Borussia in der Krise. In Gladbach winkt der Abstiegskampf. Null-Punkte-Diät bis Weihnachten? Solche Schlagzeilen schienen bei Borussia Mönchengladbach der Vergangenheit anzugehören. Wer aber nicht vergessen hat, wo wir herkommen, der könnte sich angesichts der jüngsten Entwicklung fühlen, wie nach einer aufregenden Weltreise wieder zuhause angekommen. Schade nur, dass man sich in der alten Wohnung nicht mehr zurechtfindet. Nicht bloß die Einrichtung entspricht nicht mehr dem Geschmack der 00er-Jahre, man hat leider auch keine Idee, was man ändern könnte, damit es einem zuhause wieder gefällt. Und für einen Umzug fehlt es an Energie, Mut und Geld. Im Moment wirkt es so, als habe Borussia sich verloren.

Was in Gladbach funktionieren soll, aber nicht funktioniert, klappt in Frankfurt ohne große Worte erstaunlich gut. Dort scheint sich eine Idee vom Fußball etabliert zu haben, die unabhängig vom Personal funktioniert. Ob Zufall oder nicht: Die Eintracht steht für mannschaftliche Geschlossenheit und großen Kampfgeist. Damit hat man schon unter Niko Kovac den Pokal geholt, hat sich unter Adi Hütter in der oberen Tabellenhälfte etabliert und scheint jetzt auch unter Oliver Glasner zu reüssieren. Dabei ist die Fluktuation im Kader enorm. Mit schöner Regelmäßigkeit gibt Frankfurt nach jeder Saison Leistungsträger ab. Hradecky, Rebic, Jovic, Boateng, Haller etc. Als nach der letzten Saison auch Sportvorstand Fredi Bobic und Sportdirektor Bruno Hübner den Verein verließen, vermuteten nicht wenige das Ende einer Ära. Diese Personalien sollen auch mit ausschlaggebend für den Wechsel von Adi Hütter nach Mönchengladbach gewesen sein. Aber auch das scheint Eintracht Frankfurt nach einem etwas holperigen Start mit Pokalaus nicht weh getan zu haben. Man macht einfach weiter am Main. In der Bundesliga ist der Abstand zu den Euro-League Plätzen nicht groß, in der Euro-League selbst steht das Team als Sieger seiner Gruppe im Achtelfinale

„Nicht ganz geräuschlos“ sei zum Ende der vergangenen Saison der Abschied von Adi Hütter vonstatten gegangen, heißt es heuer bei Eintracht Frankfurt. Fast wohltuende Ehrlichkeit, gemessen am Rumgeeiere der Funktionäre von Borussia Mönchengladbach beim ähnlich gelagerten Fall Rose. Im Gegensatz zu Borussia ist Eintracht aber bei der Installation eines Nachfolgers auch sauber geblieben. Während Max Eberl, zum Missfallen nicht weniger eigener Anhänger, den Move des ungeliebten Konkurrenten Borussia Dortmund einfach kopierte und seinerseits einen Trainer mit viel Geld aus seinem laufenden Vertrag herauseiste, holte die Eintracht für Hütter Oliver Glasner, der in Wolfsburg nicht mehr gewollt war. Dass es bei Frankfurt einige gibt, die mit Hütter noch ein Hühnchen zu rupfen haben, sollte Borussia pessimistisch stimmen. Ohnehin kommt die Eintracht über die Leidenschaft, wenn der eine oder andere heute da Abend noch eine Schüppe drauflegt, verheißt das wenig Gutes für die zuletzt eher tot als leidenschaftlich wirkende Truppe.

Personell hat Oliver Glasner fast die freie Auswahl. Allein der Norweger Jens-Petter Hauge, der verletzt fehlt, wäre eine Option für die Startelf gewesen. Frankfurts wohl wichtigster Spieler, Filip Kostic, ist fit und ihn auszuschalten ist – so sieht es Adi Hütter – die vornehmste Aufgabe seiner Mannschaft. Wer auch immer die rechte Abwehrseite bei Borussia bekleidet hat voraussichtlich einen arbeitsreichen Abend vor sich. Wenig erbaulich aus Gladbacher Sicht, dass Stefan Lainer nach seiner Verletzungspause noch nicht auf der Höhe seiner Kunst ist, während Joe Scally zuletzt überspielt und überfordert wirkte.

Personelle Änderungen hatte man schon vor dem Spiel in Leipzig erwartet. Adi Hütter änderte sein Team aber nur sehr maßvoll. Heute Abend kann er gar nicht anders: Lars Stindl ist gesperrt, Jonas Hofmann fällt aus. Ansonsten gilt für Frankfurt, was auch schon für Leipzig galt: Gemessen an den zuletzt gezeigten Leistungen könnte man von der Nummer zwei an aufwärts eigentlich jeden austauschen.

Was nun tun, gegen die Herbst-Winter-Depression, die über dem Borussia-Park liegt. Die Äußerungen von Sportdirektor und Trainer lichten den Nebel kaum. Ob Max Eberl im Sportstudio oder Adi Hütter in der Pressekonferenz vor dem heutigen Spiel: Ratlosigkeit spricht aus Gesichtern und Worten. Beide sind von der Entwicklung ähnlich überrascht, wie die Anhänger, beiden scheint es an griffigen Erklärungen zu mangeln – oder sie kommunizieren diese Erklärungen nicht nach außen. Womöglich wissen sie auch, dass sie machtlos dagegen sind, wenn Spieler nicht mehr miteinander können oder wenn sich einige eher mit dem „nächsten Schritt“ befassen, als Schritte auf dem Platz zu machen. Über die Fehler, die gemacht wurden, wird an anderer Stelle zu reden sein. Aktuell behelfen sich die Verantwortlichen mit Platitüden, zerknirscht der Trainer, gewohnt leicht patzig der Sportdirektor. Man sollte diesen Aussagen nicht zu viel Gewicht beimessen. Sie sind Zeichen von Hilflosigkeit. Das ist verständlich, hilft aber sicher nicht, dem Team die – auch so eine Platitüde – nötige Überzeugung zu vermitteln.

Ein Erfolg gegen Frankfurt, das Team mit dem zu rupfenden Hühnchen und Rückenwind aus einem begeisternden 5:2 gegen Leverkusen scheint angesichts all dessen fast ausgeschlossen. Wir lassen uns gerne überraschen.

Seitenwahl-Prognose

Christian Spoo: Borussia wehrt sich, aber vergeblich. Gegen die gute Frankfurter Defensive um Da Costa, Hinteregger und Tuta gelingt den erlahmten „Büffeln“ nichts und hinten gibt es genug Wackler, um der Eintracht einen 2:0-Sieg im Borussia-Park zu ermöglichen.

Uwe Pirl: Es treffen zwei Mannschaften aufeinander, deren eine in den letzten Spielen nach einem Rückstand regelmäßig auseinandergebrochen ist, wohingegen die andere Spiele spektakulär dreht. Noch Fragen? 2:0 für Frankfurt.

Michael Heinen: Im Fußball ist fast alles möglich. Also auch ein Sieg der völlig verunsicherten Fohlen gegen formstarke Adler. Die Realität wird aber aller Voraussicht nach anders aussehen. Nach der erneuten 1:4-Niederlage taumelt Borussia einem traurigen Weihnachtsfest entgegen.

Claus-Dieter Mayer: Zumindest der Einsatz stimmt diesmal bei der Borussia. In einem hektischen und zerfahrenem Spiel gibt es ein glückliches 1:1, dass anschließend wie die Meisterschaft gefeiert wird.

Thomas Häcki: Mit bissigem Anrennen kann ein 4:1 Erfolg gesichert werden - leider für den Gast.