wolfsburg neuDas ist die Bilanz von Borussia Mönchengladbach nach dem Abschnitt der Saison, von dem man gemeinhin sagt, man könne erst nach dessen Ende eine solide Tendenz für die laufende Saison erkennen und eine Bewertung der Transferarbeit vornehmen. 10 Spiele, 10 Punkte, diese Bilanz klingt nach etwas weniger als Mittelmaß, würde man damit hochgerechnet auf 34 Spieltage doch nur 34 Punkte erreichen, also deutlich weniger als die immer wieder genannten 40, die sicher für den Klassenerhalt reichen. Noch weniger gut lesen sich die bisher 23 Gegentore, hochgerechnet auf 34 Spieltage sind das derer 78, was eine verheerende Bilanz wäre. Wie fällt also die Einschätzung nach 10 Spielen aus? Nun ja, zwiespältig, denke ich. Dass es nach dem Umbruch im Kader und auf der Trainerbank ruckeln würde, war wohl allen klar. Ebenso war dem Verein und dem Umfeld bewusst, dass man im besten Fall die Qualität der Abgänge gegen Perspektive und deutlich willensstärkere Charaktere getauscht hat, dass diese Neuausrichtung aber auch das Risiko des Scheiterns beinhaltet, weil viele Neuzugänge neu in der Bundesliga sind und nicht dem Goldstandard an Talent entsprechen, an den man sich in Mönchengladbach mit Namen wie Xhaka, Thuram, Zakaria etc. gewöhnt hatte.

Einerseits kann man die Neuzugänge und die Arbeit des Trainers positiv beurteilen: In der Abwehr ist Wöber ist unangefochtener Stammspieler und bringt auch die Robustheit und Präsenz mit, die der Abwehr in den letzten Jahren mit ihrer gefühlten Bravheit gefehlt hat. Chiarodia tastet sich über Kurzeinsätze heran und macht Erfahrungen. Ein klarer Lichtblick ist auch Moritz Nicolas, der den verletzten Omlin bisher stark vertritt. Im Mittelfeld sind die Standards von Honorat unentbehrlich geworden, im Spiel selbst ist dieser allerdings oft ein bisschen unsichtbar. Hier ist die Entdeckung der Saison nur ein halber Neuzugang – schön, dass Rocco Reitz den Durchbruch zu schaffen schein. Robin Hack sorgt nach seinen Einwechslungen meist für deutliche Belebung, das ist mehr, als viele von einem nicht mehr ganz jungen „Zweitligaabsteiger“ erwartet hatten. Vorne legte Cvancara los wie die Feuerwehr, wurde allerdings zuletzt von Verletzungen arg gebremst. Jordan als Nachverpflichtung war deshalb Gold wert und bewies seine Eignung vor allem in den letzten Spielen, ehe er selbst durch eine Muskelverletzung lahmgelegt wurde. Ranos ist bisher mangels Einsatzminuten nicht zu beurteilen.

Der Trainer macht den Eindruck, eine Idee davon zu haben, wie die Mannschaft spielen soll, ohne diese so wortreich zu erklären wie sein Vorgänger. Erfreulicherweise setzt er auf junge Spieler und gibt diesen Einsatzchancen.

Andererseits ist es erstaunlich, wie instabil sich das Konstrukt nach wie vor präsentiert. Perfekte Beispiele hierfür sind die drei torreichen Unentschieden in Augsburg, Darmstadt und Freiburg, in denen jeweils eine Halbzeit souverän gespielt und eine Halbzeit völlig verschenkt wurde. Ähnliches spielte sich auch gegen Ende des ersten Heidenheim-Spiels ab, als man sich darauf beschränkte, das Ergebnis mauernd über die Zeit bringen zu wollen, ohne auch nur den Versuch zu starten, mal einen Konter ins Ziel zu bringen. Unschön auch die beiden ziemlich leblosen Auftritte gegen Mainz und Köln. Weniger dramatisch darf man dagegen die bisweilen herbeigeredete Heimschwäche sehen, waren doch in der Phase der fehlenden Heimsiege mit Bayern, Leverkusen und Fuschl am See drei der stärksten Teams der Bundesliga zu Gast.

So ist auch nach 10 Spielen nicht klar, wo die Reise hingeht. Ein paar Siege würden Borussia Mönchengladbach ins gesicherte Mittelfeld bringen, eine Niederlagenserie würde beinharten Abstiegskampf bedeuten.

Glücklicherweise geht es dem kommenden Gegner aus Wolfsburg auch nicht anders. Der baute nach eigentlich gutem Start im Oktober mit Niederlagen in Stuttgart und Augsburg sowie daheim gegen Leverkusen deutlich ab, auch das 2:2 gegen Bremen zuletzt wird die Betriebssportgemeinschaft der VW-Werke nicht sonderlich zufriedengestellt haben. Platz 9 mit 13 Punkten und schon einem deutlichen Abstand nach vorn ist sicherlich weniger, als man sich in der Autostadt vorgestellt hat. Zuletzt knirschte es im Verhältnis zwischen dem Trainer und seinem Kapitän, nachdem Maximilian Arnold die letzten Spiele vermehrt auf der Bank verbringen durfte und Gesprächsbedarf mit Kovac hatte. Die Mannschaft präsentiert sich im Verlauf der bisherigen Saison in der Breite erstaunlich torungefährlich, ohne die 8 Tore von Jonas Wind sähe die Bilanz vermutlich deutlich schlechter aus. Wolfsburg fehlen mit Lacoix, Wimmer und Nmecha drei wichtige Spieler, man kann dies aus dem breiten Kader aber leicht kompensieren. Demgegenüber wird Koen Casteels, der die letzten drei Spiele fehlte, in den Kader zurückkehren.

Bei der Borussia fehlen Omlin, Jordan und Itakura, Manu Koné darf nach seiner Sperre wieder ran und wird höchstwahrscheinlich auch in der Startelf stehen. Wöber wackelte unter der Woche, wird aber wohl spielen können. Offen ist, ob man mit Dreier- oder Viererkette agiert – die Spieler sind dieselben, bei einer Dreierkette würden aber Netz und Honorat als Schienenspieler agieren, während bei einer Viererkette Netz einen klassischen Linksverteidiger spielen müsste. Im Mittelfeld könnte man eher defensiv mit Weigl, Reitz und Koné agieren, es kann aber auch sein, dass Reitz auf die Bank muss und man mit Neuhaus mehr auf Kreativspiel setzen wird. Im Angriff startet Cvancara für den verletzten Jordan, Plea ist ohnehin gesetzt.

Mit einem Heimsieg gegen Wolfsburg bietet sich Borussia die Gelegenheit, sich im Tabellenmittelfeld festzusetzen und vor allem dem Gerede von der Heimschwäche nachhaltig ein Ende zu setzen. Beides wäre ein weiterer Schritt in Richtung Stabilität.

Der SEITENWAHL-Tipp:

Uwe Pirl: Endlich mal ein souveräner Sieg. 3:1 für Gladbach, und das ohne Zittern.

Michael Heinen: In den 1990er Jahren waren Spiele gegen Wolfsburg fast immer etwas Besonderes. Dagegen verläuft das 2:2 an diesem Freitagabend relativ unspektakulär.

Christian Spoo: Borussia könnte einen Schritt unten raus machen und mit Wolfsburg gleichziehen. Leider macht Borussia stattdessen einen Schritt zurück und Wolfsburg zieht durch einen 3:1-Auswärtssieg auf und davon.

Claus-Dieter Mayer: War Wolfsburg so schwach oder hat die Borussia jetzt einen ganz wichtigen Schritt in ihrer Entwicklung gemacht? Die Experten sind sich nach dem Spiel nicht ganz einig, wie sie den Gladbacher 3:0 Sieg bewerten sollen, aber die 3 Punkte hieven die Borussia zunächst mal ins gesicherte Mittelfeld der Liga.

Michael Oehm: Ohne Zittern geht nichts, aber das 3-2 lässt dann doch erst einmal wieder aufatmen.

Thomas Häcki: Nach dem 3:3 nähert sich die Borussia der Torquote von 96:102