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„Europa-Pokal“ hallt es laut durch die Berliner S-Bahn. Unmöglich, dies zu ignorieren. Rot, schwarz und weiß dominieren den Ort und wo man hinhört, liegt ein fränkischer Dialekt in der Luft. Menschen, die offensichtlich eher auf dem Weg in die Oper sind, starren teils fasziniert, teils amüsiert auf eine begeisterte Menschenmasse, die grade singend die S-Bahn geentert hat. Nach 35 Jahren war endlich wieder die Chance auf einen Titel da und der Wille, sie zu nutzen, war förmlich greifbar. Schwaben durften in diesem Szenario allenfalls Statisten sein. Und spielten es schließlich auch. In einem der besten Pokalendspiele der letzten 25 Jahre sicherte sich der 1. FC Nürnberg 2007 den DFB-Pokal. An diesem Abend schien den Franken die Zukunft offen zu stehen. Kaum einer, der diese begeisterte Atmosphäre miterlebt hatte, hätte sich den jähen Absturz vorstellen können, der für die Franken zwölf Monate später mit dem Abstieg endete.



Seit dieser Sommernacht ist vieles anders beim Club. Irgendwie ist aber auch alles wie bisher. Als die Nürnberger das Kunststück fertig brachten, 1968 Deutscher Meister zu werden und danach direkt abzusteigen, begann für sie eine stetige Reise zwischen Himmel und Hölle. Der undankbare Ehrentitel „Fahrstuhlmannschaft“ trifft auf den fränkischen Verein wie auf keinen zweiten zu. Dass man das Auf und Ab auch noch steigern kann, bewiesen die Lebkuchen-Städter dann in den letzten beiden Spielzeiten. Als ob man sich nicht entscheiden könnte, zu welcher Liga man sich zugehörig fühlt, ging der Club zweimal hintereinander den Weg über die Relegation. Um beides mal erfolgreich zu sein. Ein drittes Mal möchte man aber nun das Glück nicht herausfordern. Dazu kehrte man den Kader aus und trennte sich von einer Vielzahl von Spielern, denen man nicht mehr zutraut, hilfreich sein zu können. Leider verließen den Club aber auch einige Leistungsträger, die lediglich ausgeliehen waren. Und so steht man nun vor dem Dilemma, sich zwar von Altlasten getrennt zu haben, dies aber ohne die Erlöse, die für einen Neuaufbau wichtig wären. Lediglich der Verkauf von Dennis Diekmeier spülte eine ansehnliche Summe in die Clubkassen. Und so steht man wieder mal vor einem Neubeginn.
  

Das Team aus Nürnberg 

Ein Team, welches sich so wie der Club neu gestaltet, ist zu Saisonbeginn immer eine Wundertüte. Die Testspiele liefen eher durchwachsen. Für eine Mannschaft, welche sich neu finden muss, ist so was nicht ungewöhnlich. Die Frage wird sein, ob man sich am ersten Spieltag genug gefunden hat, um die Borussia vor Probleme zu stellen. Die Aufgabe im DfB-Pokal löste man schon mal problemlos. Doch ist Mönchengladbach eben auch nicht Eintracht Trier. 

Im Tor steht der vielleicht wichtigste Rückhalt der fränkischen Defensive, dessen Einsatz aber wegen einer Innenbanddehnung noch fraglich ist. Raphael Schäfer war in der letzten Saison ein Garant für den Nürnberger Klassenerhalt. An einem guten Tag ist er schlichtweg Weltklasse, ansonsten zumindest sehr souverän. Vor Schäfer (oder alternativ Ersatzkeeper Stephan) präsentiert sich eine solide, aber überwindbare Viererkette. Auf den Außenpositionen verteidigt links mit Pinola jemand, der schon so etwas wie ein Nürnberger Urgestein ist. Pinola hat alle Höhen und Tiefen des Clubs miterlebt und ist aus der Mannschaft derzeit kaum wegzudenken. Auf der rechten Seite hat sich in der letzten Saison Juri Judt festgespielt, ein waschechter Franke, der fußballerisch seine Region noch nie verlassen hat. 

In der Innenverteidigung spielt neben Kapitän Andreas Wolf mit Per Nilsson der prominenteste Neuzugang des Clubs. Der Schwede war zuletzt in Hoffenheim nur noch Ersatz. und möchte in Nürnberg beweisen, dass er in der Bundesliga durchaus erste Wahl sein kann.  Vor der Abwehr agiert der Club mit einer Doppel-Sechs. Ilkay Gündogan war die Entdeckung der letzten Saison und ist bereits jetzt so etwas wie ein Hoffnungsträger, den der FCN sogar für 5 Millionen Euro nicht an die TSG Hoffenheim abzugeben bereit war. Ihm zur Seite steht mit dem Timmy Simons ein sehr erfahrener Spieler. Mit der Referenz von über siebzig Länderspieleinsätzen wurde der Belgier im Sommer von PSV Eindhoven ablösefrei verpflichtet.
 In der Offensive sind hingegen mehrere Varianten möglich. Nürnberg kann sowohl mit zwei Stürmern, als auch mit einem Stoßstürmer und drei eher offensiv ausgerichteten Mittelfeldakteuren antreten. Star der Offensive ist dabei Albert Bunjaku. Der Schweizer WM-Teilnehmer konnte mit zwölf Toren maßgeblich am Nürnberger Klassenerhalt mitwirken. Im zur Seite dürfte das wieder genesene Phantom Marek Mintal stehen, wenngleich der Slowake zuletzt nach diversen Verletzungen nicht mehr an seine großen Zeiten anknüpfen konnte. Dass er aber ein sehr erfahrener Offensivmann ist, der immer noch Spiele im Alleingang entscheiden kann, steht hingegen außer Frage. Sowohl Bunjaku als auch Mintal kommen eher aus dem Raum und sollen so Platz für ein großes Talent schaffen. Julian Schieber startete in der vergangenen Saison mit viel Vorschußlorbeer in Stuttgart, konnte sich dort aber nicht durchsetzen. Auf Leihbasis soll er im Frankenland die notwendige Erfahrung sammeln. Der vierte im Bunde ist hingegen nicht so eindeutig. Vieles Spricht für Christian Eigler, der auch im DfB-Pokal zum Einsatz kam. Denkbar wäre auch Mike Frantz, der imletzten Jahr zum Stamm gehörte. Das von Bayern München ausgeliehene Talent Mehmet Ekici ist zunächst nur Ergänzung und wird langsam an die Mannschaft herangeführt. Sein Torerfolg im Pokal weckt aber Begehrlichkeiten, dem seit längerem formschwachen Mintal den Platz in der Startelf streitig zu machen. Während Ekicis Zeit in der Bundesliga gerade erst beginnt, ist mit Angelos Charisteas hingegen nicht mehr zu rechnen. Die Tage des konstant enttäuschenden Griechen, der im Sommer 2007 unter Trainer Hans Meyer nach Nürnberg kam, sind gezählt. Er wechselte noch in dieser Woche zum französischen Erstligisten FC Arles-Avignon und entlastet somit das Gehaltsbudget des Clubs nicht unerheblich.  

Die Borussia 

Man kann Logan Bailly sicherlich nicht seinen Ehrgeiz absprechen. Und so wird der Gladbacher Schlussmann in dieser Saison alles daran setzen, die vergangene durchwachsene Saison vergessen zu machen. Aber welch ein Deja vù: Pünktlich zum Saisonauftakt plagen den Belgier wieder Wehwehchen. Wie schlimm diese sind, wird sich im Laufe der Woche zeigen. Zur Not steht mit Christofer Heimeroth aber ein grundsolider Torhüter zwischen den Pfosten, der bereits in der letzten Saison seinen Zweiflern beweisen konnte, dass er auf hohem Niveau spielen kann. Ansonsten sind in der Defensive alle an Bord, so dass eine andere Aufstellung als Levels, Brouwers, Dante, Daems, Bradley und Marx eine Überraschung wäre. Juan Arango sollte sich von seinem Südamerika-Aufenthalt erholt haben und Marco Reus ist derzeit ebenfalls nicht aus dem Gladbacher Team wegzudenken. Einzig und alleine im Sturm existieren noch kleine Fragezeichen. Mo Idrissou hat mit einer grandiosen Vorbereitung seinen Platz in der ersten Elf sicher. Wo ist nicht hundertprozentig sicher, denn Idrissou wurde auch auf der Außenbahn getestet und Reus kann durchaus im Sturm spielen. Dies sind aber eher theoretische Gedankenspiele, die momentane Torgefährlichkeit und Kopfballstärke spricht bei dem Kameruner für einen Platz im Sturm. Aller Voraussicht nach wird ihm Karim Matmour im ersten rein afrikanischen Fohlen-Bundesliga-Sturm zur Seite stehen. Für Raul Bobadilla kommt ein Einsatz von Beginn an noch zu früh, ganz zu schweigen von Igor de Camargo. Eine so eingespielte Mannschaft hatten die Rheinländer zu Saisonbeginn seit Jahren nicht mehr, was ein eindeutiges Plus sein sollte.  

Die Aufstellungen 

Borussia: Bailly - Levels, Brouwers, Dante, Daems - Bradley, Marx - Reus, Arango – Idrissou, Matmour 
Nürnberg: Schäfer – Judt, Nilsson, Wolf, Pinola – Simons, Gündogan – Bunjaku, Mintal, Frantz – Schieber  

Seitenwahl-Prognose 

Thomas Häcki: Die Vorbereitung hat Lust auf mehr gemacht. Gladbach präsentierte sich zuletzt topfit mit dem nötigen Quäntchen Selbstvertrauen. Nürnberg zeigte sich hingegen weniger gefestigt. Die Chancen auf einen erfolgreichen Saisonstart stehen also gut. Die Borussia gewinnt mit 3:1. 

Michael Heinen: Gleich im ersten Saisonspiel ist ein Pflichtsieg angesagt. Eine durchaus nicht ungefährliche Konstellation, die Borussia aber meistert. Mit 2:1 werden die fränkischen Gäste besiegt. 

Christoph Clausen: Der Kaffeesatz ist beim ersten Saisonspiel traditionell besonders undurchsichtig. Nach langem Blinzeln scheint mir aber ein 1:0-Heimsieg hindurchzuschimmern. 

Christian Heimanns: Zur Abwechslung fängt die Saison einmal positiv an. Nach dem 2:0 sieht für eine Woche alles freundlich aus.

Christian Spoo: Die gute Stimmung rund um den Borussia-Park könnte deutlich getrübt werden, wenn Borussia nicht den nötigen und allseits erwarteten Sieg gegen den Abstiegskandidaten aus dem Frankenland einfährt. Zudem sind erste Bundesligaspieltage dafür bekannt, dass sie gelegentlich drollige Ergebnisse bringen. Macht aber alles nix, Borussias Team ist gefestigt genug, dem Druck und den Unwägbarkeiten zu trotzen. Wir gewinnen 2:1.