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Unter einer Momentaufnahme wird das Festhalten einer kurzen Zeitspanne, eines Augenblicks oder eines besonderen Moments verstanden. Für die kommenden zwei Wochen dürfen sich Borussias Fans über viele solch besonderer Momente freuen, nämlich jedes Mal wenn sie auf die Bundesliga-Tabelle schauen und dort ihren Verein auf dem 2. Platz vorfinden – drei Punkte sowie einige (vermeintlich unwichtige) Tore vor dem einst so großen FC Bayern München. Im Fußball wird mit dem Begriff meist noch zusätzlich ausgedrückt, dass der temporäre Erfolg nicht zwingend als dauerhaft erwartet wird. Dies wird sich bei Borussia erst im Laufe der kommenden Monate herausstellen. In einem Punkt irrte Dieter Hecking aber in der Pressekonferenz vor dem Bremen-Spiel: Der Gebrauch des Wortes „Momentaufnahme“ soll in keiner Weise ausdrücken, dass die derzeitige Platzierung unverdient ist. Seine Mannschaft hat sich jeden der bislang 23 Punkte und damit auch den 2. Platz redlich verdient und spielt bislang nach den Dortmundern die unstrittig stärkste Saison aller Bundesligisten.

Auch der 3:1-Erfolg im Weserstadion war hoch verdient, selbst wenn die Partie einen anderen Verlauf hätte nehmen können, wenn Klaassen oder Kruse ihre jeweilige Großchance genutzt hätten. Doch nicht nur Lothar Matthäus weiß: Der Konjunktiv ist nirgends so wenig wert wie beim Fußball. Borussia präsentierte sich am Samstag insgesamt besser und reifer als ihr (kampf-)starker Konkurrent, der sich selbst nach dem 0:3-Rückstand nie aufgab und dem ein Comeback durchaus zuzutrauen gewesen wäre. In der Phase nach dem 1:3 wackelte die Fohlenelf für ein paar Minuten, was dem Alles-oder-Nichts-Sturmlauf der Gastgeber geschuldet war. Wichtig war, dass die Mannschaft in dieser Phase die Ruhe bewahrt hat und nach einigen Minuten die sich bietenden Räume zu eigenen Kontern zu nutzen verstand.

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Um einen Namen kommt man bei der Nachbetrachtung dieses Spiels auf keinen Fall herum: Zweifelsohne lieferte Oscar Wendt eine überragende Vorstellung ab, nicht nur wegen seiner überragenden Rettungstat in Halbzeit 1, die einen frühen Rückstand verhinderte sowie der brillanten Vorlage zum 3:0. Ohnehin ist es an der Zeit, den Beitrag einiger in Fankreisen umstrittener Persönlichkeit an dieser schönen Momentaufnahme zu würdigen. Neben dem Schweden ist z. B. Tobias Strobl zu nennen, der die 6er-Rolle humorloser interpretiert als Konkurrent Christoph Kramer. Mit seiner nüchternen Art trägt er aber in den letzten Wochen erheblich zur Stabilität bei – 13 Gegentore in 11 Bundesliga-Partien sind auch für die Defensive eine sehr ordentliche Quote.

Jonas Hofmann spielte in Bremen nicht ganz so auffällig wie in den Spielen zuvor. Es ist aber ein Zeichen für seine Extraklasse in den vergangenen Monaten, dass er von Joachim Löw nicht zur Nationalmannschaft berufen wurde.

Zu guter Letzt ist auch der Trainer nicht außer Acht zu lassen, der seine angekündigte Chance genutzt hat, aus einem auskurierten und entscheidend verbesserten Kader jetzt endlich das Optimum herauszuholen. Ihm jetzt vorzuhalten, dies habe er einzig dem neuen Strafraumstürmer und der geringen Zahl an Verletzten zu verdanken, ist genauso unredlich wie es wäre, das Abschneiden der Vorsaison allein auf die umgekehrte Situation zu reduzieren.

Die Mannschaft ist in dieser Saison so hochkarätig und ausgewogen aufgestellt, dass ihr auch für den restlichen Saisonverlauf einiges zuzutrauen ist. Die Spiele in Bremen und München haben gezeigt, dass sie sich gegen starke Gegner zu behaupten wissen – dies ist mit Blick auf die bevorstehenden Auswärtspartien in Leipzig, Hoffenheim und Dortmund sehr viel wert. Gleichzeitig wiesen die Heimspiele gegen Mainz und Düsseldorf – mal eindrucksvoll, mal etwas holprig – nach, dass die Mannschaft ebenfalls in der Lage ist, die vermeintlich einfachen Partien konzentriert und geduldig anzugehen – dies macht mit Blick auf die bevorstehenden Heimauftritte gegen Hannover, Stuttgart und Nürnberg Mut.

Dass all diese Spiele aber keine Selbstläufer werden, die Borussia mit 80 % Einsatz wird für sich entscheiden können, das sollte jedem nach den Erfahrungen aus Freiburg und dem anschließenden Pokalspiel bewusst sein. Wenn die Mannschaft aber weiter so konzentriert und geschlossen arbeitet wie zuletzt, wird sie sich noch lange an dieser ebenso verdienten wie schönen Momentaufnahme erfreuen können. Und falls sie dabei mal etwas schwächelt, hat sie ja immer noch einen Alassane Plea.