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Mit Borussia Mönchengladbach und Hannover 96 treffen am Samstag zwei Mannschaften aufeinander, die auf den ersten Blick einiges gemein haben. Sie sind die beiden einzigen Teams, die in dieser Saison Bayern München geschlagen und Manuel Neuer überwunden haben. Sie sind als einzige daheim ungeschlagen. Nachdem sie im vorletzten bzw. letzten Jahr sehr knapp am Abstieg vorbeischrammten, wurden sie beide von einem neuen Trainer gerettet, der sie taktisch hervorragend einstellt und so auf beachtliche Weise in ungeahnte Höhen katapultierte. So haben sie beide in dieser Saison einen überraschend guten Start hingelegt, wenngleich sie beide von der Öffentlichkeit (noch) nicht wirklich als Spitzenteams anerkannt werden.


Wenn man ehrlich ist, dann hat Hannover der Borussia aber diese eine Saison voraus, die sie im letzten Jahr in die Europapokal-Ränge brachte. Hannover hat bereits erreicht, wovon ganz Mönchengladbach bislang nur träumt. Durch einen beeindruckenden Sieg über Sevilla, die im Vorjahr immerhin die ach so einzigartigen Dortmunder aus dem Wettbewerb beförderten, zogen die Niedersachsen in die Gruppenphase der Europaliga ein, wo sie nach drei Spielen weiterhin ungeschlagen sind.

 

Die Elf von Mirko Slomka hat in dieser Spielzeit eine gewaltige Aufgabe vor der Brust. Zum einen sich international weiter so gut zu behaupten und den Kritikern entgegenzutreten, die in der unerfahrenen Mannschaft eine Gefahr für den deutschen Fußball und ihre aufstrebende Rolle in der Fünfjahreswertung sahen. Zum zweiten muss es das Ziel sein, in der Liga den nächsten Schritt zu gehen. Ein gutes Jahr zu erleben und überraschend in den Europacup einzuziehen, das ist schon so einigen Mannschaften in der Vergangenheit gelungen – ob Bochum, Mainz, Freiburg oder Nürnberg. Wirklich nachhaltig ist dies erst dann, wenn man sich über Jahre hinweg regelmäßig in den oberen Tabellenregionen festsetzen kann. Vor der Saison gab es nicht wenige Experten, die dies den Hannoveranern nicht zugetraut hätten. Nach 10 Spieltagen müssen aber auch diese Kritiker eingestehen, sich (vorläufig) geirrt zu haben. Es scheint, dass die vorige Saison alles andere als eine Eintagsfliege war, sondern das verdiente Ergebnis einer kontinuierlichen Aufbauarbeit und soliden Einkaufspolitik.

 

2002 war Hannover nach 13jähriger Abwesenheit in die deutsche Eliteliga zurückgekehrt. Während ein Großteil der Bundesliga-Aufsteiger aus diesem Jahrtausend nur ein mehr oder weniger kurzes Gastspiel in Liga 1 erlebte, wussten sich die Niedersachsen zu etablieren. Lange Zeit sah es danach aus, dass ein Abstieg wahrscheinlicher sein würde als der große Sprung nach vorne. Insbesondere katastrophale Abwehrleistungen, wie sie z. B. noch vor zwei Jahren beim kuriosen 5:3-Erfolg der Borussia offenbar wurden, sorgten für bundesweites Aufsehen, und machten wenig Hoffnung auf Besserung.

 

Der Einkauf des österreichischen Abwehrchefs Pogatetz war ein wesentlicher Baustein für die inzwischen wiederhergestellte Defensivstabilität. Die nach dem Freitod von Robert Enke zwischenzeitlich entstandene Torhüterproblematik wurde durch den Aufstieg von Ron-Robert Zieler glänzend beseitigt. Auch wenn Zieler zuletzt im Europapokal gegen Kopenhagen seine erste schwarze Stunde als Profitorhüter durchlebte, hat er sich den 3. Platz in der deutschen Torhüterrangliste durch konstant starke Leistungen verdient. Gemeinsam mit Leno und ter Stegen gehört der Keeper zu den jungen Torhütern, die in den nächsten Jahren mit Manuel Neuer um die begehrten drei Plätze im Nationalteam streiten dürften.

 

Während man in der (Innen-)Verteidigung noch darüber streiten kann, ob Borussia einen Hauch stärker besetzt ist, so besitzt Hannover im defensiven Mittelfeld Vorteile. Mit den nominell oft unterschätzten Schmiedebach und Stindl ist Hannover vorzüglich besetzt, so dass selbst der Ausfall von „aggressive leader“ Sergio Pinto zu verkraften sein wird. Es kommt nicht von ungefähr, dass Hannover wie kaum eine andere Mannschaft in der Liga in der Lage ist, blitzschnell von der Defensive auf Offensive umzuschalten. Diese Verbindung gelingt eindeutig flüssiger als es bisweilen bei Borussia der Fall ist.

 

Ebenso beneiden darf man die Niedersachsen um ihre echten Torjäger. Nachdem bereits Didier Ya Konan ein Volltreffer gewesen war, bediente sich Jörg Schmadtke im Vorjahr gleich noch einmal erfolgreich aus der norwegischen Liga. Mohammed Abdeallaue schlug sogar noch stärker ein und wird mittlerweile bereits mit zweistelligen Millionenbeträgen bei internationalen Spitzenklubs gehandelt. In 33 Spielen für Hannover markierte er 17 Tore. Seine 7 Treffer der laufenden Saison enthalten allerdings 3 verwandelte Elfmeter. Umso bitterer, dass er sich unter der Woche beim Pokalspiel gegen Mainz 05 von der statistisch widerlegten Fußballweisheit beeindrucken ließ, nach der ein gefoulter Spieler nicht selbst antreten sollte. An seiner Stelle vergab Ya Konan in Minute 121 die Riesen-Chance, ein Elfmeterschießen zu erzwingen. Gegen Borussia wird Ya Konan vermutlich im rechten offensiven Mittelfeld auflaufen. Zusammen mit den nicht minder torgefährlichen Pander, Schlaudraff und Abdellaoue könnte Slomka eine gewaltige Offensivpower aufbieten, um die ihn Lucien Favre aktuell nur beneiden kann. Die durch Sperren bedingte Offensivausrichtung birgt aber auch Chancen für Borussia, der ein mitspielender Gegner Räume für die eigenen schnellen Konteraktionen liefert.

 

Während Hannover höchst unglücklich aus dem Pokal ausschied, lief es für Borussia genau andersherum, was das psychologische Momentum für den Samstag wieder zu Gunsten der Heimmannschaft umschwenken lässt. Andererseits ist das vorige Wochenende noch in schmerzlicher Erinnerung, als Borussia mit der schwächsten Saisonleistung in Hoffenheim unterlag, während Hannover mit überragender Vorstellung den FC Bayern in die Schranken wies. Auch Dortmund und Bremen hatten in den letzten Monaten bereits Bekanntschaft mit der Stärke der Niedersachsen gemacht, die diese aber vornehmlich auf eigenem Platz abliefern. Auswärts ist die Bilanz bei Niederlagen in Köln und Stuttgart sowie einem ärgerlichen Punkteverlust in Augsburg durchwachsen. Ein einziger Auswärtssieg in Nürnberg steht zu Buche. Borussia auf der anderen Seite hat in seinen letzten Heimspielen stets überzeugt. Nürnberg und Kaiserslautern waren mit ihrer 0:1-Niederlage mehr als gut bedient. Wolfsburg und Leverkusen wurden zeitweise gar vorgeführt. Da braucht sich die Mannschaft selbst vor den schwer zu spielenden Niedersachsen nicht zu verstecken.

 

Das Kernproblem wird aktuell im Angriff ausgemacht, wo Borussia über keinen einzigen echten Torjäger verfügt. Die jüngsten Leistungen von Hanke und Herrmann sprechen grundsätzlich für eine Veränderung. Auch Marco Reus, der trotz Achillessehnenbeschwerden einsatzbereit ist, scheint im Mittelfeld besser aufgehoben als in vorderster Front. Gegen etwaige Umstellungen steht aber ein Mangel an brauchbaren Alternativen. Bobadilla wird bis zum Wochenende nicht rechtzeitig fit. Leckie, King und Otsu konnten bei ihren bisherigen Kurzeinsätzen nicht für sich werben, so dass Favre wenig übrig bleibt als auf die Elf zu setzen, die zuletzt gegen Leverkusen brillierte.

 

Wenig wahrscheinlich ebenso, dass Favre sein Pokalexperiment in der Viererkette auch auf den Ligaalltag ausweitet. Für den zuletzt schwachen Jantschke rückte Martin Stranzl auf die Außenbahn, womit in der Mitte Platz für Edeljoker Roel Brouwers geschaffen wurde. Eine durchaus interessante Variante, mit der sich der Trainer allerdings etwaigen Offensivaktionen seines Rechtsverteidigers beraubt. Gegen den aktuell starken Christian Pander könnte es eine Überlegung wert sein, die defensive Außenbahn entsprechend zu stärken, wenngleich viel für eine Rückkehr des spielstärkeren Jantschke spricht.

 

Wie auch immer Favre aufstellt. Entscheidend wird sein, dass es Borussia gelingt, an die letzten Heimleistungen anzuknüpfen und damit jedes anfangende Krisengerede im Keim zu ersticken. Zu hoffen ist ferner, dass die Mannschaft ausnahmsweise einmal schon in Halbzeit 1 mit dem Tore schießen beginnt. Mit einem Sieg über den Tabellen-Vierten würde ein Ausrufezeichen gesetzt, dass die bisherige Saisonleistung doch mehr gewesen sein könnte als eine anfängliche Euphoriewelle. Findet hingegen die Leistung aus den letzten beiden Begegnungen eine Fortsetzung, was gegen Hannover unweigerlich zu einer Niederlage führen würde, so wäre ein für alle mal klargestellt, dass die Mannschaft im oberen Tabellendrittel der 1. Liga nichts zu suchen hat. Die 17 bislang erzielten Punkte wird ihnen niemand mehr wegnehmen. Dennoch kann die Mannschaft an diesem Samstag erhebliche Weichen für den weiteren Saisonverlauf stellen. Es wäre schade um die tollen Auftritte der letzten Wochen, wenn diese große Chance, sich weiter am Konzert der Großen zu beteiligen, ungenutzt bliebe.

 

Borussia: ter Stegen – Jantschke, Stranzl, Dante, Daems – Herrmann, Marx, Neustädter, Arango – Reus, Hanke

 

Hannover: Zieler – Chahed, Haggui, Pogatetz, C. Schulz – Ya Konan, Schmiedebach, Stindl, Schlaudraff, Pander - Abdellaoue

 

Seitenwahl-Tipps:

 

Christoph Clausen: Im Heimspiel gelingt offensiv zwar wieder mehr, aber kein Tor. Zum Glück steht die Abwehr. Also 0:0.

 

Christian Spoo: Vorne geht weiter nichts, das defensive Mittelfeld hat ein Leck - da können auch Stranzl und ter Stegen irgendwann nichts mehr machen. Hannover gewinnt mit 2:0 und in Gladbach spricht man plötzlich wieder von einer Krise.

 

Christian Heimanns: Bei der derzeitigen Verfassung unserer Torjäger ist nur ein Gegner dienlich, der uns mit zwei oder drei Eigentoren weiterhilft. Wir müssten mal wieder gegen Hannover spielen. Aber so geht´s am Samstag 0:0 aus.

 

Michael Heinen: Daheim ist und bleibt Borussia eine Macht. Nach dem mühsamen 1:0-Erfolg über Hannover ist die „Krise“ vorbei bevor sie überhaupt begonnen hat.