Es geht noch. Borussia kann auswärts punkten, Borussia kann unerwartet punkten. Trotzdem ändert das 2:2 in Leverkusen nichts an der unruhigen Gemengelage rund um Borussia. Irgendwo im Umfeld der Hennes-Weisweiler-Allee steht eine Gerüchteküche, aus der es zunehmend faulig müffelt. Und niemand weiß offenbar genau, wer da den Kochlöffel schwingt. Davon abgesehen wollen wir aber festhalten: Das Unentschieden in Leverkusen darf unter dem Strich durchaus als Erfolg gelten. Sah es zunächst so aus, als würde die Mannschaft ähnlich wie in der Vorwoche in Dortmund komplett unter die Räder geraten, riss sie sich diesmal zusammen und gestaltete das Spiel im weiteren Verlauf weitgehend offen. Bei den beiden Treffern stand der Gegner mit schon als wahnwitzig zu bezeichnenden Fehlern den Borussen assistierend zur Seite, aber der eine Punkt ist am Ende nicht unverdient.

Ein paar Erkenntnisse lassen sich aus der Partie in Leverkusen durchaus ziehen. Deren Wert hält sich freilich in Grenzen, weil die Erkenntnis bei nur noch einem zu absolvierenden Pflichtspiel und angesichts einer Zukunft, die auf fast allen denkbaren Ebenen im Nebel liegt, nur wenig Konsequenzen haben wird.

Erkenntnis eins: Daniel Farke hat eine variablere Herangehensweise zu Unrecht gescheut, Borussia spielte mit Dreier bzw. Fünferkette und einem Zwei-Mann-Sturm. Das hakte naturgemäß immer wieder, dass zu wenige schnelle Spieler im Kader sind, machte sich auch in Leverkusen bemerkbar. Die Spitzen Hofmann und Thuram hingen zudem lange Zeit in der Luft. Mit Zunahme der Spieldauer stellte sich aber hinten tatsächlich etwas von der Stabilität ein, die man an den vergangenen Spieltagen häufig vermisst hatte und die die Basis eines ballbesitzorientierten Fußballs sein sollte.

Erkenntnis zwei: Jan Olschowsky braucht noch Zeit, um zu einem potenziellen Erstliga-Stammtorhüter zu werden. Er schoss in den beiden Spielen, in denen er zuletzt den verletzten Jonas Omlin vertrat, keine Riesenböcke, strahlte aber auch keine Ruhe aus und das eine oder andere Tor fällt in die Kategorie „an einem guten Tag hätte er den gehabt“. Es war also rückblickend genau richtig, dass Borussia sich nach dem Abgang von Yann Sommer auf dem Transfermarkt bedient und einen annähernd gleichwertigen Ersatzmann geholt hat. Die Millionen für Omlin waren gut investiertes Geld. Was nicht heißt, dass Olschowsky in dessen Schatten nicht wachsen und ihn dereinst ohne Qualitätsverlust wird ersetzen können.

Erkenntnis drei: Was werden wir Lars Stindl vermissen! Seine Joker-Auftritte zuletzt werfen die Frage auf, warum er überhaupt immer von der Bank kommen musste und ob man vielleicht mit dem Karlsruher SC (und Tanita Stindl) in Verhandlungen über ein Leihgeschäft einsteigen sollte. Der Mannschaftskapitän hat so viel von dem, was Borussia anderswo fehlt. So einer ist kaum zu ersetzen.

Soviel zum Leverkusenspiel, jetzt zu den Dingen, die die Fans von Borussia in diesen Tagen wirklich umtreiben: Wie in Dreiteufelsnamen geht es in Mönchengladbach weiter? Im Moment geht es nur drunter und drüber. Der Verein hat ganz offensichtlich vollends die Kontrolle darüber verloren, wie er in der Öffentlichkeit dasteht. Oder aber im Verein gibt es sehr unterschiedliche Interessen, die es unmöglich machen, irgendwie dazustehen, außer chaotisch.

An dieser Stelle sollte eigentlich stehen, wer uns am meisten leid tut, in dieser merkwürdigen Gemengelage (Virkus, Farke, Pressesprecher oder aber der eine oder andere Spieler, der wirklich zumindest ansatzweise die Raute im Herzen hat), aber am Ende wissen wir bei keinem potenziell Leidtragenden, ob er nicht selbst zu denjenigen gehört, die das Chaos orchestrieren. Seit einigen Wochen schießen die Spekulationen ins Kraut. Selbst normalerweise gut informierte Medien, die nicht im Verdacht stehen, unbestätigte Gerüchte aus dem Internet ohne weitere Recherche zu verbreiten und aufzuwerten, veröffentlichen Informationen, die der Verein dann umgehend kassiert oder die von anderen Beteiligten ins Reich der Fabel verwiesen werden. Zuletzt kamen die Gerüchte jeweils an den Spieltagen auf, auch für ordentlich vernetzte Beobachter, zu denen wir SEITENWAHL bei aller Bescheidenheit zählen, können sie nicht zu ihren Ursprüngen zurückverfolgen. Tatsache ist, dass sie dann von Quellen weiterverbreitet werden, denen man zu trauen geneigt ist. Wir können nur annehmen, dass am Ursprung der Gerüchte um eine schon beschlossene Ablösung von Daniel Farke, die bereits gefundene Nachfolgelösung oder gar einen Rücktritt des Trainers Quellen stehen, die von den Erstempfängern als seriöser gewertet werden, als irgendein halbgarer Stratege aus dem Transfermarkt-Forum oder ein meinungsfreudiger Twitch-Account.

Ohne jetzt alle denkbaren Varianten durchzudeklinieren: Die unwahrscheinlichste ist, dass Daniel Farke oder sein Umfeld die Medien oder Multiplikatoren mit Interna oder Trainerlatein füttern. Von daher geht der Trainer fast schon bewundernswert professionell damit um. „Was mich ein bisschen nervt, ist, dass jetzt zwei Spiele in Folge so eine Spekulation zwei Stunden vor Spielbeginn aufkommt“, sagte Farke nach dem Leverkusen-Spiel. Mehr öffentliches Wehklagen wäre verständlich aber unprofessionell. Es ist angenehm, dass Farke seine Neigung zur Logorrhoe in dieser für ihn nicht einfachen Zeit im Griff zu haben scheint. Denn er sollte aus seinem ersten und möglicherweise einzigen Jahr in der Bundesliga gelernt haben, dass man der Worte auch zu viele machen kann. Je mehr man redet, desto schwieriger ist es, die Regel „Walk it like you talk it“ einzuhalten, zumal wenn sich die Konsistenz des Gesagten im Laufe einer Saison zunehmend auflöst. Durch seine wortreiche Präsentation beim Amtsantritt und seine Selbstdarstellung als Konzepttrainer hat Farke seinerzeit große Hoffnungen geweckt, auch eine positive Stimmung ausgelöst. Gleichzeitig hat er aber die Latte für sich selbst und die Mannschaft in einer Höhe aufgelegt, die zu überwinden selbst in einer besseren Saison schwierig geworden wäre. Über die Wirkung seiner zahlreichen späteren Worte ist viel gesagt. Der „Wissense“-Monolog aus der Hinrunde war für die einen noch Zeichen intellektueller Tiefe, für weitere zumindest „kultig“ im Sinne der Trapattoni-Schule der skurrilen Pressekonferenzen, für andere aber schon schlicht unerträgliches Geschwätz. Spätere Einlassungen Farkes ließen zunehmend den Eindruck entstehen, dass da jemand mit vielen Worten zu verschleiern versucht, dass er den Laden einfach nicht im Griff hat. Unter dem Strich hätte es womöglich bei ähnlichem Saisonverlauf deutlich weniger Kritik am Trainer und erst recht kein Pfeifkonzert bei der Mannschaftsvorstellung gegeben, wenn Farke schlicht weniger geredet hätte. Farke hat uns zu Beginn etwas verkauft, das er gar nicht im Angebot hatte. Später war er dann nicht mehr in der Lage, das was er stattdessen hatte, vernünftig zu verkaufen.

Ansonsten wissen wir nicht, wer bei Borussia welches Spiel spielt. Und je nachdem, wo man hinhört, bekommt man unterschiedliche Theorien, Schuldzuweisungen oder Dementis präsentiert. Ob Maulwurf in der Mannschaft, intrigante Berater oder irrlichternde Mitglieder des Funktionsteams. Ob aus Naivität, Boshaftigkeit oder Karrieregeilheit. Alles scheint möglich, nichts ist gesichert. Im Moment glauben wir niemandem mehr und schauen erschrocken, erstaunt, ratlos, wie sich der Verein selbst zu zerlegen scheint oder aber von außen zerlegt wird. Merkwürdig finden wir, dass offenbar niemand bei Borussia in der Lage zu sein scheint, die Sache vom Kopf auf die Füße zu stellen und ein halbwegs plausibles Narrativ zu streuen, das das Umfeld ein bisschen befriedet. Liegt es daran, dass die Interessen intern zu stark differieren? Oder ist auch das schlicht ein Mangel an Professionalität?

Wie es nun nach dem Augsburg-Spiel weitergeht, wir wissen es nicht. Wir hoffen nur, dass die Mannschaft bis dahin in Ruhe ihre letzten Trainingstage in dieser Zusammenstellung absolvieren kann, um uns am Samstag zumindest ein My eines erfreulichen Saisonabschlusses präsentieren zu können und dass sie damit das letzte verbliebene Saisonziel erreicht: Vor Köln.