Es ist mir zuwider. Es ist mir wirklich zuwider. Ich spreche nicht gern von Männerfußball. Von fehlenden oder vorhandenen Testikeln. Von virilen Tugenden, die auf dem Platz gefragt sind. Ich mag es nicht testosteronstrotzend, ich bewerte Spieler nicht am Verschmutzungsgrad ihrer Trikots, nicht an der Anzahl der Gelben Karten. Ich fordere keinen "echten Drecksack". Ich bevorzuge den feinen Ball, ich schätze meine Spieler mit Köpfchen statt mit Schaum vor dem Mund. Ich gucke gelegentlich Frauenfußball. Es ist ein langer Schatten, über den ich hier springe, aber es muss sein. Ich verachte mich für diese Aussage, aber was soll ich sonst sagen: Borussia hat eine Schwiegersohntruppe ohne Eier. So. Jetzt ist es raus. Der Larifari-Kick von Köln lässt mir keine andere Wahl als meine Prinzipien mal eben über den Haufen zu werfen. So, liebe Borussia, kann man nicht Fußball spielen. Nicht in der Bundesliga. Nicht im Derby. Nicht ein einem für beide Seiten so richtungsweisenden Spiel.

Kann man sagen, dass Borussia die Partie in Köln-Müngersdorf verdient verloren hat? Nein. Dazu war Köln zu schwach, dazu war Borussia zu überlegen. Die Gladbacher hatten das Spiel ja im Griff, kontrollierten Ball und meist auch Gegner. Sie unterließen es aber, aus dieser Kontrolle etwas zählbares zu machen. Zu fast keinem Zeitpunkt hatte man das Gefühl, dass die Spieler etwas erzwingen wollten. Ruhe am Ball ist gut, Geduld ist eine Tugend. Nur Tore schießen Ruhe und Geduld eher selten. Kann man sagen, dass der 1.FC Köln die Partie verdient gewonnen hat. Nein. Aber er hat sich den Sieg verdient. Mit genau dem, was Borussia fehlte. Am Ende wollte der FC den Siegtreffer. Unbedingt. Er wollte ihn offenbar mehr, als Borussia. Bezeichnend die Aktion, die zum letzten Kölner Angriff führte. Einen durchaus vielversprechenden Angriff beendete Thorgan Hazard mit der Hacke. Anstatt sich im Kölner Strafraum festzusetzen, anstatt einen Eckball herauszuholen oder irgend etwas sinnvolles mit dem Ball anzustellen, den er da im Kölner Sechzehnmeterraum am Fuß führte, spielte er ihn blind mit der Hacke in der vergeblichen Hoffnung, einen Mitspieler zu finden. Eine derart überhebliche Aktion zu einem solchen Zeitpunkt in einem solchen Spiel - es fehlen einem die Worte.

Borussia strafte alles Geschwätz Lügen, wonach man auf den Punkt da sein werde, um die Besonderheiten des Derbys wüsste etc.pp. Stattdessen spielte die Mannschaft ihren Stiefel herunter. Ohne Leidenschaft, ohne erkennbaren Willen, etwas zu initiieren. Spielte langsam, einfallslos, laff. Köln hatte es leicht, die Borussen vom Tor wegzuhalten. Im Gegenzug verlor Borussia bei erster Gelegenheit die Beherrschung. Vestergaard ging nach Jojics Freistoß genau so hin, wie die Kollegen sich im Aufbau verhalten hatten. Ohne Leidenschaft, ohne erkennbaren Willen, den Ball vor Sörensen zu erreichen. Langsam. Laff. Was nutzen einem die großen Männer im Zentrum, wenn sie in den entscheidenden Momenten schlafen?

Die Ideenlosigkeit im Spiel nach vorne gibt Anlass zur Frage, warum Raffael erst nach 45 Minuten ran durfte. Thorgan Hazard war im Zentrum verschenkt, Vincenzo Grifo bleibt ein Rätsel. Der Italiener ist kaum eingebunden, seine Unbeschwertheit aus Freiburger Zeiten ist verloren, seine vermeintlichen Stärken bei Standards darf er nicht einbringen - warum auch immer. Als Raffael zur Halbzeit kam, wurde es etwas besser - allerdings spielte auch der Brasilianer viele Fehlpässe, aber immerhin hatte man den Eindruck, dass da jemand ist, von dem mal eine überraschende Aktion ausgehen könnte. Patrick Herrmann war der einzige im Offensivverbund, dem man zumindest den Willen anmerkte, mehr zu spielen als "Ball in den eigenen Reihen halten", ein Spieler, der die anderen mitreißt, ist er allerdings nicht. Auch Denis Zakaria sollte man von der Generalkritik bzgl der fehlenden Leidenschaft ausnehmen, der Mann für den entscheidenden Pass ist er aber (noch) nicht. Zakaria ist nicht Xhaka.

Das geduldige Spiel, soviel soll klargestellt sein, ist nicht grundsätzlich schlecht. Borussia beherrschte diese Disziplin unter Lucien Favre ausgezeichnet. Auch da wurden Angriffe abgebrochen, wurde immer wieder hinternrum gespielt, wenn nach vorne die Ideen fehlten. Nur: Die Ideen fehlten mal, nicht 90 Minuten lang. Irgendwann kam der überraschende Pass in die Lücke, irgendwann packte ein Angreifer den Turbo aus, irgendwann ging es zack, zack, zack durch die gegnerischen Reihen. Und hinten brannte meist nichts an. Das geduldige Spiel von heute ist: Geduldig warten auf die eine Aktion des Gegners, die einem das Genick bricht.

Um in dieser Saison gegen Köln zu gewinnen braucht es kein Wunder. Besser ist Borussia ohnehin. Aber es braucht Willen und Leidenschaft. Es braucht Männer mit Eiern.