seitenwahl 202310281731 AJ7X3608Vor inzwischen über 25 Jahren galt Borussia in der Saison 1997/98 bereits als sicherer Absteiger. Auf das ernüchternde 0:3 gegen den MSV Duisburg in der Vorwoche folgte am 31. Spieltag ein fulminantes 2:1 beim amtierenden Champions-League-Sieger aus Dortmund. Jörgen Pettersson und Karlheinz Pflipsen schossen bereits in Halbzeit 1 eine 2:0-Führung heraus, ehe der BVB durch Julio Cesar den 2:1-Endstand markierte.

Die Freude ob dieses Erfolgs, der eine historische Aufholjagd und das Wunder von Wolfsburg initiierte, war nur von kurzer Dauer. In der darauffolgenden Saison stieg Borussia sang- und klanglos erstmals aus der Bundesliga ab. Auf Spiele in Dortmund lastet seitdem ein Fluch, denn von den darauffolgenden 23 Partien konnte nur noch eine weitere gewonnen werden. Auch 2014 ging Borussia noch vor dem Seitenwechsel mit 2:0 in Führung und musste später nur noch das 1:2 hinnehmen.

An diesem Wochenende war Borussia einem ähnlichen Coup so nah wie selten zuvor im letzten Vierteljahrhundert. Wie 1998 und 2014 ging Borussia 2023 in Halbzeit 1 mit 2:0 in Führung. Hochverdient dazu, denn die Gastgeber wirkten verunsichert, während die Fohlenelf ihr Selbstbewusstsein aus den letzten vier erfolgreichen Spielen über die Länderspielpause gerettet hatte. 30 Minuten lang knüpfte die Elf von Gerardo Seoane nahtlos an den überragenden Auftritt gegen den VfL Wolfsburg an.

seitenwahl 202310281655 IMG 6108Dann aber wurde Manu Koné an der gegnerischen Strafraumgrenze von Marco Reus unsauber getackelt. Es entpuppte sich ein Gegenangriff, der die Partie in eine völlig andere Richtung lenkte. Spätestens das 2:2 war ein Wirkungstreffer, der Borussias Selbstbewusstsein nachhaltig erschütterte. Von den zielstrebigen Angriffen der ersten halben Stunde war bis weit in die 2. Halbzeit hinein nichts mehr zu sehen. Stattdessen übernahm der BVB zunehmend die Spielkontrolle und kurz vor der Halbzeit durch einen Abseitstreffer die Führung.

Nach gut einer Stunde Spielzeit tat der BVB das, was viele Fans der Borussia bei eigener Führung oft vorwerfen: Sie verwalteten das Ergebnis in einer fortan ereignisarmen Partie. Die Einwechselungen von Cvancara, Ngoumou, Neuhaus und Hack verpufften wirkungslos. Die meiste Belebung brachte noch Christoph Kramer, der in der Nachspielzeit die größte, weil einzige Chance auf den Ausgleich kläglich vergab.

Insgesamt war die Leistung in der letzten Stunde zu schwach und die Niederlage unter dem Strich somit verdient gegen eine Aktiengesellschaft mit deutlich größeren Finanzmitteln. Die Leistung der ersten halben Stunde deutete aber – wie schon der Auftritt gegen Leipzig – an, dass Borussia selbst gegen die Top-Klubs der Liga weiterhin mithalten und mit Glück etwas holen kann. Anders als im Vorjahr deutet die Mannschaft eine Geschlossenheit an, die auf eine bessere Zukunft hoffen lässt. Sie macht aber weiterhin zu viele Fehler und bringt sich somit um eine bessere Ausgangslage. 13 Punkte nach 12 Spielen sind nüchtern betrachtet unterdurchschnittlich und enttäuschend. Es wäre so viel mehr möglich, wenn die Mannschaft etwas abgeklärter agieren könnte. Zum dritten Mal in dieser Saison reichte ein Vorsprung von zwei Toren nicht zu einem Sieg. In zwei weiteren Partien konnte eine 1:0-Führung nicht ins Ziel gerettet werden. Insgesamt 12 Punkte wurden auf diese Weise verspielt.  

seitenwahl 202310281547 IMG 5621Es ist keine Schande, gegen einen ins Rollen kommenden BVB zu verlieren. Wenn man diesen Gegner aber lange Zeit beherrscht und verdient mit 2:0 in Führung geht, darf man sich nicht zwei Minuten später derart plump auskontern lassen. Wenn Manu Koné in dieser Phase offensiv agieren möchte, muss er dies zum einen vorsichtiger tun und zum anderen von seinen Kollegen entsprechend abgesichert werden. Fehlpässe, wie vom Franzosen vor dem 2:3 oder später von Julian Weigl, sind zudem in der Bundesliga unverzeihlich. Die Folge aus diesen regelmäßigen individuellen Aussetzern: In jedem zweiten Bundesligaspiel kassiert Borussia drei oder mehr Treffer. Nur Darmstadt 98 hat in der Bundesliga mehr Gegentore aufzuweisen als Borussia.

Positiv dagegen sind die 25 eigenen Tore der aktuell fünftbesten Offensive der Liga. Den Abgang von Thuram, Hofmann, Stindl und Bensebaini hat Borussia bislang hervorragend kompensiert. Dies ist insbesondere dem Formanstieg von Alassane Plea zu verdanken, aber auch den bislang gut eingeschlagenen Neuzugängen Cvancara und Jordan, wenngleich die beiden in Dortmund einen schwachen Tag erwischten.

Die besten Borussen in Dortmund waren dagegen die beiden Gewinner der bisherigen Saison. Zu Saisonbeginn hätten die wenigsten mit einer solchen Leistungsexplosion von Rocco Reitz und Moritz Nicolas gerechnet, die beide nicht mehr aus der Mannschaft wegzudenken sind.

Nicht zuletzt aufgrund solcher Entwicklungen ist die Stimmungslage im Umfeld trotz der Niederlage in Dortmund relativ gut. Das Tabellenbild ist aber immer noch so wacklig, dass dies schon bei ein bis zwei schwächeren Spielen schnell wieder kippen könnte. Borussia muss daher weiter hart daran arbeiten, um an die guten Auftritte der letzten Wochen anzuknüpfen und aus den Fehlern in der Defensive und bei der Spielkontrolle nach Führungen zu lernen. Wenn dies gelingt, sollte sich in den kommenden Wochen auch das Tabellenbild und Punktekonto bessern und für ein besinnliches Weihnachtsfest sorgen können.