Desillusionierend! Deprimierend! Unnötig! Das ist wohl bei vielen Fans von Borussia Mönchengladbach das Fazit nach dem Pokalspiel gegen Eintracht Frankfurt. Dabei schmerzt nicht so sehr die Tatsache des Ausscheidens im Elfmeterschießen an sich, sondern der Verlauf dieses Pokalabends vorher, die Art und Weise, wie die Mannschaft nicht nur in der ersten Halbzeit aufgetreten ist.

Gewinnen oder Verlieren im Elfmeterschießen liegt nahe beieinander, ist zum großen Teil Glückssache. Deshalb bringt es wenig, das Elfmeterschießen zu analysieren, in dem ja auch die meisten Gladbacher Schützen mit großer Sicherheit agierten. Allenfalls stellt sich die Frage, ob ein Torwartwechsel kurz vor dem Ende der Verlängerung möglicherweise einen Überraschungseffekt zu unseren Gunsten hätte auslösen können. Andererseits ist Yann Sommer bei aller bekannten Schwäche im Entschärfen von Elfmetern in der Summe ein so herausragend guter Torwart, dass zu verstehen ist, wenn der Trainer jeden auch nur ansatzweise aufkommenden Anschein mangelnden Vertrauens vermeiden möchte.  

Die wahre Ursache für die Niederlage muss man in den 120 Minuten vor dem Elfmeterschießen suchen. Darüber, dass die erste Halbzeit trotz des kurz vor der Pause gelungenen Ausgleichs eine unerklärlich schwache Leistung darstellte, gewissermaßen ein Spiegelbild der ersten 45 Minuten gegen Dortmund, nur auf noch niedrigerem Niveau, sind sich alle Beobachter einig. Beim Blick auf die zweite Halbzeit und die Verlängerung scheiden sich aber die Geister: Vielfach ist hier das Narrativ einer klaren Leistungssteigerung zu lesen, einer Gladbacher Überlegenheit gegen clever verteidigende Frankfurter. Dieses Narrativ beinhaltet den Unterton tragischen Scheiterns trotz bestmöglicher Bemühungen. Ist das wirklich so? Oder ist es nicht eher ein Armutszeugnis, gegen einen Gegner, der nach spätestens 75 Minuten komplett das Spielen einstellt, in 120 Minuten zu einem glücklichen Tor und einer einzigen Halbchance in der gesamten zweiten Halbzeit und der Verlängerung gekommen zu sein? Ist es nicht eine Scheinüberlegenheit, wenn es dem Gegner gelingt, mit einfachem HintenreinstellenunddieRäumeengmachen, jegliche Torgefahr zu ersticken und wenn sich der Betrachter eher fragt, wann den Frankfurtern wohl der Lucky Punch gelingt, anstelle freudiger Erwartung einem Gladbacher Treffer entgegen zu sehen?

Ja, es ist schon richtig, dass Borussia nach der Halbzeit überlegen war. Dennoch sollte man sich das nicht schönreden. Man sollte die Niederlage auch nicht mit Pech, einer zu lockeren Linie des Schiedsrichters, zu wenig Nachspielzeit oder den vielen Verletzten erklären. Sicher ist es richtig, dass mit Kramer, Raffael, Hazard, Jantschke und Johnson mehr drin gewesen wäre. Richtig ist auch, dass die Linie des Schiedsrichters der Frankfurter Spielweise deutlich mehr entgegenkam als der Gladbacher. Echte Fehlentscheidungen sah man jedoch nicht, insbesondere war die leichte und offensichtlich unabsichtliche Berührung von Fabian gegen Schulz keine elfmeterwürdige Situation (gleichzeitig aber auch keine Schwalbe von Schulz, der offensichtlich aus dem Tritt kam, ohne aber gefoult worden zu sein).

Nein, wenn man angesichts des Saisonverlaufs, der in der Art und Weise des Ausscheidens aus dem  DFB-Pokal irgendwie kulminiert, eine ehrliche Bestandsaufnahme macht, kann man nicht mehr verhehlen, dass vollkommen unabhängig von der im Winter beantworteten Trainerfrage weitere grundlegende Defizite bestehen:

Der Mannschaft fehlt es an Mentalität. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen - hier geht es nicht darum, den grundsätzlich positiven Charakter der Mannschaft in Frage zu stellen oder gar zu bezweifeln, dass die Mannschaft alles gibt. Aber außer Lars Stindl und André Hahn (die beide aus unterschiedlichen Gründen momentan nicht wie gewohnt in der Lage sind, Impulse zu setzen) sowie mit Abstrichen den Verletzten Christoph Kramer und Fabian Johnson strahlt kein Spieler im Kader sichtbar den Willen aus, sich auch in emotionalen, kämpferisch geprägten Situationen mit aller Macht wehren zu wollen. Alle anderen wirken brav, eher gemäßigt in ihren Emotionen. Granit Xhaka und Havard Nordtveit verfügten über diese heute vermisste Gabe, dem Gegner auch emotional Gegenwehr zu signalisieren. Vielleicht ist es deshalb gar nicht so sehr die verlorene spielerische Qualität, die den Abgang der beiden Leistungsträger im letzten Sommer so schmerzhaft macht, sondern vielmehr die auf den Rasen gebrachte Attitüde. Bei der Aufstellung der Checkliste für Neuverpflichtungen im Sommer sollte daher das Auswahlkriterium "Kleiner selbstbewusster Drecksack für 90 Minuten auf dem Platz" sehr weit vorn stehen.

Die Mannschaft verfügt mit Raffael nur noch über einen einzigen Spieler im Kader, der beständig seine Nebenleute sichtbar besser macht und der - gerade in Spielen gegen defensiv eingestellte Gegner - in der Lage ist, durch geniale kreative Momente Überraschungseffekte zu erzeugen und damit auch eine sichere, gut organisierte Defensive wie die der Frankfurter am Dienstagabend auszuhebeln. Man mag einwenden, dass auch Stindl, Traoré und Hazard immer wieder solche Momente im Köcher haben. Das stimmt, allerdings bei keinem der Genannten so zuverlässig wie bei Raffael. Und oft genug resultieren diese Momente auch und gerade aus dem Zusammenspiel mit dem Brasilianer. Könnte man also der Checkliste für Neuverpflichtungen im Sommer noch einen Wunsch hinzufügen, so wäre es der nach einem Spieler, der in die Offensivbemühungen der Borussia wieder einen zusätzlichen Schuss Unberechenbarkeit bringt. Ohne Raffael, das zeigen die letzten Wochen, liegt dieser Sektor ziemlich brach.

Kurzfristig - nämlich für das Spiel in Mainz - helfen alle diese Erwägungen nicht weiter. Überbordender Optimismus ist angesichts der Verletztenliste und der psychischen Verfassung der Mannschaft sicherlich nicht angebracht. Andererseits sollte man nun auch nicht den Fehler begehen, die Saison bereits jetzt für beendet zur erklären und als verlorenes Jahr zu deklarieren. Schließlich sind noch vier Spiele zu spielen und mit Glück auf noch etwas zu erreichen, wenn auch nicht mehr aus eigener Kraft.

Die Mainzer Saison Eins nach Heidel verläuft schwierig. Querelen im Vorstand und Mitgliederkreis des Vereins, Diskussionen um die Zuschauerzahlen und die Stimmung im Stadion sowie nach den Abgängen von Geis und Okazaki in 2015, Baumgartlinger im Sommer 2016 und zuletzt auch noch Malli auch ein unübersehbarer sportlicher Qualitätsverlust prägen die Situation. Angesichts dessen können die bisher geholten 33 Punkte mit unmittelbarer Nähe zum Relegationsplatz eigentlich niemanden überraschen. Auf die leichte Schulter nehmen darf diesen Gegner dennoch niemand. Im Gegensatz zu Borussia werden die Mainzer nicht durch Verletzungen von absoluten Leistungsträgern beeinträchtigt, lediglich Cordoba hat "muskuläre Probleme" und wird deshalb wohl eher nur auf der Bank sitzen. Die Nullfünfer werden sich als taktisch disziplinierter Gegner präsentieren, der sowohl die Offensive suchen, jedoch sicher auch die Hilflosigkeit der Gladbacher Offensivbemühungen gegen sehr defensive Gegner registriert haben wird.

 

Denkbare Aufstellungen

Borussia: Sommer - Elvedi, Christensen, Vestergaard, Schulz - Dahoud, Strobl - Traoré, Hofmann - Hahn, Stindl

Mainz: Huth - Donati, Bell, Hack, Brosinski - Frei, Latza - Quaison, Bojan, De Blasis - Muto

 

Der Seitenwahl-Tipp  

Uwe Pirl: Nach drei Rückschlägen in Folge hilft auch das 1:1 Unentschieden in Mainz nicht weiter.

Thomas Häcki: Zwar gibt es noch rechnerische Möglichkeiten für Europa, aber in den Köpfen einiger Spieler scheint die Saison bereits abgehakt. Nicht so bei den Mainzern die im Gegensatz zur Borussia mir Engagement auftreten und vetdient 3:0 gewinnen.

Claus-Dieter Mayer: Die Depression nach dem Pokalaus ist zu gross, der zur Verfügung stehende Kader zu klein und die Mainzer wollen den Sieg einfach mehr, den sie dann mit 2:0 auch einfahren.

Christian Spoo: Borussia ist gebrochen. Die Saison trudelt aus, die 0:2-Niederlage in Mainz ist nicht die letzte.

Michael Heinen: Bei 3 Punkten Rückstand auf Platz 7 und 4 ausstehenden Spielen ist noch alles drin für Borussia. Dafür sollte in Mainz allerdings gewonnen werden. Borussia müht sich redlich, verliert aber am langen Ende unglücklich mit 1:2.