Schalke 04Man kann mal auswärts verlieren. Man kann mal auf Schalke verlieren. Man kann mal bei einer Mannschaft verlieren, die vorher fünf Ligaspiele hintereinander verloren hat. Man kann mal 0:4 verlieren. Man kann mal drei Gegentore in sechs Minuten kassieren. Kann man alles. Mal. Nur: Wenn eine Mannschaft, die zu Hause europaweit gefürchtet ist, ihre Auswärtsschwäche mit der gleichen Vorsehbarkeit abliefert wie populistische Trumpelstilzchen ihre Verbalinjurien, wenn sie immer wieder die gleichen Fehler gemacht und wenn sie nicht gelegentlich, sondern regelmäßig Aufbaugegner für kriselnde Gastgeber ist, dann stapelt Max Eberl mit dem Ziel der Einstelligkeit nicht tief. Dann ist das eine realistische Ambition für eine Mannschaft und ein Trainerteam, die zu wenig und zu wenig nachhaltig dazu lernen.

Wieder einmal fehlte es den Beteiligten an Geduld. Man hatte sich den zwar bemühten, aber spürbar verunsicherten Gegner doch zu Recht gelegt. Der Schalker Anfangselan war verpufft, gegen Ende der ersten Hälfte folgten die ersten Gladbacher Großchancen. Ungeduld dann von der Trainerbank: Vestergaard, vorher Stabilitätsanker in der Dreierkette, musste vom Feld, Stindl sollte das Offensivspiel ankurbeln. Letzteres ließ sich ganz gut an, ersteres barg die zu erwartenden Risiken. Ja, Pech kam dazu: Den Strafstoß hätte sicher nicht jeder Schiedsrichter gepfiffen. Indes: Hart war die Entscheidung, vielleicht zu hart, aber auch Traorés ungeschicktes Einsteigen hatte seinen Anteil. Wichtiger: Eine Spitzenmannschaft muss auf einen unglücklichen Rückstand anders reagieren: mit Geduld und gelassenem Vertrauen in die eigenen Stärken.

Wie in unzähligen Auswärtsspielen aber hatten die Borussen beides nicht. Sofort wollte man den unnötigen Rückstand reparieren, naiv rannte man dem Gegner ins offene Messer. Und das nicht ein-, sondern gleich zweimal. Und das nicht zum ersten Mal. Natürlich wäre es unfair, Mo Dahoud allein in die Pflicht zu nehmen. Symptomatisch aber war es durchaus, dass sein ungestümer Ballverlust im Mittelfeld Ausgangspunkt der endgültigen Entscheidung war. Denn in diesem Mannschaftsteil fehlte die Balance: die Balance zwischen Offensivdrang und Absicherung, aber auch die Balance zwischen dem, was im Erfolg jugendliche Unbekümmertheit und im Misserfolg Unerfahrenheit heißt, und sachlicher Abgebrühtheit. Hier fehlt es auch dem Kader an Balance: Mit dem derzeit verletzten Strobl hat die Borussia zu wenige „no bullshit“-Spieler für die Mittelfeldzentrale.

Das lässt sich frühestens im Winter korrigieren, so dass Mannschaft und Trainer wenig anderes übrig bleiben wird, als den Lernprozess zu beschleunigen, will man doch höhere Ziele avisieren. Denn wieder einmal zeigte sich: Wer auswärts zu viel will, steht zu oft mit leeren Händen da. Dass es hier und da auch mal gut geht, ändert daran nichts. Und gut gehen hätte es auch auf Schalke können: Hätte Traoré sich geschickter angestellt, Sascha Stegemann weniger gastgeberfreundlich gepfiffen oder hätte die Borussia einen ihrer durchaus ansehnlichen Angriffe kurz nach dem Seitenwechsel effektiver ausgespielt, die Partie hätte eine ganz andere Dynamik entwickelt. Dann wäre Borussia jetzt Zweiter, die ersten Medien würden vom Angriff auf die Bayern phantasieren, und Größenwahnsinnige würden das nur halbherzig zurückweisen. Dann würde man sich jetzt für den Mut feiern, mit dem man in der zweiten Hälfte alles auf eine Karte gesetzt habe.

Dass das nun nicht mehr geht, weil diese eine Karte nicht stach, mag man als Glück im Unglück bezeichnen. Ein glücklicher Auswärtssieg hätte die tieferliegende Misere überdeckt. Mit dem 0:4 tritt sie deutlich zutage. Und jetzt haben alle Beteiligten zwei Wochen Zeit, darüber nachzudenken. Und vielleicht doch noch was zu lernen. Man soll die Hoffnung nicht aufgeben.