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Als der Platzwart am Morgen das Gelände betrat, erstarrt er: „Tod und Hass dem SVD“ stand in großen Buchstaben auf dem Rasen. Der Zeitpunkt der nächtlichen Grußbotschaft ließ Rückschlüsse auf die Verursacher zu. Nur wenige Tage später sollte das Lokalderby zwischen Darmstadt 98 und den Offenbacher Kickers steigen. Ungewöhnlich aber war der Ort des nächtlichen Farbanschlags. Statt des Fußballfeldes war der Rasen des nahe gelegenen Darmstädter Hockeyclubs verunstaltet worden. Offenbar hatten sich die nächtlichen Besucher in der Adresse geirrt und auch an der Größe der Tore nichts Ungewöhnliches bemerkt. In Darmstädter Fankreisen wurde das mit Erheiterung zur Kenntnis genommen. Dies war, vor zwei Jahren, eines der kurioseren Kapitel in der großen hessischen Lokalrivalität. Deren hässlichere Fratze zeigte sich noch in diesem Frühjahr in der Liga und im Hessenpokal, als die Polizei alle Hände voll zu tun hatte, die aufgeheizten Gemüter auf den Rängen im Schach zu halten. Das Ligaspiel stand haarscharf vor dem Abbruch.

Zusammenfassend: Aus Darmstädter Sicht heißt die verbotene Stadt Offenbach.Man kann sich also ausmalen, was es für hessische Fanseelen bedeutet, dass in diesem Sommer ausgerechnet eine Offenbacher Katastrophe den Darmstädtern den Klassenerhalt bescherte. Sportlich war der SVD trotz eines deutlichen Aufwärtstrends  unter dem neuen Trainer Dirk Schuster knapp abgestiegen. Da kein Spielervertrag für die Regionalliga gültig war, hätte der Abstieg einen kompletten Neuaufbau bedeutet. Rettung kam vom grünen Tisch: Offenbach, das den Großteil der Saison mit dem verzweifelten Schmieden von Sanierungsplänen verbracht hatte, konnte den DFB auch nach wochenlangem Tauziehen nicht von seiner finanziellen Solidität überzeugen. Nutznießer des Lizenzentzugs war Darmstadt 98.

Dem Regionalligateufel also gerade noch von der Schippe gesprungen, möchten sich die Lilien derlei Nervenkitzel künftig ersparen. Deshalb entschlossen sich die Verantwortlichen dazu, die Offensive, in der letzten Saison das große Sorgenkind, rundzuerneuern. Dabei setzten sie vor allem auf Neuzugänge, die dreierlei gemeinsam haben. Erstens haben sie reichlich Erfahrung mindestens in der dritten Liga. Zweitens verlief ihre Karriere zuletzt enttäuschend. Und drittens vermuten die Darmstädter Verantwortlichen bei allen brachliegende Möglichkeiten.

Das gilt insbesondere für Marcel Heller, den ehemaligen U21-Nationalspieler, den Matthias Sammer einst zu einem der größten deutschen Nachwuchstalente kürte. Für Eintracht Frankfurt spielte der Außenbahnspieler 34-mal in der Bundesliga, darunter eine brillante Partie beim 2:1-Sieg über Bayern München vor drei Jahren, als Heller den jungen Alaba zur Verzweiflung trieb. An diese Form konnte Heller, von Verletzungen geplagt, danach aber nie wieder anknüpfen und wurde über Dresden zu Aachen in die dritte Liga durchgereicht. In Darmstadt erhofft man sich von dem pfeilschnellen Linksfuß nicht nur gefährliche Flankenläufe, sondern auch eigenen Zug zum Tor.

Auch für die rechte Außenbahn kamen, für Drittligaverhältnisse, gestandene Spieler: Sandro Sirigu, der auch Rechtsverteidiger spielen kann, war beim Aufstiegskandidaten Heidenheim in der letzten Saison allerdings kein Stammspieler. Der erst in dieser Woche verpflichtete Milan Ivana durfte mit Slavia Prag sogar schon Champions League-Luft schnuppern, erhielt im Sommer beim Drittligisten Wehen Wiesbaden aber keinen neuen Vertrag.

Unausgeschöpftes Potenzial sehen Darmstadts Manager Seeberger und Trainer Schuster schließlich beim designierten neuen Sturmduo. Dominik Stroh-Engel (von Wehen Wiesbaden) und Marco Sailer (aus Heidenheim) erzielten in der letzten Saison gemeinsam zwar nur vier Drittligatreffer, haben aber schon deutlich erfolgreichere Zeiten erlebt. Der fast zwei Meter große Stroh-Engel ist als Kopfballspezialist und Wandspieler in vorderster Front vorgesehen, während der quirlige Sailer teils um ihn herum, teils als hängende Spitze spielen soll.

Alternativen wären Dennis Schmidt, der aus Lotte kam, und der junge Julius Biada, in der letzten Saison bester Torschütze der Schalker U23. Ein offensiver Neuzugang dagegen kam den Lilien wieder abhanden, nachdem die Tinte unter seinem Vertrag bereits getrocknet war. Der Kontrakt mit dem einstigen Gladbacher Jugendspieler Jerome Assauer, letzte Saison Torschützenkönig der Regionalliga Südwest, wurde drei Tage nach der Unterzeichnung wieder gelöst. Assauer wollte aus dringenden familiären Gründen plötzlich doch in Koblenz bleiben.

Abzuwarten bleibt, inwieweit die Lilien den Verlust ihres Taktgebers im zentralen Mittelfeld kompensieren können: Danny Latza spielt inzwischen für den VfL Bochum. In Darmstadt hatte sich Latza gegen Ende der letzten Spielzeit auf der Position hinter den Spitzen immer besser zurecht gefunden. Dort ist zwar auch Elton da Costa beheimatet. Schließlich überzeugte der Brasilianer vor Jahren in dritter wie zweiter Liga unter Trainer Jos Luhukay als Spielmacher des FC Augsburg. Weder in Offenbach noch in Darmstadt konnte da Costa bislang aber an frühere Leistungen anknüpfen. Trotz deutlich verbesser Vorbereitung kam er auch in den ersten beiden Ligaspielen der neuen Saison nur zu Kurzeinsätzen.

Komplettumbau in der Offensive, Konstanz in der Defensive: Hier gab es nicht viel zu ändern, denn die Abwehrarbeit entwickelte sich unter Trainer Dirk Schuster zum Darmstädter Prunkstück. Nur noch 18 Gegentore kassierten die Lilien in der Rückrunde, zehn weniger als in der ersten Halbserie. Ein entscheidender Bauteil dabei war die Verpflichtung eines neuen Abwehrchefs: Aytac Sulu, der in der Winterpause vom österreichischen Zweitligisten Altach kam, gilt inzwischen als einer der besten Innenverteidiger der dritten Liga. In der türkischen Süper Lig konnte er sich vor zwei Jahren bei Genclerbirligi allerdings nicht durchsetzen.

Neben Sulu, der vor der Saison zum Darmstädter Kapitän befördert wurde, sind in der Abwehrkette der baumlange Gorka (innen) und Routinier Stegmayer (links) gesetzt. Noch offen ist, ob der angeschlagene Rechtsverteidiger Julian Ratei gegen Gladbach spielen kann. Fällt er aus, würde wohl Sirigu nach hinten gezogen und für ihn entweder Ivana oder Hesse den offensiven Part auf der rechten Außenbahn übernehmen. Vor der Abwehr räumen Hanno Behrens und Neuzugang Jérôme Gondorf ab. Beide sind lauf- und zweistarke Spieler, kreativer Spielaufbau ist aber ihre Sache nicht. Torhüter Jan Zimmermann ist ein zuverlässiger Rückhalt und nahm den Entzug der Kapitänsbinde zumindest öffentlich gelassen.

In den ersten zwei Spielen der neuen Saison holten die Lilien zwei Punkte gegen Aufsteiger Elversberg (0:0) und die Amateure des VfB Stuttgart (1:1). Vor allem nach dem Stuttgart-Spiel, das der Gegner zwanzig Minuten lang in Unterzahl bestreiten musste, trauerte man in Darmstadt den vergebenen Chancen nach. Deren größte vergab Stroh-Engel, als er in der 83. Minute alleine auf das gegnerische Tor zulief. Immerhin hatte Stroh-Engel zuvor nach einem Eckball Stegmayers per Kopf den Ausgleich erzielt.

Trotz des verpassten Sieges werteten die Darmstädter das zweie Saisonspiel als Schritt nach vorne, als Zeichen, dass sich die neu formierte Offensive zu finden beginnt. Das Zusammenspiel zwischen dem auffälligen Sailer und Stroh-Engel war deutlich verbessert, Sirigu zeigte auf der rechten Außenbahn eine starke Partie und bei Offensivstandards waren die Lilien immer gefährlich.

Unter dem Strich trifft die Borussia auf einen Gegner, der natürlich auf jeder Position individuell schwächer besetzt ist. Durch ihre lauf- und kampfstarke Defensivarbeit, die teils mit einiger Härte geführt wird, haben die Lilien aber sicher Möglichkeiten, um Borussia das Leben schwer zu machen. Über ihre schnellen Außenbahnspieler werden die Darmstädter den Lucky Punch suchen – oder, bei Eckbällen, über die kopfballstarken Stroh-Engel, Gorka und Sulu. Im Spielaufbau setzen die Darmstädter oft auch auf langgeschlagene hohe Bälle, die Stroh-Engel ablegen soll. Auf die Gladbacher Innenverteidiger könnte also einiges an Kopfarbeit zukommen.

Bei Borussia herrscht Rätselraten über die Startaufstellung, nicht nur weil hinter dem Einsatz des angeschlagenen ter Stegen noch ein Fragezeichen steht. Korb oder Jantschke, Daems oder Wendt – bezüglich der Außenverteidiger ließ sich Lucien Favre ebenso wenig in die Karten schauen wie mit Blick auf die Doppelsechs und die Offensive. Nur dass Mo Dahouds erster Pflichteinspieleinsatz noch auf sich warten lassen wird, ist bekannt. Gesucht werden am Böllenfalltor Spieler, die sich für das zu erwartende Geduldsspiel gegen eine massierte Defensive eignen. Das wäre ein Argument für Granit Xhaka, dessen Qualitäten in der Spielverlagerung dann schwerer wiegen sollten als gelegentliche Defensivschwächen. Es wäre auch ein Argument für einen Strafraumspezialisten wie Luuk de Jong. Allerdings ließ Favre verlauten, dass erstens Max Kruse wahrscheinlich gegen Darmstadt spielen wird und er zweitens diesen eher im Zentrum sieht. Das mindert de Jongs Aussichten auf die Startelf beträchtlich. Auf der linken Seite fällt neben Juan Arango auch Amin Younes aus. Aber vergessen wir Hrgota nicht.

 

Aufstellungen:

SV Darmstadt 98: Zimmermann – Ratei, Gorka, Sulu, Stegmayer – Behrens, Gondorf – Sirigu, Heller – Sailer, Stroh-Engel.

Borussia Mönchengladbach: ter Stegen – Korb, Stranzl, Dominguez, Daems – Nordtveit, Xhaka – Herrmann, Hrgota – Raffael, Kruse.

Schiedsrichter: Frank Willenborg.
Assistenten: Marcel Göpferich, Dennis Senning.
Vierter Offizieller: Matthias Zacher.

SEITENWAHL-Meinung:

Christoph Clausen: Gelingt ein schnelles Tor, wird’s leicht. Gelingt es nicht, wird’s schwer. So oder so reicht es am Ende aber für ein 2:0.

Michael Heinen: Eine halbe Stunde lang tut sich Borussia schwer. Dann sorgt Hrgota für die erlösende Führung. Eine Viertelstunde vor Spielende entscheidet Herrmann die Partie mit seinem Treffer zum 2:0-Endstand.

Christian Grünewald: Eigene Gesetze hin, eigene Gesetze her: In den letzten Jahren kam Borussia gut damit zurecht, in der ersten Pokalrunde mindestens gegen Drittligisten antreten zu müssen - und es spricht nicht viel dafür, dass sich daran in diesem Jahr etwas ändert - 3:0 für Borussia.