Vor dem ersten 20er-Jahre-Heimspiel im Borussia-Park hat sich die Mannschaft mit der schwachen Vorstellung in Gelsenkirchen gehörig unter Druck gesetzt. Ein weiterer Patzer und die noch zu Jahresbeginn vorherrschende Euphorie und Vorfreude würde endgültig der Angst weichen, ein ähnliches Schicksal zu erleiden wie im vergangenen Jahr. Damals war es ab dem vierten Spiel des neuen Jahres rapide bergab gegangen und statt dem Erreichen der Königsklasse konnte mit viel Müh und Not noch soeben ein Platz in der Europa League ergattert werden. Im Nachhinein betrachtet ein ziemlicher Pyrrhus-Erfolg. Sollte sich die Geschichte wiederholen, würde es nicht zuletzt aufgrund des teilweise peinlichen Auftretens in Europa noch weit schwerer fallen als im Vorjahr, einen 5. oder 6. Platz als Saisonerfolg zu verkaufen.

Ein souveräner Sieg gegen Mainz wäre wichtig, um dem Eindruck entgegenzutreten, dass sich die Mannschaft vielleicht sogar schon mitten in einer Krise befindet. Seit der Heimniederlage gegen Basaksehir hat Borussia kein überzeugendes Spiel mehr abgeliefert. Aus den Spielen bei den Durchschnittsteams aus Wolfsburg, Berlin und Gelsenkirchen gab es lediglich einen Punkt und selbst beim 2:0-Erfolg über Paderborn war die Leistung sehr mager. Immerhin gab es dort aber den siebten Bundesliga-Heimsieg in Folge, was sich gegen den Tabellen-15. unter normalen Umständen fortsetzen sollte. Dass die Mannschaft deutlich mehr kann, hat sie in den ersten Monaten dieser Saison zigfach unter Beweis gestellt und Marco Rose sollte bessere Antworten parat haben als zuvor Dieter Hecking, um den Negativtrend aufzuhalten bzw. zu verhindern.

Die Mainzer warten seit sieben Spielen auf einen Erfolg gegen Gladbach, weisen somit eine ähnliche Bilanz auf wie zuletzt die Schalker. Dafür ist die Saisonbilanz des Karnevalvereins deutlich besser als die der Mainzer. Unter deren neuen Trainer Achim Beierlorzer gab es anfangs zwar ein kleines Strohfeuer, das aber schon lange wieder verglüht ist. Vier der letzten fünf Spiele gingen verloren, so wie zuletzt beim 1:2 gegen den SC Freiburg. Die einzige Ausnahme hatte es allerdings in sich, als Werder Bremen kurz vor Weihnachten mit 5:0 aus dem eigenen Stadion gekegelt wurde. Auf diese Partie wird Marco Rose sein Team ganz besonders hinweisen, um zu verdeutlichen, dass auch dieser Gegner ernstzunehmen ist. Ganz besonders dann, wenn die Mannschaft so ideen- und harmlos auftritt wie zuletzt.

Gegen Schalke griff Rose taktisch gehörig daneben, indem er Jonas Hofmann zunächst überhaupt einsetzte und dann auch noch in der zweiten Halbzeit als alleinigen Sechser positionierte. Damit war der Ex-Dortmunder massiv überfordert und nicht wenige Beobachter stellen sich die Frage, wieso er den Vorzug erhielt, obwohl mit Stindl, Benes, Neuhaus und Kramer mindestens vier bessere Mittelfeldspieler auf der Bank saßen.

Es wäre aber unfair, die Niederlage allein an einem Spieler festzumachen, der schon deutlich bessere Spiele im Borussen-Dress abgeliefert hat. Ähnliches gilt für die gleichermaßen viel kritisierten Breel Embolo und Oscar Wendt, deren zweifelsohne sehr schwache Leistung am vergangenen Freitag besonders breit diskutiert wurde.

Zumindest der Schwede sollte seinen Platz in der Startelf trotzdem sicher haben, da die Alternativen in der Abwehr rar sind. Ramy Bensebaini und Tony Jantschke fallen verletzungsbedingt aus, während Stefan Lainer eine Gelbsperre absitzt. Die Chance also für ein Talent wie Jordan Beyer, wenn der nicht gerade in Hamburg unterwegs wäre… So unglücklich der gleichzeitige Ausfall von drei Abwehrspielern ist: Borussia wird diese Konstellation bei der Beyer-Leihe bedacht und sich entschieden haben, dass man mit den Routiniers Fabian Johnson und Tobias Strobl im Notfall ähnlich gut aufgestellt ist. Einer der beiden wird daher in den Kader rutschen. Johnson könnte die vakante Position des Rechtsverteidigers in einer Viererkette deckungsgleich ausfüllen. Strobl wäre ein Kandidat, sofern sich Rose für eine Umstellung auf Dreierkette entscheidet. Da gegen die Mainzer aber ein Übergewicht im Mittelfeld sinnvoll sein wird, um die eigene Überlegenheit auszuspielen, spricht vieles für einen Einsatz des offensivstarken Johnson.

Ein paar Worte seien mir noch zu „Chef-Sündenbock“ Oscar Wendt gestattet, der zweifelsohne schon bessere Zeiten im Borussia-Dress erlebt hat. Im direkten Vergleich hat sich Bensebaini zuletzt als stärkere Option erwiesen. Bei aller berechtigter Kritik sollte aber nicht vergessen werden, dass der Schwede seit 2011 nahezu durchgängig Stammspieler in Borussias bester Phase seit den 1970er-Jahren gewesen ist und dabei einen wesentlichen Beitrag zu den Erfolgen geleistet hat. Dass er mit seinen inzwischen 34 Jahren nicht mehr unbedingt an Schnelligkeit hinzugewinnt und eine Vertragsverlängerung über den Sommer hinaus derzeit wenig wahrscheinlich erscheint, ist die eine Sache. Ihm jetzt aber jede Qualität abzusprechen, in der ersatzgeschwächten Mannschaft für ein paar weitere Spiele auszuhelfen, wird ihm nicht gerecht. Dass ein Oscar Wendt immer noch eine zusätzliche defensive Absicherung benötigt, wissen Borussias Trainer seit Jahren und hat sie nie davon abgehalten, ihn meist doch aufzustellen.

In der Offensive sollte Lars Stindl wieder in die Startelf zurückkehren. Ob zudem Neuhaus, Hofmann oder Benes spielen und ob vorne Plea, Herrmann oder Embolo, das wird zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht sogar Marco Rose selbst noch gar nicht wissen. Ihm muss es jetzt gelingen, so schnell wie möglich die optimale Mischung zu finden oder zumindest ein Grundgerüst an Spielern, die anschließend den Stamm bilden und so den Vorteil einer eingespielten Einheit ausnutzen. Aus Gelsenkirchen konnte er zumindest die Lehre mitnehmen, dass die dort gewählte Mischung nicht die richtige war.

Da geht es Kollege Beierlorzer nicht anders, der die defensiven Schwächen seines Teams bislang nicht so recht in den Griff bekommt. Mit 41 Gegentoren hat Mainz gemeinsam mit Werder Bremen die schwächste Defensive der Liga und zudem einen negativen Vereinsrekord aufgestellt. Schuld daran sind ständige Patzer wie zuletzt von den Innenverteidigern Hack und Niakhaté. Hinzu kommt, dass mit Fernandes (verletzt) und Kunde (Gelbsperre) zwei defensive Mittelfeldspieler ausfallen. Neben Baku könnte daher der wiedergenesene Kapitän Danny Latza in die Startelf zurückkehren. Es ist aber auch vorstellbar, dass ein gelernter Innenverteidiger, wie Jeremiah St. Juste, die Position einnimmt. Auf rechts ist der Versuch mit dem 21jährigen Ronael Pierre-Gabriel beim 1:2 gegen Freiburg gescheitert, sodass dort mit einer Rückkehr von Routinier Daniel Brosinski zu rechnen ist.

Borussia muss es gelingen, von Anfang an seine Überlegenheit deutlich zu machen und den Gegner so sehr unter Druck zu setzen, dass es zwangsläufig zu Chancen und dann auch Toren führen muss. Gleichzeitig wird man aber aufpassen müssen auf die deutlich besser besetzte Offensivabteilung, und dort speziell auf die hängende Spitze Robin Quaison – mit sieben Treffern bester Mainzer Torschütze – sowie auf Stoßstürmer Jean-Philippe Mateta. Dieser spielte noch im vergangenen Jahr bei der Europameisterschaft gemeinsam mit Marcus Thuram in der französischen U21, verletzte sich dann aber zur Jahresmitte am Knie, sodass er vergangenen Samstag erst sein viertes Saison-Spiel absolvierte, dabei aber bereits zum zweiten Mal traf. Dies darf Borussia aber nicht davon abhalten, selbstbewusst in die Partie zu gehen und den achten Bundesliga-Heimsieg in Folge anzustreben.

 

Borussia: Sommer – Johnson, Ginter, Elvedi, Wendt – Zakaria, Neuhaus – Stindl – Herrmann, Embolo, Thuram

Mainz: Zentner – Brosinski, Niakhaté, Hack, Aaron – Baku, St. Juste – Öztunali, Boetius, Quaison – Mateta

 

Seitenwahl-Tipps

Michael Heinen: Ein Selbstläufer wird es nicht. Ein Pflichtsieg schon. Borussia gewinnt mit 2:1 und kann sich fürs erste weiter oben festsetzen.

Christian Spoo: Auf dem Weg nach unten ist Mainz ein Gegner, den man trotzdem schlagen kann. Borussia tut sich zwar schwer, geht aber mit einem 2:1 als Sieger vom Platz.

Claus-Dieter Mayer: Auch gegen Mainz tut sich die Borussia schwer. Nach dem 1:1 hört man zum ersten Mal seit längerem vereinzelte Pfiffe im Borussia-Park.

Thomas Häcki: Auf eine kalte Dusche folgt ein wärmender Sonnenschein. Die Borussia gewinnt wie im Hinspiel mit 3:1.

Uwe Pirl: Borussia siegt souverän – wenn auch ohne zu viel Glanz – mit 2:0 und vertreibt die Einbruchsängste.

Mike Lukanz: Es wird zäh, es wird mühsam, es wird kein Glanzlicht. Es wird aber trotzdem ein 2:0.