Borussia hat die Pflichtaufgabe Paderborn bewältigt und überwintert zwar nur national, dafür aber definitiv auf einem Champions-League-Platz. Die Herbstmeisterschaft ist theoretisch noch drin, schlechter als Platz zwei kann es vor der kurzen Winterpause nicht mehr werden. Nach zwei frustrierenden Niederlagen nicht in einen Abwärtsstrudel geraten zu sein, ist das was nach dem 2:0-Sieg vom Mittwoch Abend auf der Habenseite steht. Dass es kein einfaches, ja ein zähes Spiel werden würde, hatten Akteure wie Beobachter erwartet. Dieses nicht einfache, ja zähe Spiel dann anzusehen, war trotzdem mühsam.

In gleich mehrerer Hinsicht bot das Spiel gegen Paderborn einen unschönen Flashback zum bleischweren Ende der Ära Hecking. Dessen Nachfolger hatte ausschließlich Spieler aufgeboten, die auch unter dem selbsternannten Löw-Nachfolgekandidaten schon zum Kader gehörten. Entsprechend bot die Mannschaft dann auch in der ersten Halbzeit einen Fußball, der so wenig inspiriert war, wie die letzte Rückrunde. Vom sogenannten Rosefußball war außer dem im langen Mantel am Spielfeldrand stehenden Namensgeber nichts zu sehen. Wucht und Vertikalität gingen dem Spiel vollständig ab. Die Aktionen der Borussen waren frei von jeder Selbstverständlichkeit. Einfachste Pässe verendeten im Nichts oder wurden abgefangen, die im Mittelfeld aufgebotenen Hofmann und Neuhaus brachten kaum einen Ball kontrolliert an den Mann, Zakaria und dem weiter vorne aufgebotenen Lars Stindl den Ball abzujagen, war für die bieder aber leidenschaftlich agierenden Paderborner eine leichte Aufgabe. Über die Flügel Druck zu machen, gelang überhaupt nicht. Tony Jantschke machte defensiv alles richtig, war im Aufbau aber kaum zu brauchen. Oscar Wendt schien geistig schon auf dem Weg in den Weihnachtsurlaub zu sein. Dass Paderborn ein Gegner war, der aus diesen Schwächen kein Kapital schlagen konnte, war das große Glück der Borussen in diesem ersten Durchgang. Viele Bundesliga-Teams hätten eine Mannschaft, die derart lasch auftritt, filetiert. Andererseits wäre Borussia wohl gegen ein Team mit größerer Qualität nicht so aufgetreten und vermutlich hätte Marco Rose sich auch nicht getraut, selbst freiwillig auf so viel eigene Qualität zu verzichten. Wer Zweifel daran hatte, dass eben diese fehlende Qualität auf Gladbacher Seite mit verantwortlich für die Gruselphase zwischen Februar und Mai 2019 war, denke nach dieser Halbzeit noch einmal nach. „Rose-Fußball“ ist ohne Lainer, Thuram und Embolo offenbar (noch) nicht möglich. Ohne diese Mitspieler verpufft auch das Bemühen eines Denis Zakaria und der in dieser Saison bislang so unwiderstehlich Regie führende Schweizer wird unsicher.

Zur Geschichte des Spiels gehört freilich auch der zweite Durchgang und der war besser. Begünstigt wurde das durch den Blitzstart. Die erste Situation nach dem Anstoß war die erste echte Pressing-Situation des Spiels und die wiederum führte nach wenigen Sekunden zum Führungstor. Danach war die Partie im Grunde entschieden. Paderborn fehlten weiterhin die Mittel, den Borussen ernsthaft Probleme zu bereiten und denen gab die Führung endlich die nötige Sicherheit. Jetzt behaupteten sie Bälle, spielten Pässe zum Mitspieler und inszenierten Angriffe, die nicht schon kurz hinter der Mittellinie gestoppt wurden. Das zweite Tor würde den Sack schließen, dieses Gefühl machte sich im Borussia-Park breit und wurde bestätigt: Die so späte wie richtige VAR-induzierte Entscheidung, den Griff ins Antlitz von Patrick Herrmann zu ahnden brachte dem Strafstoßschützen Lars Stindl seine zweite Torbeteiligung in einem Spiel, in dem man ihm vor der Pause noch gewünscht hatte, der Trainer möge ihn alsbald erlösen.

Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Borussia den Paderbornern in dieser zweiten Halbzeit mit der Führung im Rücken einige exzellente Kontergelegenheiten ermöglichte. Das Tempo, das die Angreifer der Ostwestfalen dabei an den Tag legten war so beeindruckend wie die Unfähigkeit, diese Möglichkeiten dann auch zu nutzen. Das Spiel hätte noch einmal eine ganz andere Wendung nehmen können. So aber steht unter dem Strich ein dann doch irgendwie verdienter Heimsieg und eine weiter sehr erfreuliche Tabellensituation. Mit einem Auftritt wie gegen Paderborn wird Borussia allerdings gegen das Windhorst-Klinsmann-Projekt in der Hauptstadt am kommenden Wochenende nichts holen können. Neue Ideen sind gefragt. Welche auch immer Marco Rose vor dem Spiel gegen Paderborn im Sinn gehabt haben mag – gut waren die nicht. Immerhin: Am Ende gewinnt Borussia 2019/20 "so ein Spiel".

Die Einschätzung der anderen SEITENWAHL-Redakteure

Thomas Häcki: Tabellenzweiter unter dem Tannenbaum ist deutlich mehr als erwartet. Aber es waren schon eine klare Steigerung nach der Pause und ein lieb gemeinter Elfer notwendg.

Mike Lukanz: Pflichtaufgaben zu lösen gehört auch zum Repertoire einer Spitzenmannschaft. Ist jetzt also wieder alles gut? Nein, aber es war auch vorher nicht alles schlecht. Solange die Konkurrenz auch ständig Punkte liegenlässt, wollen wir mal sehen, wohin die Reise geht.

Michael Heinen: Ein ganz unangenehmes Spiel hat Borussia dank einer Leistungssteigerung ab der 44. Minute verdient gewonnen. Noch wichtiger als die aktuelle Platzierung sind die Abstände auf die Konkurrenten: 4 Punkte auf Platz 3 und gar 9 Punkte auf Platz 6. Es wäre toll, wenn Borussia diesen Vorsprung übers Wochenende hinaus verteidigen könnte. Ein frohes Weihnachtsfest wird es für echte Borussen aber in jedem Fall. 

Claus-Dieter Mayer: Ein Arbeitssieg, der lange Zeit viel mehr nach Arbeit als nach Sieg aussah, aber solche Spiele musst du…äh…genau! Nach der 3-Punkteregel sind die 34 Punkte jetzt schon die beste Ausbeute in einer Hinrunde seit 1976/77!