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Foto (c) Dirk PäffgenDie Träume von Herbst- und anderen Meisterschaften sind nach dem 1:1 gegen Dortmund erst einmal ad acta gelegt, dennoch verließ wohl kaum ein Anhänger der Gladbacher Borussia das Stadion enttäuscht. Die Mannschaft hate zuvor einem extrem starken Gegner einen Punkt abgetrotzt und gezeigt, dass sie auch ohne Marco Reus imstande ist, in solch schwierigen wie wichtigen Spielen zu bestehen.

 

Nicht, dass man den Ausfall des von vielen schon zum Alleinverantwortlichen für den Gladbacher Höhenflug hochgejazzten Nationalspielers nicht bemerkt hätte – im Gegenteil: Reus fehlte im Aufbau- und Offensivspiel sehr. Aber die Mannschaft ließ sich davon nicht unterkriegen, spielte ihre anderen Stärken, vor allem in der Defensive, unvermindert souverän aus, ließ sich weder vom aggressiven und sicheren Spiel des Gegners noch vom Gegentor aus dem Konzept bringen und wurde am Ende mit dem Ausgleichstor belohnt.


Nicht wenige Borussenfreunde sahen mit Sorge, dass Lucien Favre die durch die Ausfälle von Reus und Igor de Camargo entstandene Vakanz im Angriff mit Raul Bobadilla zu füllen gedachte. Zu oft schon hatte der Argentinier in der Vergangenheit seine Inkompatibilität mit dem Favreschen Spielsystem unter Beweis gestellt. Gegen Dortmund ging es vergleichsweise gut. Bobadilla machte kein Superspiel, aber er war stets bemüht, sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen und am Kombinationsspiel teilzuhaben. Dass das längst nicht immer funktionierte, ist sicher auch seiner mangelnden Spielpraxis geschuldet. Borussias Angriffsspiel fehlte das Miteinander zweier perfekt aufeinander abgestimmter Angreifer, wie es Mike Hanke und Marco Reus in den vergangenen Spielen praktizierten. Hanke und Bobadilla harmonierten die meiste Zeit keineswegs, Hankes Ablagen fanden kaum einmal den Mitspieler, das Verständnis für die Aktionen und Laufwege des Sturmpartners fehlte beiden – bis auf die Situation vor dem Gegentreffer. Bobadilla machte in diesem Fall „den Hanke“, nahm einen Pass von Juan Arango gut auf und spielte einen großartigen Ball im Rücken der Dortmunder Verteidiger direkt in den Lauf seines Sturmkollegen. Hanke wiederum machte „den Reus“, und verwertete die großartige Vorlage eiskalt. Sollte Marco Reus, wonach es derzeit aussieht, weiter fehlen, wäre es wohl nicht verkehrt, dem gestern noch fremdelnden Stürmerpaar ein oder zwei weitere Bewährungschancen zu geben. Wie sehr sich wachsende Spielpraxis im System Favre auszahlen kann, beweist zum Beispiel Patrick Herrmann seit Wochen. Bei aller Skepsis in Sachen Spielintelligenz hat Raul Bobadilla womöglich hier noch einmal eine Chance, seine Kritiker Lügen zu strafen.

 

Dass die Borussen-Defensive auch gegen die starken Dortmunder bestehen konnte, ist eine sehr erfreuliche Erkenntnis aus dem gestrigen Spiel. Die Leistung des Filip Daems ist auf SEITENWAHL schon gebührend gewürdigt worden, aber auch die Innenverteidiger waren durchweg hellwach und blieben über 90 Minuten ruhig und souverän. Das Gegentor schreiben einige Beobachter Martin Stranzl zu, der Mann, der Lewandowski am Kopfball tatsächlich hätte hindern können, war aber Roman Neustädter. Der machte ansonsten ebenfalls ein ordentliches Spiel. In der ersten Halbzeit hatte er gelegentlich Probleme im Aufbau eine vernünftige Anspielstation zu finden, in der zweiten lief es besser.

 

Als Schwachpunkt in der Gladbacher Defensive hatten die Dortmunder vorweg offenbar die rechte Abwehrseite ausgemacht, so sah sich Tony Jantschke oft allein den Nationalspielern Großkreutz und Schmelzer gegenüber, letzterer verlud den Gladbacher auch zweimal sehenswert. Tatsächlich hatte Jantschke von allen Verteidigern die deutlichsten Probleme. Er hat aber – im Gegensatz zu seinem Pendant Daems - deutlich weniger Unterstützung durch den vor ihm postierten Mittelfeldspieler. Während auf der linken Seite die kluge Defensivarbeit bemerkenswerterweise zu einer der Stärken von Juan Arango geworden ist, klappt die Abstimmung zwischen Patrick Herrmann und Jantschke auf rechts oft noch nicht. Herrmann ist zwar ebenfalls bemüht, nach hinten zu arbeiten, eine echte Entlastung für den Verteidiger bringt das aber selten. Umso mehr gebührt auch Tony Jantschke ein Lob, denn er ließ sich von seinen starken Gegnern und seinen eigenen Wacklern nicht aus der Ruhe bringen und versuchte weiter bis zum Ende des Spiels, jede Situation spielerisch zu lösen.


So lässt sich nach dem Spiel zusammenfassen: Borussia hat nicht die beste Mannschaft der Liga. Dortmund war besser, reifer, harmonischer und konnte den Ausfall einiger wichtiger Spieler fast ohne Qualitätseinbußen kompensieren. Borussia aber hat gezeigt, dass sie auch gegen bessere Mannschaften mithalten kann und auch ohne zu dominieren ihr Spiel ruhig durchzuziehen vermag. Wir wissen jetzt: die Bäume wachsen nicht in den Himmel, aber Borussia steht derzeit tatsächlich zu Recht da, wo sie steht.

 

Ob Borussia wirklich eine Spitzenmannschaft ist, wird sich nicht zuletzt an den kommenden beiden Wochenenden zeigen. Nach drei Gegnern, die kein Mensch gesunden Geistes hätte unterschätzen können, kommen jetzt zwei Spiele, in die die Mannschaft als klarer Favorit geht, zwei Gegner, die als absolut schlagbar gelten müssen. Es wäre fatal, würde die Mannschaft Augsburg und Mainz auf die leichte Schulter nehmen und die Spiele als Auslaufen nach den schweren Aufgaben Bremen, Köln und Dortmund bzw. als Warmlaufen für das Pokal-Achtelfinale gegen Schalke begreifen. Wenn Lucien Favre es aber schafft, die Spannung nach dem Spitzenspiel hochzuhalten und seine Mannschaft auch in den kommenden Partien nach seiner „von Spiel zu Spiel“-Philosophie hungrig ins Rennen zu schicken, dann blühen uns Fans bis Weihnachten noch ein paar fantastische Momente.