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Wer jemals in Wolfsburg umsteigen und sich die Zeit in der lieblos am Reißbrett entworfenen  Innenstadt verkürzen musste, fragt sich unwillkürlich: „Wer braucht diese Stadt?“. Ähnliches fragen sich Fußballfans wenn es um den Bundesligavertreter der niedersächsischen Autostadt geht. Obwohl der VfL Wolfsburg bereits seit 1998 zum festen Inventar der obersten deutschen Spielklasse gehört und eine deutsche Meisterschaft erringen konnte, ist der Werksverein neben Leverkusen und Hoffenheim noch immer ein emotionaler Fremdkörper in der Liga. Da wundert es nicht, dass sich in den letzten Jahren eine gewisse Schadenfreude breit machte, als die Niedersachsen trotz massiver Investitionen ihr Ziel Europa wiederholt deutlich verpassten. Doch diese Saison scheint es anders zu sein. Der VfL etabliert sich im oberen Tabellendrittel.

Betrachtet man einmal die Fakten, kommt die Unbeliebtheit der Wolfsburger natürlich nicht von ungefähr. Die sogenannte „Lex Leverkusen“ ermöglicht den Niedersachsen eine Umgehung der „50+1-Regel“ und somit eine enge Bindung an den Großkonzern Volkswagen AG. Wirtschaftlich muss man sich also keine Sorgen machen – im Gegensatz zu den meisten anderen Profivereinen in Deutschland. Viele sehen in diesem Konstrukt eine Wettbewerbsverzerrung. Und so konnte der Verein auch nach dem Erringen der deutschen Meisterschaft trotz eines sehr attraktiven Spielstils keine Herzen gewinnen. Sportlich fällt der Erfolg allerdings trotz massiver Investitionen in das Spielermaterial ernüchternd aus. Leverkusen konnte in über 30 Jahren national lediglich einen Pokalsieg, Wolfsburg eine Meisterschaft feiern. Und auch der einzige internationale Triumph von Bayer liegt bereits über 25 Jahre zurück. Damit hinkt man deutlich hinter Mannschaften wie Bayern, Dortmund, Bremen oder Stuttgart, die von einem solchen Vorteil nicht profitieren.

Während Leverkusen sich aber wenigsten über die Jahre im oberen Tabellendrittel festgesetzt hat, versank der VfL Wolfsburg im Mittelmaß der Bundesliga. 8-15-8-11: Diese Tabellenplätze konnten für die Niedersachsen nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft nicht zufriedenstellend sein. Doch was sie auch versuchten, der Erfolg lies sich allen Beteuerungen zum Trotz nicht erzwingen. In Wolfsburg kam lange Zeit zusammen, was nicht zusammen passte. Mit der Verpflichtung von Dieter Hecking scheint sich jedoch nun einiges zu ändern. Bereits in der vergangenen Saison spielte man als Sechster eine durchaus passable Rückrunde. Und auch in dieser Saison präsentierten sich die Niedersachsen nach Startschwierigkeiten als eine der besten Verfolgermannschaften auf das derzeitige Führungstrio. Seit nunmehr neun Pflichtspielen (davon acht in der Bundesliga) ist die Mannschaft ungeschlagen. Sechs Bundesligaerfolgen stehen zwei Unentschieden entgegen. Das die letzte Niederlage ausgerechnet zu Hause gegen den Tabellenletzten und Lokalrivalen Braunschweig geschah, zählt wohl zu den Eigenarten, die den Fußball so unberechenbar und sympathisch machen.

Überhaupt Hecking. In Mönchengladbach sorgt der Name nicht für die besten Erinnerungen. Die letzten drei Partien gegen von Hecking betreute Mannschaften gingen verloren. Und in allen Partien waren die Borussen eher favorisiert. Nun begegnet man sich auf Augenhöhe. Aus Gladbacher Sicht ist dies durchaus beeindruckend, hat Lucien Favre auf die Frage nach dem Erfolg seiner Mannschaft explizit auf die Kaderstärken der Konkurrenz aus Schalke und Wolfsburg verwiesen. Gegen die Gelsenkirchener konnte man sich zuletzt erfolgreich durchsetzen, nun kommt zum Jahresabschluss eben der zweite Konkurrent zum Verfolgerduell. Klar ist nur, dass am Sonntag eine Serie reißen wird. Die historische Siegesserie von sieben Heimsiegen in Folge steht der Wolfsburger Serie von acht ungeschlagenen Spielen hintereinander entgegen. Jede Serie darf dabei kritisch betrachtet werden. Bei den letzten drei Heimsiegen benötigten die Hausherren durchaus eine Portion Glück, um am Ende drei Punkte einfahren zu können. Auf der anderen Seite waren aber auch die Wolfsburger nicht immer so souverän, wie es die Zahlen ausdrücken. Besonders gegen den HSV war der Punktgewinn letztlich glücklich bis unverdient. Nüchtern betrachtet gehört das Glück aber auch dem Tüchtigen und beide Vereine stehen in der Tabelle dann auch genau dort, wo sie derzeit hingehören.

Nahezu frei von Personalsorgen werden sich die Kontrahenten im letzten Spiel des Jahres gegenüberstehen, wobei lediglich bei Granit Xhaka ein Fragezeichen zu vermelden ist. Was ist von dieser Partie zu erwarten? Auch wenn die Gladbacher Offensive zuletzt in Mainz ihren Meister fand, war es doch beeindrucken anzuschauen, wie weit diese Mannschaft inzwischen taktisch gereift ist. Wo man noch vor einem Jahr zu schnell die Nerven verlor und sich selbst um den Erfolg brachte, steht nun Disziplin und Spielkontrolle im Vordergrund. Die Borussen haben gelernt, auf ihre Chancen zu warten. Das wird auch gegen die Niedersachsen nötig sein. Hecking hat die Achterbahnfahrt beendet und den Verein in ruhigeres Fahrwasser geführt. Dabei kann er sich auf eine solide Defensive verlassen. Zuletzt kassierte man eben bei der historischen Heimniederlage gegen Braunschweig mehr als ein Gegentor. Ganz sicher werden die Autostädter der Borussia nicht den Gefallen tun, mit offenem Visier zu kämpfen. Stattdessen wird auch hier die Taktik im Vordergrund stehen. Besonderes Augenmerk muss man am Niederrhein dabei auf Standards legen. Neben Diego verfügt der Gast mit Rodriguez über zwei exzellente Freistoßschützen. Es wäre in dieser Saison nicht das erste Mal, dass sich diese Stärke als spielentscheidend herausstellt.

Möglich, wenn auch wenig wahrscheinlich, dass man am Sonntag einen Abschied sieht. Über die Abgänge von de Jong und Mlapa zur Winterpause wird bereits seit Wochen ausgiebig spekuliert. Dass man beide Angreifer abgibt, dürfte ausgeschlossen sein – zumindest ohne adäquaten Ersatz. Richtig ist aber auch, dass für beide die Saison unbefriedigend verlief, was den Marktwert deutlich reduzieren dürfte. Dabei kann man beide Spieler durchaus als Opfer des derzeitigen Erfolgs ansehen. Selbst ein ehrgeiziger Spieler wie Branimir Hrgota gibt zu, dass es derzeit kaum einen Grund gibt, die Startelf zu wechseln. Auf Max Eberl wird also in den nächsten Wochen viel Arbeit zukommen, stehen doch auch die Personalien ter Stegen, Heimeroth, Arango, Brouwers und Daems zusätzlich auf dessen To-Do-Liste. Härtefälle, bei denen man die nachgewiesene Qualität der Spieler ihren Perspektiven gegenüberstellen muss. So wie zuletzt bei Mike Hanke, der durch Raffael hervorragend ersetzt wurde. Doch machen solche Härtefälle auch deutlich, wie weit die Borussia inzwischen qualitativ gereift ist. Der Weg nach Europa ist vorgezeichnet, am Sonntag könnte man einen großen Schritt in diese Richtung tätigen.

 

Aufstellungen:

Borussia: ter Stegen - Korb, Jantschke, Stranzl, Wendt - Kramer, G. Xhaka - Herrmann, Arango - Raffael - M. Kruse

Wolfsburg: Benaglio - Ochs, Naldo, Knoche, Rodriguez - Luiz Gustavo, Medojevic - Diego, Arnold, D. Caligiuri - Olic

 

SEITENWAHL-Prognose:

Thomas Häcki: Am Ende werden beide Vereine eine Serie weiterführen. Wolfsburg wird neun, Mönchengladbach acht Spiele in Folge ungeschlagen sein. Da beide Abwehrreihen das Jahr konzentriert zu Ende spielen, endet die Partie torlos.

Michael Heinen: So beeindruckend Borussias Heimserie ist. In einigen Spielen half zuletzt einiges an Glück, das man nicht überstrapazieren sollte. Mit Wolfsburg kommt der zweistärkste Gegner dieser Hinrunde in den Borussia-Park und es wird leider der erste sein, der dort punktet. Wenn eine Serie reißt, dann oftmals richtig. Daher befürchte ich, dass sich die rund 32 mitgereisten VW-Mitar..., ääh Wolfsburg-Fans über einen 2:1-Sieg werden freuen dürfen.

Christian Heimanns: 9 Heimspiele am Stück gewinnen? Einen Verfolger um die Champions League Qualifikation distanzieren? Zu schön, um wahr zu sein. Aber auch zu schön, um es nicht zu tippen. Ein gesegnetes und besinnliches 2:0 allerseits.

Christoph Clausen: Weihnachten ist Wünsch-dir-was-Zeit. Was davon wahr wird, sieht man dann unter dem Baum. Ich wünsche mir ein 3:0-Heimsieg, gerade gegen einen Gegner, der für so vieles steht, was einem den Fußball verleiden könnte.


Christian Spoo: Ein Jahr wie dieses verdient einen erfolgreichen Abschluss. Die Serie hält, Borussia schenkt uns zu Weihnachten einen 2:1-Sieg.