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Wir befinden uns im Jahre 2012 nach Christus. Ganz Fußball-Deutschland ist vom Glauben an die Wohltaten der Kontinuität zersetzt… Ganz Fußball-Deutschland? Nein! Ein von unzähligen VW-Millionen zehrender Trainer hört nicht auf, diesem Modetrend Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die ausländischen  Legionäre, die als seine Besetzung in den befestigten Lagern von Wolfsburg kicken…


Willkommen in der Welt von Wolfgang Felix Magath, in der eingespielte Mannschaften voller langjähriger Stammspieler, die ihre Laufwege auswendig kennen und einen unbeugsamen Teamgeist entwickeln, keinen Platz finden. Extrinsische Motivation erzeugt sich am besten durch Angst und Repressionen. Konnte man vor einigen Jahren noch glauben, das stereotype Gerede vom harten „Quälix“ entspränge den üblichen Übertreibungen des Boulevards, so wurde man mittlerweile durch zahlreiche übereinstimmende Interview-Aussagen diverser Ex-Spieler überzeugt, dass ein Fußballerleben unter diesem Coach tatsächlich auf genau diese Weise funktioniert.

 

Doch bei aller berechtigten Kritik an Magath und seinem arg fragwürdigen System. Niemand kann bestreiten, dass er auf eine höchst erfolgreiche Trainerlaufbahn zurückblicken kann, in der er auf seinen letzten fünf Stationen stets gute Ergebnisse erzielt hat. In Gelsenkirchen aber war man zuletzt z. B. nicht mehr bereit, trotz Vizemeisterschaft, Pokalsieg und Champions-League-Halbfinale den dafür aufzubringenden Preis zu bezahlen. Im Try & Error-Verfahren wurden in jeder Transferperiode 8-10 Neuzugänge verpflichtet, in der Hoffnung, dass sich am Ende mindestens 1-2 Volltreffer darunter befinden. Die Schalker kamen so z. B. in den Besitz ihres Traumsturms Raul und Huntelaar, während eine Vielzahl der damaligen Transfers bereits heute in völlige Vergessenheit geraten ist. Finanzieren lässt sich so etwas nur dann, wenn der Verein regelmäßig die Champions League erreicht, oder aber wenn man einen Sponsor hinter sich weiß, der jegliche Transfersummen auszulegen bereit ist.

 

Der deutschen Wirtschaft muss es selbst in Zeiten weltweiter Finanzkrisen enorm gut gehen, wenn es sich ein Vorzeige-Konzern wie die Volkswagen AG leisten kann, ein derart teures Spielzeug zu unterhalten. Über 27 Millionen Euro durfte der VfL allein in diesem Winter für 8 neue Spieler ausgeben. Von Financial Fairplay und gesundem Wettbewerb kann da schon lange keine Rede mehr sein. In den vergangenen Jahren hat sich diese Ungerechtigkeit glücklicherweise alles andere als ausgezahlt. Mit dem zweitteuersten Kader war Wolfsburg in die vorherige Spielzeit gestartet, in der am Ende nur hauchdünn dem Abstieg entronnen werden konnte.

 

Dass man in dieser Saison aktuell immerhin auf Platz 9 liegt, ist eher glücklich zu nennen, denn das allgemeine Auftreten der Mannschaft lässt nur eine sehr geringfügige Steigerung gegenüber dem Vorjahr erkennen. Insbesondere auf fremden Plätzen ist die Elf regelmäßig chancenlos und generierte aus den letzten 9 Auswärtspartien einen einzigen Punkt. Anders sieht es hingegen in der heimischen Volkswagen-Arena aus, wo 19 von 27 möglichen Punkten erzielt und u. a. Schalke 04 und Hannover 96 besiegt wurden.

 

Wie so oft in letzter Zeit wird in den Medien zudem die mittlerweile kaum noch ernstzunehmende Panikmache vor einem vermeintlichen Angstgegner der Borussia geschürt. Betrachtet man die Auswärtsleistungen, die Gladbach im vergangenen Jahrzehnt abgeliefert hat, kann es niemanden überraschen, dass man mittlerweile in fast jedem Stadion des Landes eine beängstigende Negativserie vorzuweisen hat. In Wolfsburg gingen also die letzten 6 Spiele verloren. Der letzte Erfolg bei den Niedersachsen resultiert aus dem Jahr 2003, als Joris van Hout, Arie van Lent und Joonas Kolkka zum 3:1-Erfolg trafen.

 

Zur Erinnerung: Der Sieg in Stuttgart war der erste seit 1994, jener in München der erste seit 1995. Und auch das 4:1 aus der Hinrunde wurde damals als Ende einer Serie deklariert, nämlich dem ersten Sieg über die Wölfe seit 2006. Wenn Borussia in den letzten Jahren eins perfektioniert hat, dann ist es die Beendigung unliebsamer Negativserien.

 

Dennoch ist Lucien Favre beizupflichten, dass ein weiterer Sieg am Samstag trotz der beiden letzten Erfolgserlebnisse alles andere als ein Selbstläufer werden wird. Trotz allem verfügen die Wolfsburger immer noch über eine Vielzahl hochbezahlter Spieler, die sich ihren Marktwert irgendwann einmal durch entsprechende Topleistungen verdient haben. Es ist aber sicherlich kein Nachteil für Borussia, dass die Mannschaft von Felix Magath durch die neuerlichen Wintertransfers noch lange nicht eingespielt sein kann. Mit Felipe, Rodriguez, Jiracek und Sio wurden vier Kernpositionen neu besetzt, was in den ersten beiden Partien der Rückrunde noch zu keiner wesentlichen Leistungssteigerung führte.

 

Von den Spielern, die vor weniger als einem Jahr, am 25.2.2011, beim 2:1-Sieg über Borussia in der Startelf standen, wird am kommenden Samstag voraussichtlich nur noch Marcel Schäfer übrig geblieben sein. 7 der 11 haben den Verein inzwischen verlassen, darunter mit Diego der zweifache Torschütze. Die Partie war im Übrigen die erste der beiden, in denen Lucien Favre mehr als ein Gegentor miterleben musste.

 

Wolfsburgs Stärke liegt besonders auf den Flügeln, was wiederum der Taktik von Favre entgegenkommen sollte. Zwar ist gerade die linke Seite mit Rodriguez und Schäfer enorm gefährlich, doch Borussia versteht sich wie kaum eine andere Mannschaft darauf, Flanken von den Außenbahnen durch die kopfballstarken Innenverteidiger und den souveränen Keeper zu neutralisieren.

 

Beruhigt sein wird der eine oder andere Borussen-Fan, dass mit Alexander Madlung ein torgefährlicher Abwehrspieler verletzt ausfallen wird. 5 Tore gelangen dem Hünen in seinen bislang 15 Auftritten gegen Mönchengladbach – eine Quote, die er kommenden Samstag zum Glück nicht wird erhöhen können. Neben ihm muss Magath zudem auf Vierinha, Polak und Hitzlsperger verzichten.

 

An Spielern wird es Magath aber dennoch nicht mangeln. 35 hat er bislang in dieser Saison eingesetzt und damit den Bundesliga-Rekord eingestellt. Es gleicht einem Lotteriespiel, die exakte Aufstellung der Gastgeber zu erahnen. Vieles deutet darauf hin, dass zumindest in der Defensive gegenüber dem Auswärtsauftritt in München nicht viel passiert. Mit seiner Verteidigung zeigte sich Magath trotz der zwei Gegentore zufrieden. Marco Russ wird sogar spielen dürfen, obwohl er in München seine 5. Gelbe Karte für Wolfsburg in dieser Saison gesehen hat. Da er aber vorher bereits am 1. Spieltag der Zweitliga-Saison im Dress von Eintracht Frankfurt eine Verwarnung kassiert hatte, musste er seine Sperre bereits am 9. Spieltag gegen den 1.FC Nürnberg absitzen. Im defensiven Mittelfeld bieten sich aber neben dem vorläufig wahrscheinlich gesetzten Tschechen Jiracek einige Spieler an. Nachdem sich in den letzten Spielen Chris und Hasebe mehr schlecht als recht versuchen durften, könnte Ex-Kapitän Josue eine neuerliche Chance erhalten, obwohl er in der Vorrunde meist keine gute Figur abgab.

 

Völlig offen erscheint die Besetzung des Sturms, wo mit dem Startelfdebüt des Franzosen Giovanni Sio zu rechnen ist. Beim FC Sion überzeugte er zuletzt meist als hängende Spitze, der z. B. dem besten Wolfsburger Torschützen Mario Mandzukic zuarbeiten könnte. Dies gilt selbstredend nur dann, wenn der Kroate von seinem Trainer berücksichtigt wird. In der vergangenen Woche äußerte er allzu laut Wechselabsichten. Auch wenn Magath beschwichtigte, dies sei sein gutes Recht, so ist der Coach bekannt dafür, solche Aktionen gerne direkt und hart zu sanktionieren. Es wäre ein Treppenwitz, wenn an Stelle des 8fachen Torschützen ausgerechnet Patrick Helmes in die Startelf rücken würde, der noch vor wenigen Tagen als ausgemustert galt und sogar bereit schien, in die 2. Liga zu wechseln. Mit Ablauf der Transferfrist steht jetzt aber fest, dass es der Ex-Kölner noch mindestens bis zum Saisonende in Wolfsburg aushalten muss und nach angeblich guten Trainingsleistungen soll er jetzt sogar schon wieder ein Thema für die Startelf am kommenden Samstag sein.

 

Kein Thema war Helmes hingegen zuletzt bei den Verantwortlichen von Borussia, auch wenn dies von einigen Möchtegern-Insidern in den letzten Monaten immer wieder kolportiert worden ist. Max Eberl blieb tatsächlich seiner Linie treu und verzichtete in diesem Winter auf den Transfer eines neuen Stürmers, obwohl mit King, Bobadilla, Kachunga und Rupp gleich vier Offensivkräfte den Verein verlassen haben. Ein auf den ersten Blick sehr gewagtes Spiel, denn Igor de Camargo ist für seine Verletzungsanfälligkeit ebenso berüchtigt wie sich Leckie, Otsu und Younes bislang noch nicht ernsthaft in Liga 1 bewähren konnten. Doch von der anderen Seite aus betrachtet, hätte auch der Transfer eines „Starstürmers“ durchaus Risiken in sich geborgen, wenn durch ihn die aktuell extrem gut funktionierende Hierarchie in der Offensive durcheinandergewirbelt worden wäre.

 

Für das Spiel in Wolfsburg ist personell mit keinen Überraschungen zu rechnen. Lediglich Daems – mit 2 Treffern übrigens einer von Borussias Rekordtorschützen in Spielen gegen Wolfsburg – wird auf seine linke Außenbahn zurückkehren. Der Verlauf des Spiels dürfte zumindest zu Beginn sehr stark jenem aus der Vorwoche in Stuttgart ähneln. Beide Mannschaften wollen versuchen, aus einer gesicherten Abwehr mit viel Geduld zu agieren und sich Chancen nur herauszuarbeiten, wenn dies keine allzu große Gefahr für gegnerische Konter hervorruft. Viel wird dann wieder einmal davon abhängen, wer das erste Tor erzielt. Gelingt dies Borussia, so spricht einiges dafür, dass in Wolfsburg die nächste der immer seltener werdenden Negativserien gekillt wird.

 

Wolfsburg: Benaglio – Träsch, Russ, Felipe, Rodriguez – Dejagah, Hasebe, Jiracek, Schäfer – Helmes, Sio

 

Borussia: ter Stegen – Jantschke, Stranzl, Dante, Daems – Herrmann, Nordtveit, Neustädter, Arango – Reus, Hanke

 

 

Michael Heinen: „Im Grunde spricht vieles für den nächsten Auswärtssieg. Da es aber zuletzt so gut funktioniert hat, bleibe ich meiner Linie treu und tippe auf eine 1:0-Niederlage der Borussia.“

 

Christoph Clausen: „Aktuell müssen Borussen nicht mehr zwischen Optimismus und Realismus wählen. Beides ist deckungsgleich. Daraus folgt ein 2:0-Erfolg bei dem seltsamen Verein, der mehr Spieler im Kader hat als Fans auf den Rängen.“

 

Christian Heimanns: „Nach Lage der Dinge hat Borussia das Spiel in Wolfsburg 1:0 gewonnen, bevor die Spieler des Gastgebers sich auf eine gemeinsame Amtssprache geeinigt und multilaterale Verträge zur Zusammenarbeit gegengezeichnet haben. Seltsam und ungewohnt, so ein Tipp als Auswärtsfavorit. Aber ich könnte mich dran gewöhnen.“

 

Christian Spoo: In 41 Lebensjahren habe ich gelernt: das Böse siegt am Ende immer. In Hoffenheim haben wir schon verloren, Leverkusen hat spät ausgeglichen, jetzt wird sich Magaths komische Truppe für die Hinspielniederlage revanchieren (ist von den Spielern aus dem Hinspiel eigentlich noch jemand in Wolfsburg?). Borussia unterliegt mit 1:2.“