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Udo Lattek dürfte es wohl nicht mehr auf der Bank gehalten haben. Gerade hatte „Hacki“ Wimmer eine Vorlage des an diesem Tag hervorragend aufgelegten Berti Vogts genutzt und den 0:1 Pausenrückstand in eine 2:1 Führung am Betzenberg gedreht. Der Sieg in Kaiserslautern rundete an diesem 18. September gleichzeitig einen gelungenen Saisonstart mit vier Siegen und zwei Unentschieden für den amtierenden Deutschen Meister ab. Eine Woche später sollte man sogar mit einem 6:0 Heimsieg gegen Rot-Weiß Essen, bei denen ein gewisser Frank Mill zu seinem zweiten Bundesligaeinsatz kam, die Tabellenführung übernehmen.


Das klingt nach längst vergangen Zeiten? Stimmt! Fast auf den Tag genau 35 Jahre ist es her, dass die Borussia einen besseren Saisonstart feiern durfte. Dementsprechend groß ist auch die Euphorie rund um den Borussia-Park. Bayern München, VfB Stuttgart, VfL Wolfsburg, Schalke 04, 1 FC Kaiserslautern und der Hamburger SV: Das sind eigentlich alles keine Gegner, die einen solchen Start erwarten ließen. Auch wenn mancher Zeitgenosse richtigerweise einwenden mag, dass Borussias Gegner derzeit oft mehr mit sich selber als mit dem Gegner beschäftigt sind, bleibt unterm Strich doch festzuhalten, dass die Favre-Elf ihre Chancen fast optimal genutzt hat. Somit ist der Start auch weder glücklich noch unverdient.

Natürlich ist auch am Niederrhein nicht plötzlich alles Gold, was glänzt. Besonders die letzten beiden Siege waren mehr der Schwäche des Gegners als dem forschen Auftreten der Fohlen geschuldet. Man mag der Borussia sicherlich zu Gute halten, dass sie solche Geschenke mittlerweile auch annimmt, doch wird nicht jeder Gegner mit solch mangelndem Selbstvertrauen wie Kaiserslautern oder Hamburg ausgestattet sein. Dass es durchaus auch anders geht, zeigt der 1 FC Nürnberg. Eigentlich sind die Voraussetzungen durch eine ständige Spielerrotation in Folge der finanziellen Belastungen der Vergangenheit nach jeder Saison denkbar schlecht. Eigentlich sollte dieses Team zu unerfahren sein, um Ausfälle wie Schäfer oder Nilsson langfristig auffangen zu können. Und eigentlich zählt dieses Team sowieso beständig zu den heißesten Abstiegskandidaten. Eigentlich spricht also alles dafür, dass sich am Samstag wieder ein dankbarer Punktelieferant in den Borussia-Park verirrt. Eigentlich… Nur leider haben sich diese offensichtlich negativen Voraussetzungen nicht bis nach Nürnberg herumgesprochen. Im Gegenteil: Die Franken können auf eine erfolgreiche letzte Saison zurückblicken, in der man trotz großem personellen Umbruchs schon frühzeitig nichts mit dem Abstieg zu tun hatte. Dass dies kein Zufall war, beweist der Club bislang auch in dieser Saison. Mit zehn Punkten aus sechs Spielen steht man nur drei Punkte hinter der euphorisierten Borussia.

Stars sucht man bei den „Cluberern“ vergebens, vielmehr folgt man nunmehr der Maxime, die Mannschaft sei der Star. Ein Blick in den Kader genügt, um festzustellen, dass dies keine leere Phrase ist. Während sich früher im Frankenland ausgediente Stars die Klinke in die Hand gaben, ist man unter Trainer Dieter Hecking deutlich bescheidener geworden. Ein Stamm erfahrener Spieler wie Feulner, Simons oder Pinola wird ergänzt durch eine Garde junger Wilder. Ein Rezept, welches durchaus zu Ergebnissen führt. Bereits in der letzten Saison schafften es Spieler wie Schieber, Gündogan oder Ekici sich in der Bundesliga zu etablieren. In dieser Saison sollen Esswein, Pekhart oder Mendler in ihre Fußstapfen treten. Einer der bekanntesten Namen ist der von Torwart Raphael Schäfer, welcher nunmehr schon 253 mal für den Club zwischen den Pfosten stand. Doch der vermeidlich größte Rückhalt der jungen Nürnberger Truppe fällt nun wegen eines Syndesmosebandrisses wochenlang aus. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt brach sich Ersatztorhüter Rakovsky einen Finger, so dass der Club in den nächsten Wochen Alexander Stephan das Vertrauen schenken muss. Der zu Saisonbeginn auf Nummer drei degradierte Torhüter überraschte bei seinen ersten Spielen positiv.

Dass die Franken trotzdem erfolgreich spielen, liegt in erster Linie an dem Spielsystem, welches Trainer Hecking seiner Mannschaft verordnet hat. Ähnlich wie bei Favre’s Borussia steht die Effizienz im Vordergrund. In der Lebkuchenstadt spielt man nicht schön, aber kompakt. Und das macht die Nürnberger zu einem allseits unangenehmen Gegner. Trotz ihres jungen Durchschnittsalters tritt das Team dabei sehr erfahren auf. Räume werden eng gemacht, Sicherung steht an erster Stelle. Dass mit Feulner ein weiterer erfahrener Spieler an die Seite von Simons geholt wurde, hilft dem System dabei sehr. Simons ist die Schaltstelle bei den Nürnbergern, vergleichbar vielleicht mit Galasek. Zusammen mit Feulner sorgt er für die schnelle Umsetzung von Defensive auf Offensive, wobei mit Hegeler, Mendler, Esswein, Mak oder Eigler eine junge, stürmische Offensive bereit steht, um  Pekhart zu bedienen. Der Stoßstürmer soll Schieber, der zurück nach Stuttgart musste, vergessen machen. Bislang gelingt es dem Tschechen, welcher in seinem Bewegungsablauf eher wie ein rumänischer Tanzbär wirkt, auch ganz gut. An vier der sechs Nürnberger Treffer war er beteiligt, wobei er im letzten Spiel aufgrund einer gelb-roten Karte fehlte.

Ein kompaktes Spielsystem hat auch Lucien Favre seiner Borussia verordnet. Der Erfolg, mit dem es die gleichen Spieler, denen vor einem halben Jahr noch die Bundesligatauglichkeit abgesprochen wurde, umsetzen ist nicht nur Assistenztrainer Geideck unheimlich. Lediglich drei Gegentreffer hat die einstige Schießbude der Liga erhalten. Torwartstar Ter Stegen wird gerne als Grund für die neue Defensivstärke der Borussia genannt und damit liegt der Betrachter gänzlich falsch. Dass der junge Schlussmann weiterhin an seine sehr starken Leistungen der Vorsaison anknüpft und ein wesentlicher Rückhalt ist, ist nicht nur am Niederrhein unbestritten. Nicht von ungefähr kommen daher die Bemühungen der sportlichen Leitung, den Vertrag des gebürtigen Mönchengladbachers bereits sehr frühzeitig zu verlängern – eigentlich ein Novum zu diesem frühen Zeitpunkt. Allerdings ist es falsch, die fast schon unglaubliche Steigerung in der Defensive lediglich an einer Personalie festzumachen. Vielmehr trägt das Defensivverhalten jedes einzelnen Spielers dazu bei. Noch überraschender als die momentane Leistung ist die Tatsache, dass sich auch Spieler aus der zweiten Reihe bei Bedarf mühelos in das neue System Favre integrieren lassen. Sogar eine kleine Rotation ist somit möglich geworden, wie die Beispiele Brouwers und Marx zeigen. Dies ist auch deshalb möglich, weil die Borussia personell fast aus dem Vollen schöpfen kann. Brouwers wird aufgrund einer Muskelreizung fehlen. Für ihn kehrt Martin Stranzl zurück in die Startelf. Des Weiteren sind keine bedeutenden Wechsel zu erwarten. Daems spielt zu stark, als das Wendt an ihm vorbeikäme. Und auch Marx dürfte wieder in der Stammelf stehen. Ist es nicht schön, zu wissen, dass man über brauchbare Alternativen auf der Bank verfügt? Lediglich Herrmann konnte seine Chance nicht nutzen. Seine Auswechslung in Hamburg war folgerichtig, Hanke wird ihn wohl ersetzen.

Dass auch für die Niederrheiner die Bäume nicht in den Himmel wachsen, dürfte allerdings spätestens seit den Siegen gegen die Lauterer und den HSV deutlich geworden sein. Steht der Gegner defensiv, fehlt den Fohlen oft der nötige Esprit um offensiv überraschende Aktionen zu zeigen. Viel hängt im Sturm von Igor de Camargo ab, noch mehr allerdings vom Mittelfeld-„Roadrunner“ Reus. Eine kompakt aufgestellte Defensive dürfte die Borussia somit vor einige Probleme stellen. Es wird also eine deutliche Leistungssteigerung in der Offensive nötig sein, will man diese knacken. Auf der anderen Seite sprühen auch die Süddeutschen nicht unbedingt vor Offensivkreativität. Zwar gelingt es dem Team bei Bedarf Druck zu entfachen, zwingend ist dieser dann aber oft nicht, die Aktionen sind meist durchschaubar. Man darf daher am Samstag einen sich auf seine Defensivstärken konzentrierenden Club erwarten, der die Fohlen in ein Geduldsspiel verwickeln wird. Doch mit Geduldsspielen hat man in Mönchengladbach spätestens seit der dramatischen Rettungsaktion in der letzten Saison einige Erfahrung.

Aufstellungen

Borussia
: Ter Stegen - Jantschke, Stranzl, Dante, Daems - Marx, Neustädter - Reus, Arango – Hanke, de Camargo

Nürnberg: Stephan – Chandler, Klose, Wollscheid, Pinola – Simons, Feulner – Hegeler, Mendler, Eigler – Pekhart

SEITENWAHL-Prognose

Thomas Häcki
: Das auch für die Borussia die Bäume nicht in den Himmel wachsen, wird beim 1:1 gegen den Club deutlich. Dies ist ernüchternd, aber kein Beinbruch.

Christoph Clausen: Zwei exzellent organisierte Defensivverbünde neutralisieren sich. 0:0.

Christian Spoo: Man kann nicht immer 1:0 gewinnen. Für ein Tor ist der FCN gut, für mehr als eins langt es bei uns aber auch nicht. Folglich endet die Partie 1:1.

Michael Heinen
: Viele Tore werden wohl nicht fallen, wenn die Defensivtaktiker Favre und Hecking aufeinandertreffen. Da Borussia daheim spielt und den noch etwas besseren Lauf hat, wird es am Ende mal wieder zu einem 1:0-Sieg reichen.

Christian Heimanns: Favres Mannschaft, Favres Ergebnis. 1:0 für Borussia.