Am Samstag darf die Borussia auswärts bei einem ganz besonderen Verein antreten. Zumindest, wenn man dem Verein selbst Glauben schenken mag. Der hat nämlich unter dem Titel “Arbeit-Fußball-Leidenschaft” Herkunft und Werte des Vereins definiert und präsentiert diese auf seiner Homepage stolz der nicht allzu interessierten Öffentlichkeit. Es ist nun wirklich ein Bullshit-Bingo aus der Fußballphrasenhölle. Vieles lässt einen einfach nur ratlos zurück. “Wir spielen die perfekte Kombination mit unserer Mutter Volkswagen und können unser Netzwerk nutzen,” heißt es da. Auch nach ehrlichem und heißem Bemühen: Man weiß einfach nicht, was das eigentlich heißen soll. “Wir wollen Fußball über die 90 Minuten auf dem Platz hinaus entwickeln.” Aha. Vielleicht neue Regeln erfinden oder so. Oder gute alte Regeln kaputtmachen vielleicht. “Wir sind immer neugierig auf Neues.” Toll, Neugierde klingt natürlich immer gut. So frisch und jugendlich. Apropos: “Wir sind ein junger Verein in einer jungen Stadt und schauen immer nach vorne – Tradition ist, woher wir kommen.” Naja, wenn es darum geht, woher dieses Wolfsburg kommt, dann kann man schon verstehen, warum man lieber nicht zurückschaut. Aber natürlich muss man das Wort “Tradition” noch unterbringen, auch wenn man lieber nicht zu Ende denken mag, was “woher wir kommen” angesichts der Stadtgeschichte Wolfburgs letztlich eigentlich bedeuten würde, nähme man diesen Webseite gewordenen Minderwertigskeitskomplex ernst.  

Immerhin, da steht auch ein wahrer Satz: “[D]er Weg des VfL wäre ohne die erfolgreiche Partnerschaft mit Volkswagen kaum vorstellbar.” Das ließe sich noch prägnanter fassen: Es ist überhaupt nicht vorstellbar, dass ein solcher Klub ohne die Millionen des VW-Konzerns in der Bundesliga existieren könnte. Nichts Schlechtes, wenn man dem VFL glaubt: “Mit dieser einmaligen Kombination von Stadt, Werk und Verein unterscheiden wir uns von anderen Bundesligisten, deren DNA häufig von der Kombination aus Stadt und Verein geprägt wird.” Viel cooler also als die anderen doofen Vereine, die einfach ohne ein Werk im Rücken agieren, weil sie die total langweilige Durchschnitts-DNA haben, aber nicht so der VfL aus Wolfsburg. Der hat was völlig Einmaliges in der Bundesliga. Also, wenn man mal von den anderen drei Vereinen absieht, die da nur rumturnen, weil sie von einem potenten Konzern mit Geld zugeschüttet werden.  

Schön aber ist, dass man das viele Geld dann immerhin über weite Strecken so sinnfrei zu verbraten weiß, dass man trotz eines richtig teuren Kaders im bisherigen Saisonverlauf mit sehr bescheidenem Erfolg unterwegs ist. Niko Kovac, der Mann mit dem verstörenden Grinsen und angetreten mit dem Anspruch, den Platz in der Ausgabentabelle (Platz 4 beim Personalaufwand) auch in der sportlichen Tabelle einzunehmen, musste schnell kleinere Brötchen backen und zeigte sich zuletzt nach einem 1:1 bei biederen Augsburgern schon zufrieden, vielleicht auch, weil der Trend insgesamt zuletzt nach oben wies. Die Querelen um die Suspendierung von Max Bennet Kruse haben sich etwas gelegt, auch weil dieser zurzeit verletzt an seinem sportlichen Comeback “in einer Reha arbeitet”, oder sich shisharauchend und urlaubend geschmacklose Protzkarren klauen lässt, wenn ich die Schlagzeilen des Boulevards richtig deute. Auch bei den Verletzungen tut sich etwas: Jonas Wind, an den man vom letzten Aufeinandertreffen noch ungute Erinnerungen hat, kehrt wohl auf den Platz zurück, der neulich schon zurückgekehrte Lukas Nmecha ist eine Woche weiter im Genesungsprozess und damit noch eine Alternative für das ansonsten schwächelnde offensive Personal des Autostadtvereins, denn: Eigentlich hoch veranlagte Kicker wie Luca Waldschmidt und Maximilian Phillipp haben bei Kovac einen schweren Stand; es gibt also Grund zur Hoffnung, dass sie ihr Potential weiterhin nicht abrufen können.  

Ansonsten wird Kovac vermutlich wieder auf das defensive Personal der Vorwochen zurückgreifen: Vor Torwart Casteels wird eine Viererkette aus Baku, Lacroix, van den Veen und Paulo Otavio verteidigen, vor denen auf der Sechs mit Arnold ein Spieler agiert, den man sich in einer ganzen Reihe interessanterer Mannschaften hätte vorstellen können und der – durchaus als Kompliment gemeint – ein höchst unangenehmer und mit allen Wassern gewaschener Gegenspieler ist. Schade, dass das Geld in Wolfsburg reichte, ihm alle Ambitionen auf einen Platz in einem richtigen Fußballklub auszutreiben.  

Blicken wir aber auf das Personal bei der Borussia. Der steht mit dem Pokalspiel in der kommenden Woche eine englische Woche bevor. Findige Journalisten kämen da bestimmt auf die Idee, den englanderfahrenen Trainer Daniel Farke nach seinem Geheimrezept für Aufstellungen in englischen Wochen zu fragen. Kurz in die PK reingezappt und natürlich kommt die Frage. Geheimrezept: Er hält nichts davon, wegen einer englischen Woche großartig an Aufstellungen rumzuschrauben.

Also werden sich die Änderungen in Grenzen halten, wie Farke weiterhin auf der PK verkündete: Der Anfang der Woche angeschlagene Koné wird wohl mitwirken können. Bei Scally besteht nur noch ein “kleines Fragezeichen”, das scheint mir übrigens in weiten Fankreisen anders zu sein, wo man sich eine Pause für Scally vorstellen könnte. Allerdings sah Lainer bei seiner Einwechslung gegen den Äffzeh auch nicht gerade so aus, dass man seinen Einsatz in der Startelf als alternativlos bezeichnen könnte. Also wird auch in der Viererkette alles beim Alten bleiben, wie auch weitgehend davor, nur Kramer wird wohl nicht spielen können; er verdient sich folgerichtig ein “großes Fragezeichen”. Die naheliegendste Lösung wäre wohl ein Startelfeinsatz von Plea und Verschiebung von Stindl auf die Kramerposition. Aber da ließ sich Farke noch nichts entlocken. Nicht mal ein verstörendes Grinsen. Und das ist auch gut so.  

Seitenwahl-Tipps:

Michael Heinen: Der Wolfsburg-Fluch wurde im Vorjahr besiegt. Jetzt ist es Zeit, eine Positivserie zu starten. Ohne Max Kruse haben die Wölfe gegen die Fohlen keine Chance und verlieren mit 1:2.

Christian Spoo: Borussia kann in Wolfsburg gewinnen, bringt die 1:0-Führung aber nicht ins Ziel. Am Ende steht eine aus Gladbacher Sicht unglückliche Punkteteilung.

Michael Oehm: Ein konzentrierter Vortrag muss her und die Mannschaft muss beweisen, dass sie auch auswärts über 90 Minuten bestehen kann. Gegen Darmstadt wird ihr das auch gelingen. In Wolfsburg aber noch nicht. 0-2.