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Es gibt so Tore, auf die man besonders reagiert. Die offensichtlichen Namen, die einem im Zusammenhang mit der Borussia hier einfallen, lauten Colautti und de Carmago, aber auch jenes Xhaka Kopfball Tor im Derby samt folgendem 100m Sprint zum Torwart fällt einem ein. Meine Reaktion in allen 3 Fällen war Brüllen gepaart mit wildem Herumspringen (es ist erstaunlich wie wenig Kontrolle man in diesen Momenten über sich selbst hat). Auch der Kopfball-Treffer von Manu Koné in der 120. Minute gestern Abend hat das Potenzial in diese Liste der ganz besonderen Treffer einzugehen. In diesem Falle allerdings war mein spontaner Reflex, einfach nur laut und unkontrolliert zu lachen und ich konnte damit gar nicht wieder aufhören. Es war ein glückliches, befreites Lachen, aber kein Schreien, Jubeln, sondern einfach nur ein Lachen angesichts einer wundervoll absurden Pointe zu einem schlichtweg grauenhaften, aber durchaus wichtigem Fußballspiel.

Die Legende besagt ja, dass der Pokal legislativ anders aufgestellt sei als der Ligabetrieb und in gewissem Sinne bestätigte das Spiel diese Theorie auch. Nicht nur wegen des kürzlich erzielten 4:0 Sieges gegen Wolfsburg in der Liga, sondern auch angesichts der entgegengesetzten Trajektorie beider Mannschaften in den letzten Wochen, schien die Borussia als Favorit in dieses Pokal-Achtelfinale zu gehen. Während Gerardo Seoane nach eher strukturlos wirkenden ersten Spielen, so allmählich ein Spielsystem in Mönchengladbach entwickelte, schien bei Wolfsburg jegliches System hinter ständigen Umstellungen zu verschwinden und Niko Kovac reiste stark angezählt an den Niederrhein. Man hätte also durchaus eine selbstbewusst angreifende Borussia gegen verunsicherte Wolfsburger erwarten könnte. Danach sah es auf dem Platz aber weder zu Beginn noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt wirklich aus. Die Borussia war erstmal darauf fokussiert, defensiv nichts anbrennen zu lassen und überließ dem VW-Team in vielen Phasen die Initiative. Vielleicht war es der Plan, den Gegner mit schnellen Gegenangriffen auszukontern, aber dies scheiterte immer wieder am gestern sehr unsauberen Passspiel der Gladbacher. Ein ums andere Mal ging der Ball schnell wieder verloren, so etwas wie Spielfluss kam bei der Borussia kaum auf. Wolfsburg wirkte insgesamt wacher/ und sicherer, entfachte aber auch keineswegs ein Feuerwerk, sondern konzentriert sich zunächst ebenfalls auf die Defensive. So entwickelte sich ein Spiel, das sich dem grausamen Wetter (Dauerregen bei kühlen Temperaturen) sehr gut anpasste.

Kurz nach der Pause gab es zumindest mal einen kurzen Aufreger als Chiarodia, den Ball aus kurzer Distanz über das leere Wolfsburger Tor schoss, dann aber erleichtert feststellen konnte, dass zuvor Plea sowieso im Abseits stand. Ansonsten blieb es aber ein schwer anzuschauender Grottenkick, zumindest von der Borussia, denn die Wolfsburger kamen gegen Ende der regulären Spielzeit immer besser auf.  Nach einem wegen knappen Abseits nicht gegebenen Treffer durch  Tiago Tomas konnte der wie immer zuverlässige Nicolas Winds Kopfball noch sehr gut parieren, wäre dann aber in der 93. Minute chancenlos gewesen als der Däne in bester Position vor dem Tor frei zum Schuss kam (vorangegangen war ein fürchterlicher Querschläger von Chiarodia), den Ball aber – warum auch immer – neben den Kasten platzierte. Erfahrene Fussballkenner (und die gibt es in unserem kuscheligen Senioren-Portal ja nun zu Genüge) wussten in diesem Moment genau: Wenn Wolfsburg so mit seinen Chancen umgeht, wird sich das rächen.

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Und exakt so kam es dann auch. Wolfsburg blieb auch in der Verlängerung das überlegene Team und hatte auch weitere Chancen, aber das Tor machte die Borussia: es war nicht gerade Neuhaus-typisch wie er sich am rechten Flügel nach einem Konter im Sprint durchsetzte, aber als er es dann bis kurz vor die Grundlinie geschafft hatte, konnte er sein feines rechtes Füßchen einsetzen, den Ball vors Wolfsburger Tor chippen wo der vom eigenen Strafraum herbeigeeilte Koné nur noch mit dem Kopf einnicken musste. Die ganze Szene kam eigentlich aus dem Nichts und war vielleicht der einzig wirklich richtig gute Angriff der Borussia an diesem Abend, aber was soll's? 3 Minuten später stand Borussia als Pokal-Viertelfinalist fest.

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Das Spiel zu bewerten fällt schwer, aber vielleicht muss man das auch gar nicht. Der VFL ist im Moment von Ausfällen und Verletzungen geplagt, die Seoane zwingen zu improvisieren; so sind wohl die Startelf-Plätze von Chiarodia und Kramer zu interpretieren. Darunter leidet natürlich der Spielfluss, der sich in den Vorwochen etabliert hatte. Auch die Psychologie wird ihre Rolle gespielt haben: Ein Heimspiel als Favorit, mit dem Wissen, dass nach dem Ausscheiden von Bayern und Leipzig dieses Jahr im Pokal einiges möglich ist, kann die Beine schon mal schwerer machen.

Sehen wir das positive: Das Team hat schlecht gespielt, aber es mangelte nicht Engagement und defensiv war es über weite Strecken auch recht stabil. Wenn das Spiel gegen Hoffenheim die beruhigende Erkenntnis erbracht hat, dass Gladbach auch dreckig gewinnen kann, wissen wir seit gestern, dass es noch viel dreckiger geht. Aber im Pokal zählt zunächst nur eines und das ist das Weiterkommen. Egal wie! 

 

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