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Für welchen Trainer auch immer man sich bei Borussia entschieden hätte, kontroverse Diskussionen wären in jedem Fall zu erwarten gewesen. Das ist bei Michael Frontzeck nicht anders, über dessen Wahl in der Seitenwahl-Redaktion die Ansichten auseinander gehen. Das äußert sich in zwei konträren Kommentaren.

Mit der Verpflichtung Michael Frontzecks als neuem Cheftrainer hat Borussia die wichtigste Personalentscheidung des Sommers getroffen. Sie fiel zügig: Sechs Tage nach der Auflösung des Vertrages mit Hans Meyer steht der Nachfolger parat. Sie kam zudem nicht unerwartet: Frontzeck gehörte vom Beginn der Suche an zum engsten Kandidatenkreis. Sie ist drittens konsequent: Der neue Übungsleiter kennt den Verein aus langjähriger Erfahrung und verschiedenen Perspektiven, was die Eingewöhnung zweifellos erleichtert.


Nun sind dies alles Sekundärtugenden. Sie sind nützlich, doch wären sie nicht ausschlaggebend, wenn die Substanz nicht stimmen würde. Tatsächlich gibt es diesbezüglich kritische Stimmen. Den einen fehlt der „große Wurf“, den anderen der Mut zu neuen Wegen. Zudem, so ist zu hören, stehe der gebürtige Mönchengladbacher für Abstiegskampf, nicht aber für höhere Ziele. Darüber hinaus habe der Trainer Frontzeck statt Erfolgen primär Abstiege vorzuweisen. Nichts hiervon ist gänzlich falsch, und dennoch verfehlt diese Kritik den Kern der Angelegenheit, und zwar im Gesamten betrachtet völlig.

Zum ersten ist es müßig, das Fehlen eines großen Namens zu beklagen. Vor nicht allzu langer Zeit wurde beispielsweise ein Armin Veh realistischerweise mit Borussia in einem Atemzug genannt, als möglicher Kandidat für den periodisch freiwerdenden Trainerposten. Schon dies ist kein wirklich großer Name, doch inzwischen übernehmen Fußballehrer selbst der Kragenweite Veh Vereine wie den VfL Wolfsburg, mit denen sich Borussia – ob man das gerne hört oder nicht – auf absehbare Zeit nicht mehr messen kann. Borussia backt kleinere Brötchen, weil sie selbst eine kleinere Hausnummer geworden ist.

Entsprechend wird Borussia auf absehbare Zeit um die Zugehörigkeit in der Bundesliga kämpfen müssen. Es ist kein Nachteil, daß der neue Trainer dies verinnerlicht hat. Frontzeck ist jung an Trainerjahren, doch erfahren im Abstiegskampf. Mangelnden Erfolg kann man ihm dabei nur begrenzt vorwerfen. Mit 34 Punkten als Tabellen-Siebzehnter hat er sich mit einem Verein wie Alemannia Aachen, dem es an jeglicher professioneller Struktur mangelte, achtbar in der Eliteklasse des deutschen Fußballs geschlagen. In Bielefeld hielt er im ersten Jahr die Klasse und stand zum Zeitpunkt seiner Entlassung – die die Bielefelder selber heute nicht mehr verstehen, so sie dies je getan haben – nicht auf einem direkten Abstiegsplatz. Natürlich geht es immer noch besser. Es geht aber auch deutlich schlechter.

Hier sind wir bei der Mönchengladbacher Anspruchshaltung angekommen. Anstatt die letzten zwei Jahre als Erfüllung wichtiger Zwischenschritte eines langfristigen Plans zu sehen, herrschen bereits wieder überhöhte Erwartungen vor, genährt durch mangelndes Verständnis der eigenen Leistungsgrenzen. Nach dem Abstieg 2007 gelang zunächst der souveräne Wiederaufstieg, dann – nach einer gravierenden Krise – der Klassenerhalt. Ziele erfüllt, möchte man sagen, wenngleich niemand die Augen vor der Realität verschließt: Der Klassenerhalt ist auch Ergebnis der Unfähigkeit der Konkurrenz. Dennoch liegt der Verein im Plan, und er tut gut daran, einen Trainer zu verpflichten, der diesem Plan genügt – und der die Bundesliga kennt. Dies spricht auch gegen einen Stanislawski, denn der letzte Zweitligatrainer, auf den Borussia Hoffnungen setzte, hieß Luhukay, und für den war die Bundesliga eine Klasse zu hoch.

Was heißt alles dies für die nächste Spielzeit? Konkret bedeutet es, daß der Trainer nicht spontan die halbe Mannschaft austauscht, sondern auf dem Bestehenden aufbaut (also den Advocaat-Fehler vermeidet) und der Mannschaft, die das Saisonziel erreicht hat, auch in Zukunft vertraut (somit nicht in die Luhukay-Falle läuft). Beides ist von Frontzeck zu erwarten. Natürlich muß er darüber hinaus die tatsächlichen und noch zu erwartenden Abgänge kompensieren, die Lücken in diese Mannschaft reißen. Hier wird sich auszahlen, daß sich der Trainer von seiner Statur und Neigung her auf Augenhöhe mit dem Rest des „Kompetenzteams“ und des erweiterten Trainerstabes befindet. Das bedeutet Kontinuität bei der Spielerbeobachtung und -verpflichtung sowie Begrenzung des Risikos, das durch Alleingänge entsteht.

Es bedeutet jedoch nicht, daß der 19-fache Nationalspieler nicht schnell gewissen Ruderbewegungen von seinem Kapitänsstand aus wird anordnen müssen. Die Mannschaft braucht eine neue, mutigere Ausrichtung hinsichtlich der Offensive, gleichzeitig mehr Kompaktheit in der Defensive. Frontzeck wird sich hier bereits im Spätsommer und Frühherbst beweisen müssen. Hinrundenkrisen haben bei Borussia inzwischen Tradition, und dafür gibt es viele Gründe. Natürlich bleibt ein Risiko, wie er mit diesen Anforderungen umgehen wird, ebenso wie mit den zweifellos größeren Zumutungen, die Umfeld und Presse in Mönchengladbach an einen Trainer stellen (verglichen mit Aachen und Bielefeld).

Mit viel Geld hätte Borussia nach wochenlanger Suche vielleicht einen großkalibrigeren Trainer herbeilocken können, der die diesbezüglichen Gefahren besser kennt. Das sportliche Risiko wäre jedoch kaum verändert gewesen. Hinzu gekommen wären zudem der Zeitfaktor und das Fehlen eines geräuschlosen, glatten Übergangs auf dem Trainerposten mit eingebauter Systemkonformität, von den Mehrausgaben nicht zu reden. Mit Frontzeck weiß jeder, was er hat. In Zeiten der kleinen Schritte ist das der richtige Ansatz.