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Am Ende waren selbst die Temperaturen so tief gefallen wie die Stimmung und eisige Windstöße trieben Papierreste durch den leeren Borussiapark, wie um die ganze Tristesse deutlich zu machen. Borussia Mönchengladbach führt sein ambitioniertes Projekt "Klassenerhalt nur durch Auswärtssiege" konsequent fort und holte sich im elften Sieglosen Heimspiel der Saison die achte Heimniederlage ab. So unfassbar wie diese Zahlen war auch das Zustandekommen der Pleite.

Denn dieses Mal war es kein Heimspiel gegen einen übermächtigen Gegner, oder auch nur eines, bei dem ein Punktverlust ärgerlich aber verschmerzbar gewesen wäre. Das war der Tabellenvorletzte, bis Samstag punktgleich, die schwächste Auswärtsmannschaft, mit dem vielleicht unsichersten Torwart. Gegen wen, wenn nicht gegen den VfB Stuttgart hätte Borussia Mönchengladbach einen Heimsieg erringen wollen, ein Alles oder Nichts Spiel. Das Ergebnis: Nichts. Die Folge: Nächstes Jahr betreffen die SEITENWAHL-Berichte Paderborn und Greuter Fürth, und Borussia wird sich darum bemühen, dorthin zu gelangen, wo Luhukay, Ndjeng, Nando Rafael und Callsen-Bracker vielleicht sind - zurück in die erste Bundesliga.


Und es war nicht nur schmerzhaft, den Stuttgartern die drei Punkte überlassen zu müssen; auch der wechselvolle Weg in die Niederlage tat regelrecht weh. Die erste Halbzeit war, für derzeitige Mönchengladbacher Verhältnisse, fast perfekt: Das Spiel wurde sofort angenommen, der nervöse Beginn überwunden, gegnerische Chancen kaum zugelassen. Dann, aus stabilem Spiel heraus, erhöhte die Mannschaft den Druck, kam folgerichtig zu Chancen, nutzte die schwäbische Orientierungslosigkeit beim ersten Tor und legte sofort nach. Selbst de Camargo hatte nicht nur das Tor zum 2:0 sondern auffällige, gute Szenen. Eine erste Halbzeit wie gemalt.


Was danach kam, ist so schwer zu beschreiben, dass an dieser Stelle ein Videolink zur Spielaufzeichnung führen müsste, exakt zur 46. - 55. Minute. Es ist schwer vorstellbar, dass Frontzeck seinen Leuten gesagt hat, sie sollten nicht nach vorne spielen, hinten aber auch nicht angreifen, und beim rennen drauf achten, Ball und Gegner nicht zu berühren. Falls doch, hätten sie die Anweisung unnachahmlich umgesetzt. Natürlich hatten die Stuttgarter mit der Hereinnahme von Hajnal für Molinaro eine recht ordentliche Offensive auf dem Platz, aber das haben sie ja schon ziemlich ergebnislos die ganze Saison und Berufsfußballern nebst Trainern ist doch auch zuzumuten, auf Wechsel in der Aufstellung des Gegners zu reagieren. So aber hatten die Stuttgarter 10 Minuten lang das totale Kommando auf dem Platz, ließen die Borussen bis zum ersten Treffer kaum aus der eigenen Hälfte und wieder einmal war es einfach nur eine Frage der Zeit, wann der Anschlusstreffer fallen würde. Und regelrecht schockierend war es dieses Mal, wie die Borussia sich auch nach dem 2:1, bei eigener Führung, weiter dem Gegner so ergab, bis er endlich ausgeglichen hatte.


An diesem Punkt versagt die Analyse eines aussenstehenden Betrachters. Da könnte man den Trainer als Schuldigen hernehmen, die Qualität einzelner Spieler, das Fehlen von "Führungsspielern" auf dem Platz, den mentalen Eindruck der langen sieglosen Serie, was auch immer. Die reine Zustandsbeschreibung muss aber noch einen weiteren Punkt umfassen, nämlich die Tatsache, dass die Mannschaft von Borussia Mönchengladbach in der unseligen Saison 2010/2011 in der Lage ist, oft gut zu beginnen und eine Führung zu erzielen, um dann gnadenlos und regelmäßig unterzugehen. Das kommt zu häufig vor, um mit Zufall erklärt zu werden, aber wo liegen die Gründe? In manchen Spielen konnte man schon auf den Gedanken kommen, mangelnde Kondition sei verantwortlich, aber das kann doch kaum bei einem Spiel zutreffen, in dem man direkt nach der Pause zwei Treffer kassiert, um dann wieder ins Spiel zu kommen. Die Nervosität eines Tabellenletzten bei eigener Führung? Das mag eine Rolle spielen, aber so gar nicht in die Zweikämpfe zu kommen kann doch nicht nur Nervosität sein. Das Fehlen eines oder mehrerer Spieler mit entsprechendem strategischen Blick, die sich auf neue Gegebenheiten einstellen können? Wer weiss.


Mit dem Ausgleich war der Kelch an diesem Tag noch lange nicht an der Neige angelangt. Stattdessen gab es wieder einmal Grund, sich ausgiebig über den Schiedsrichter zu beschweren, dieses Mal Thorsten Kinhöfer. Denn das Tor, dass Idrissou am bei hohen Bällen überforderten Ulreich vorbei erzielte, dürfte regulär gewesen sein und hätte das 3:2 bedeutet. Dass der Ball Dante von unten gegen den Oberarm springt, kann in dieser Situation nicht als Handspiel gewertet werden; selbst diese Auslegung ist so unklar, dass manche Quellen von einem vermeintlichen Foul Dantes sprechen, wofür es nun gar keine Anzeichen gibt. Aber welche Vorhaltungen will man Kinhöfer machen, wenn kurz darauf Levels den Ball so unmotiviert quer spielt, dass Dantes Grätsche in einem Foul endet samt Elfmeter und gelb-roter Karte? Und bei dem kollektiven Blackout mit den zwei Gegentoren hatte der Schiedsrichter auch keinen Einfluss. Damit wird einem als Anhänger sogar die Chance genommen, sich über eine klare Fehlentscheidung des Schiedsrichters aufzuregen, weil die eigenen Unzulänglichkeiten einfach entscheidend waren für die Niederlage. Und wenn wir nicht einmal das mehr dürfen, wird der Frust richtig groß.


So groß, dass Fassungslosigkeit und Verzweiflung beim Borussenanhang am Ende Tränen und handfeste Streitigkeiten untereinander zur Folge hatten. Regelrechte Endzeitstimmung machte sich im eisigen Wind breit. Aber selbst in dieser Lage gab es am Ende des Spiels noch eine Mischung aus Buh-Rufen und Applaus für die Spieler; irgendwie muss Borussias Fans das Gefühl treiben, dass bei Protest und Auseinanderfallen gar nichts mehr bleibt. Vielleicht ist es eine Frage der Zeit, bis sich das ändert und der Anhang seinen Ärger deutlich äussert. Dann werden Initiative und Offensive noch mehr neben dem Platz stattfinden als darauf.