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Mit dem Sieg in Fürth sollte sich Borussia (vorbehaltlich eher theoretischer Rechenspiele) aus dem Abstiegskampf verabschiedet haben. Elf Zähler plus Tordifferenz werden bei maximal 15 noch zu vergebenen Punkten wohl auch dann reichen, sollte man in den restlichen fünf Spielen komplett punktlos bleiben. Das wäre hinsichtlich des bevorstehenden Derbys und der Wiedergutmachung, auf die viele Fans ob dieser enttäuschenden Saison insbesondere für die letzten Heimspiele hoffen, zwar ein erneuter Tiefschlag für die geschundene Borussenseele, ist mit Blick auf die dargebotenen Leistungen aber nicht ganz undenkbar. Denn wirklich gelernt zu haben scheinen Mannschaft und Trainerstab aus den kritischen Phasen der Saison immer noch nicht.

Immer diese Schwarzmalerei, werden manche sagen. Schließlich sind die Fohlen derzeit sogar (wundersamer) Sechster der Rückrundentabelle und mit 10 Punkte aus den letzten 4 Spielen so etwas wie eine Mannschaft der Stunde in der Bundesliga. Das ist beruhigend und gibt dem Verein nun zumindest eine Sache, die seit dem Winter komplett verloren schien: Eine gewisse Planungssicherheit. Und Planen müssen Sie viel. Deutschlands größtes Fachmagazin für den Fußballsport nutzte die Ausgangslage, um den neuen Sportdirektor Roland Virkus zu den Aussichten zu befragen. Und der schüttete gleich bereitwillig sein Herz zu allen Fragen aus, die man sich als interessierter Beobachter rund um Borussia stellen mag. Das Positive: Grundsätzlich scheinen die Kernprobleme der Mannschaft erkannt und die Ziele für die Kaderplanung klar – klar macht die dargebotene Offenheit der Antworten aber leider auch, dass Borussia in der kommenden Transferphase erneut zum Spielball von Umständen zu werden droht, die man nur sehr bedingt selbst beeinflussen kann. Soweit, dass sich ein Wandel im Kader über „mehrere Transferperioden“ hinziehen könne. Dabei braucht die Mannschaft nichts dringender als frisches Blut und neue Qualitäten, wofür auch Phasen des Spiels in Fürth erneut den Beleg lieferten.

Ja, Borussia kann Fußball spielen – wenn man sie lässt. Geradezu wehrlos erschienen die Fürther in den ersten 25 Minuten gegen das Gladbacher Kombinationsspiel, und durch Thuram sowie Pleas verwandelten Strafstoß gelang es sogar die Dominanz in eine recht komfortablen Zwei-Tore-Führung umzumünzen. Was dann folgte, kennt man aus dieser Saison, ja selbst aus der vergangenen Woche, nur zu gut. Beim Versuch einen Gang zurückzuschalten, den Gegner etwas kommen zu lassen und das Spiel zu kontrollieren (welches Ziel genau verfolgt wird, blieb erneut unklar) verliert Borussia schrittweise bis schlagartig den Zugriff auf Gegner und Spiel.

Ballbesitz, Zweikämpfe, (An-)Laufverhalten – plötzlich ist wieder alles weg, die Mannschaft scheint sich in ihr Schicksal zu ergeben. Eine kleine Fürther Umstellung in der Halbzeit und eine stärker mannorientierte Deckung im Zentrum reichten aus, um Borussias Defensive in Schwierigkeiten und das Offensivspiel fast zum Erliegen zu bringen. Nur waren die Kleeblätter anders als Mainz oder Stuttgart qualitativ nicht dazu in der Lage, aus ihrer Drangphase Kapital zu schlagen. Borussia bekam das Spiel wieder einigermaßen in den Griff und ab Mitte der zweiten Hälfte plätscherte die Partie nur noch vor sich hin. Borussia vergab noch zwei ordentliche Kontersituation und erzielte sogar durch Neuhaus das 0:3, was jedoch durch ein komplett unnötiges Foul des eigentlich unbeteiligten Thurams zurecht aberkannt wurde.

So bleibt unterm Strich ein insgesamt verdienter Sieg für Borussia, mit ein wenig Glanz zu Beginn und ein bisschen mehr dickem Hals nach einer zweiten Halbzeit, in der es erneut hätte schiefgehen können. Warum das immer wieder geschieht, man sich wiederholt vom Gegner überraschen lässt (wie auch die Interview-Aussagen nach dem Spiel belegen) und warum von der Seitenlinie in kritischen Spielphasen keine Impulse kommen –  das ist eines der großen Rätsel dieser seltsamen Saison.

Es scheint sich am Ende zu bewahrheiten, dass Borussia (noch) zu viel individuelle Qualität hat, um in einer schwachen Bundesliga ernsthaft mit dem Abstiegskampf zu tun zu haben. Aber genauso deutlich wird, dass es spätestens zur neuen Saison dringend wieder klare Strukturen und intelligente Lösungen auf und neben dem Platz braucht, damit die Sorge um die Zukunft des Vereins nicht zum Dauerzustand wird.