Erfahren wir noch vor den Anpfiff der Rückrunde, ob der Rückrundenauftakt angepfiffen wird? Man darf gespannt sein. Aber gehen wir erst einmal davon aus, dass das Spiel von Borussia bei Bayern München stattfinden wird. Dafür spricht, dass die Regularien eigentlich nichts anderes erlauben. Bayern München hat – Stand Donnerstagnachmittag – eine ausreichende Anzahl an einsatzfähigen Spielern. Nun wissen wir alle, dass das Regelwerk biegsam ist, besonders wenn der Deutsche Rekordmeister beteiligt ist. Nachdem sich zuletzt auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder für eine Verlegung des Spiels ausgesprochen hat, sollte sich niemand wundern, wenn sich weitere Gründe finden sollten, am Freitag nicht zu spielen. Gegen eine Verschiebung spricht allerdings der enge Terminplan beider Mannschaften. Womöglich bleibt die Frage „Spielen sie oder nicht?“ schon das Spannendste an diesem Start ins Fußballjahr 2022.

Denn auch ohne die verletzten oder infizierten Spieler sollte Bayern München eine Mannschaft auf den Platz bringen, die Borussia mehr als gewachsen ist. Das gilt schon für jeden normalen Tag, das gilt umso mehr, da auch Borussia corona- und verletzungsbedingte Ausfälle zu beklagen hat und sich zuletzt zudem in beklagenswerter Form befand. Auch eine ersatzgeschwächte Münchner Mannschaft kann mit Lewandowski, Müller, Gnabry, Kimmich, Süle, Musiala und Ibrahimovic aufwarten. Falls sich jemand wundert: Auf den klangvollen Namen Ibrahimovic hört ein 16-jähriger Nachwuchsmann, den Bayern-Trainer Nagelsmann dazu geholt hat. Ihn und seinen Vereinskameraden Paul Wanner ließ der FC Bayern extra aus dem Trainingslager der U17 -Nationalmannschaft zurückfliegen, um den ausgedünnten Kader aufzufüllen. Kleinreden sollte man die Personalprobleme bei den Münchnern freilich nicht. Auf der Bank werden nur U23- und Jugendspieler sitzen, eventuell noch der rekonvaleszente Leon Goretzka, bei dem es für 90 Minuten noch nicht zu reichen scheint.

Bei Borussia fehlen aller Voraussicht nach aus der Stamm-Elf Joe Scally und Denis Zakaria wegen Corona, Ramy Bensebaini ist beim Afrika-Cup, Jonas Hofmann noch nicht wieder spielfit. Die Abwehr stellt sich mithin fast von alleine auf, allenfalls die Frage Dreier- oder Viererkette – also Jantschke oder nicht – wird Adi Hütter noch beantworten müssen. Wer von den zuletzt samt und sonders eher schwachen Akteuren in der Offensive beginnen darf, scheint fast egal. Die Auswahl ist etwas größer als hinten. Hütter sagte vor dem Spiel das Erwartbare, sprach von einer möglichen Aufholjagd, aber auch von den Problemen, die ein Fehlstart in die Rückrunde mit sich brächte. Dass das Team mehr laufen und besser verteidigen muss, erwähnt der Trainer zu Recht, wobei man für diese Analyse tatsächlich keine A-Lizenz braucht.

Interessanter als die Ausführungen des Trainers waren die des Sportdirektors in der Pressekonferenz vor dem Spiel. Eine schlüssige Erklärung, warum das Wissen darum, dass Matthias Ginter und Denis Zakaria den Verein im Sommer ablösefrei verlassen, zu einer besseren Rückrunde führten soll, lieferte Max Eberl nicht. Warum er es für wichtig hielt, den Spielern öffentlich eine ungeladene Pistole auf die Brust zu setzen, weiß vermutlich nur Eberl selbst. Mit Blick auf die kommende Saison weiß er nun aber immerhin, in welche Mannschaftsteile er investieren muss, falls er überhaupt investieren kann. Denn das Geld ist offenbar knapp. So gesund, eine Pandemie und den parallelen sportlichen Absturz zu überstehen, ist offenbar im heutigen Fußball selbst der solidest geführte Verein nicht mehr. Das geringe Risiko, dass man bei Borussia traditionell einzugehen bereit ist, war für die Zeiten, die wir erleben offenbar noch zu groß. Das kann man weder der sportlichen Leitung noch der Geschäftsführung vorwerfen. Die Zeiten sind einfach Mist. Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass zumindest Max Eberl einen Strategiewechsel andeutet oder sich zumindest relativ deutlich für einen solchen ausspricht. Zwar schließt er waghalsige Aktionen ausdrücklich aus und nimmt wohlweislich die Worte „solide“ und „stabil“ in den Mund. Gleichzeitig verweist er auf die „kreativen Ideen“ anderer Vereine, an Geld zu kommen und dass man sich Gedanken machen muss, wie man dem begegnet. Die Worte lassen einigen Interpretationsspielraum. Die SEITENWAHL-Interpretation, ohne Genaueres über Vorgänge hinter den Kulissen zu wissen: Max Eberl hält es für ausgeschlossen, ohne frisches Geld auf Dauer in der Bundesliga konkurrenzfähig zu sein und wünscht sich Offenheit für ein Investorenmodell bzw. einen „strategischen Partner“. Damit rennt er im traditionell mittelständisch geprägten Verein allerdings keine offenen Türen ein. Es wird sich etwas verändern, bei Borussia. Entweder die Vereinspolitik oder die sportlichen Ambitionen.

Zunächst einmal gilt es aber, den anstehenden Abstiegskampf erfolgreich zu bestreiten. Ein Erfolg in München wäre dabei Gold wert. Daran zu glauben, tun wir uns allerdings schwer. Das zeigt die

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: Elf Bayern sind derzeit besser als Borussia, egal, wie sie heißen. Corona ist rein sportlich gesehen ein Klacks gegenüber der Seuche, die unseren Verein erfasst hat. 4:0.

Thomas Häcki: Dank der regelbedingten Ausfälle beim Rekordmeister unterliegt die Borussia nur mit 2:5. Klingt spektakulär, ist es aber nicht.

Michael Heinen: Eine seriöse Prognose ist für dieses Spiel nicht möglich. Selbst die verbleibende Bayern-Elf hat mindestens doppelt so hohe Marktwerte und Gehälter wie das, was Adi Hütter wird aufbieten können. Sollte Borussia so auftreten wie in den letzten Spielen vor der Winterpause, dann würde ein Lewandowski ausreichen, um die Partie zu entscheiden. Da wir bei Seitenwahl aber für unseren Optimismus geschätzt werden, tippe ich auf ein 1:1.