, Borussia hat das bessere Personal. Am Ende steht ein 1:1, mit dem beide leben können

Mike Lukanz: Hertha, ein kaltes Olympiastadion, ein unangenehmer Gegner, das alles kurz vor Weihnachten. Es ist alles angerichtet für einen furchtbaren Jahresabschluss. Da mich die Mannschaft in der Hinrunde schon oft positiv überrascht hat und ich keine Lust auf schlechte Stimmung zu Weihnachten habe: 0:0. 

Michael Heinen: Es weihnachtet und ein letztes Mal sammelt Borussia ihre letzten Kräfte zusammen. Mit einem 2:1 Sieg sorgt sie endgültig für ein frohes Fest und eine Wintertabelle, bei deren Anblick Borussen-Fans nicht nur am Heiligen Abend warm ums Herz wird.