union berlin neu

Nein, es war wahrlich keine Überraschung, was da am Samstagnachmittag in Berlin passierte. Im Gegenteil, es war so erwartbar wie die Reaktionen auf Streiks bei der GdL. Die Borussia, unter der Woche noch 120 Minuten im Pokal gefordert, traf auf eine ausgeruhte Berliner Mannschaft, die nach einem witterungsbedingten Ausfall des Spiels gegen München zwei volle Trainingswochen unter ihrem neuen Coach Bjelica gehabt hatte. Zwei Hoffnungen konnte man haben: Dass Bjelica der Mannschaft – wie vielfach kolportiert - einen Ballbesitzfußball beizubringen versuchen würde; ein Unterfangen, bei dem man einen der beiden Plätze, die in der kommenden Saison eine Spielberechtigung in der zweiten Liga nach sich ziehen, schon verfrüht als vergeben hätte ansehen können. Die andere, dass die Mannschaft dadurch, dass plötzlich eine ungeplante Spielpause eingelegt wurde, vollends aus dem Tritt gekommen sein könnte. So etwas soll schon mal vorgekommen sein. Beide Hoffnungen hatten sich indes nach nicht einmal 10 Minuten erledigt.  

Union machte das, was man erwarten musste, und sie machten das gut, und Borussia reagierte darauf, wie man es befürchten musste, nämlich schlecht. Die Berliner gingen früh drauf, sie gingen überhaupt engagiert zu Werke. Und Mannschaft, Bank und Stadion bearbeiteten Schiedsrichter Petersen ab der ersten Minute. Wirklich jede Entscheidung zu Ungunsten Unions wurde lautstark angezweifelt, besonders hervor taten sich (mal wieder) Khedira und allen voran aber Juranovic, der – bereits gelbbelastet - beispielsweise bei einer vollkommen unstrittigen Eckballentscheidung zu seinen Lasten einen eitel Veitztanz aufführte und hernach energisch abwinkte. Jetzt sollen Spieler für Abwinken schon einmal “völlig zurecht” mit der roten Karte bedacht worden sein, Juranovic blieb das natürlich erspart. Schiedsrichter Petersen begegnete diesem Gebahren damit, dass er sich bei der Zweikampfbewertung fast gänzlich raushielt. Das war schlecht für Borussia, da nur eine Mannschaft richtig zur Sache ging, und das waren die in den roten Trikots. Als aber Weigl für ein deftiges und taktisches Foul die völlig nachvollziehbare gelbe Karte sah, war sich die ganze Försterei einig, dass es nun Zeit für eine standrechtliche Erschießung sei. Tja, es geht halt kultig zu bei dem grundsympathischen Club im Osten Berlins.  

Trotzdem kann das alles nicht als Entschuldigung herhalten. Union hatte Chancen, aber machte zunächst nahtlos da weiter, wo sie zuletzt aufgehört hatten, nämlich mit dem kläglichen Vergeben größter Gelegenheiten. Es brauchte einen Elfmeter, und den gab es in Gestalt eines Geschenks von dem an diesem Tag völlig indisponierten Luca Netz. Ein Bewegungsablauf, der einem König Rollo im Kindertanztheater Duisburg glich, führte dazu, dass Volland ihm den Ball an den hoch erhobenen Arm köpfte. Der Geköpft habende selbst verwandelte sicher zum 1:0.  

Erst danach nahm Borussia überhaupt in Ansätzen am Spiel teil, aber es blieb zu oft bei Stückwerk und vor allem fand man fast nie zu einer sicheren Ballzirkulation. Stattdessen entschied Union das Spiel mehr oder weniger schon kurz nach der Halbzeit durch einen Fernschuss von Hollerbach nach einer Ecke, als der Ball gefühlt eine Ewigkeit unterwegs war und trotzdem niemand da war, um den Schluss zu blocken. Das war zugleich die einzige Aktion, bei der Nicolas nicht wirklich gut aussah, ansonsten verhinderte er mehrfach eine höhere Niederlage.  

Neben ihm und Weigl stemmten sich noch Honorat und Plea gegen Borussias Standardergebnis bei Berlins 1. Mannschaft, letztere zeichneten auch für den einzigen Torerfolg verantwortlich. Vielleicht hätte dieses Tor noch einmal etwas bewirken können, wenn nicht zuvor Elvedi durch ein zu kurz geratenes weil unkonzentriertes Rückspiel Union auch den dritten Treffer geschenkt hätte.  

Nun sind, da wiederholen wir uns an dieser Stelle, derartige Spielverläufe in den letzten Jahren schon fast zur ungeliebten Gewohnheit geworden. Man ahnte es, als nach einer Minute der Ball im Tor lag, auch wenn es abseits war, und es wurde nach zehn Minuten Gewissheit, dass wie in Spielen in Köln, in Darmstadt oder gegen welche Schlusslichter man noch antrat, die Mannschaft einmal mehr keine Mittel gegen das erwartbar aggressive Spiel des Gegners fand. Und diese Häufung macht einen doch immer wieder ratlos. Ja, man traf zum Ende einer englischen Woche auf einen ausgeruhten Gegner. Ja, der hatte einen neuen Trainer, und das hat nun oft genug einen gewissen Effekt, zumindest kurzfristig. Ja, die Schwankungen der jungen Spieler muss man einpreisen. Der zuletzt zurecht gelobte Netz zeigte sein Köln-Gesicht, und wir verweisen an der Stelle auf den Spielbericht dort, wie das einzuordnen ist. Und auch sollte man sich hüten, die Gesamtsituation unter dem Eindruck eines, ehrlicherweise trotz der Ergebnisse eigentlich ja drei schwachen Spielen in Serie schon wieder völlig neu zu bewerten. Dass es zu Schwankungen und solchen Rückschlägen wie in der Försterei kommen würde, war immer klar, wurde von allen (!) Beteiligten mantramäßig betont und daher sollte man auch nicht zu schwarz sehen, wenn sie dann tatsächlich kommen, gerade im Angesicht der angespannten Personallage. Und immerhin ließ man sich nicht abschießen und demütigen, wie auch schon in derlei Spielen geschehen, sondern spielte es zumindest seriös und halbwegs engagiert zu Ende.  

Und trotzdem: es bleibt die Enttäuschung, dass die Mannschaft sichtbar immer noch am Anfang einer Entwicklung steht, und in dieser Saison die Vermeidung von Abstiegssorgen vermutlich als größtmöglicher Erfolg verbucht werden muss, und dieser noch längst nicht erreicht ist. Denn das wurde einem am Samstag eben auch deutlich vor Augen geführt. Und es ist einfach schwer zu ertragen, dass man sich äußerst limitierten Mannschaften wie Union, die lediglich die grundlegendsten Tugenden der Fußballkunst wie Kampf, Laufbereitschaft und Leidenschaft auf den Platz bringen, immer wieder beugen muss, weil es der Mannschaft an Mitteln mangelt, diesen Gegner den Schneid abzukaufen: Die eigene spielerische Qualität reicht nicht aus, solche Mannschaften fußballerisch auseinanderzunehmen, und über die körperliche Robustheit, dagegenzuhalten, verfügt man eben auch nicht. Dazu gesellen sich immer wieder Blackouts und Unkonzentriertheiten, die man einer jungen Mannschaft natürlich verzeihen muss. Dass sich aber gestandene Profis wie Elvedi heute da immer wieder einreihen, ist einfach nicht nachzuvollziehen.  

Im kommenden Heimspiel steht Borussia nun wieder unter Druck, will man die Abstiegsränge bis zur und in der Winterpause wirklich in gesicherter Ferne wähnen. Und mehr ist zur Zeit auch einfach nicht drin. Aber hoffentlich ist zumindest das drin.