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Der am Ende deutliche Heimsieg gegen Bochum war nicht nur wichtig, sondern deutete auch an – wenn auch über weite Strecken nicht so glanzvoll, wie ein 5:2 suggerieren mag – wie es doch noch etwas werden könnte mit der fußballerischen Entwicklung der aktuellen Mannschaft. Eine verlässliche Grundordnung als Basis sowie die nötige Bissigkeit mit und gegen den Ball sind Rezepte auf denen sich aufbauen ließe. In Mainz geht es nun genau gegen einen traditionell unangenehmen Gegner, der schon mehrfach als Lackmustest für den spielerischen und mentalen Zustand der Fohlenelf herhalten musste.

Kompliziert war es für Borussia häufig in den Partien gegen die Rheinhessen, die in der Ägide von Ex-Coach Svensson und seinen Vorgängern eher für „ekligen“, körperlich betonten Fußball bekannt waren und unserer zu Schönwetterfußball neigenden Borussia selten den roten Teppich ausrollten. Auch im Hinspiel begann der VfL zunächst schwungvoll gegen den damals sieglosen Tabellenletzten, ließ sich aber im Spielverlauf einmal mehr den Schneid abkaufen und konnte am Ende froh sein, durch den Sonntagsschuss von Scally noch auf 2:2 zu stellen.

Mainz setzt auf einen neuen Bo

Aktuell steckt Mainz als 17. weiter tief unten drin, die zwischenzeitliche Traumehe mit Bo Svensson fand ihr emotionales Ende, und auch der interne Versuch mit Amateurcoach Sievert ist schon Geschichte. Nun soll es in Mainz seit drei Wochen wieder mal ein Däne richten: Bo Hendriksen kommt mit einer relativ kurzen Empfehlungsliste der FCs aus Midtjylland und Zürich. Nach ersten öffentlichen Aussagen von ihm und seinen neunen Spielern sowie Eindrücken vom Remis gegen Wolfsburg und der knappen 1:2-Niederlage bei Spitzenreiter Leverkusen hat sich der neue Coach besonders das Thema „Mut“ auf die Fahne geschrieben: Man möchte aggressiv gegen den Ball arbeiten, hoch pressen, aber auch selbst aktiver nach vorne spielen.

Nun also das zweite Heimspiel des Neutrainers, in einer Situation, in der die Mainzer mit dem Rücken zur Wand stehen. Das rettende Ufer ist mit 10 Punkten schon weit entfernt, und selbst die zuletzt Punkte-hamsternden Kölner stehen zwei Punkte davor auf dem Relegationsplatz. Gegen die chronisch auswärtsschwache Borussia sind die 05er somit fast schon dazu verdammt, den ersten Sieg unter ihrem neuen Übungsleiter einzufahren.

Die Ausgangslage ist also fast schon typisch für die launische Diva vom Niederrhein, man könnte auch sagen: Hier lauert das übliche Spiel, in dem Borussia häufig und gern als Aufbaugegner fungiert – die bislang hanebüchene Bilanz gegen die drei Teams auf den Abstiegsplätzen (ganze 3 Punkte aus 4 Spielen!) spricht Bände. Aber immerhin behielt man gegen den 15. aus Bochum in beiden Aufeinandertreffen die Nerven - auch, weil man die richtige Grundausrichtung wählte.

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Es wird daher in Mainz nicht nur darum gehen, zuallererst mit der nötigen Galligkeit dagegenzuhalten, Präsenz zu zeigen, und im Idealfall das vorhandene Offensivpotenzial auf den Platz zu bringen. So brachte die Wahl der Viererkette gegen Bochum deutlich mehr Sicherheit als die meisten Versuche mit einer Dreier- bzw. Fünferreihe, und das sowohl im Aufbauspiel, als auch bei der Arbeit gegen den Ball. Für das RB-artige hohe Pressing der Bochumer fand man somit häufig genau die Lösungen, die es auch in Mainz brauchen wird. Allerdings wird der Fokus noch stärker auf Fehlervermeidung liegen müssen, denn auch wenn Borussia verbessert agierte, blieb die Zahl der individuellen Fehler im Aufbau- und Stellungsspiel auch beim 5:2-Heimsieg so hoch, dass weitere Gegentreffer durchaus möglich gewesen wären. Wie sehr dabei Rückkehrer zu einer weiteren Steigerung beitragen können, wird sich zeigen.

Mit Itakura und Elvedi stehen zwei gelbgesperrte Stammkräfte wieder zur Verfügung, auch Luca Netz könnte nach seiner Blessur wieder eine Alternative für die Kette sein – fast schon eine Qual der Wahl für Gerardo Seoane, nachdem seine Bochum-Variante mit Lainer, Friedrich, Wöber und Scally trotz Einbußen bei der fußballerischen Qualität passabel funktionierte. Gerade hier könnten aber der japanische und der Schweizer Nationalspieler zentral mehr Sicherheit in den Aufbau bringen, die Österreicher Wöber und Lainer mit ihrer Robustheit die Außenbahnen beackern.

Vier hinten gewinnt?

Die Frage nach der Grundformation kann durchaus mitentscheidend sein. Trotz der Sympathien des Trainers für ein 3-5-1/5-3-1 kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass sich die Mannschaft im Dreieraufbau überaus schwertut, Spielkontrolle zu erlangen. Die Schienenspieler stehen aufgrund der langen Wege nicht selten auf verlorenem Posten. Dies führte zwangsläufig zu einer Unterversorgung im Angriffsdrittel, womit man Zielspieler Jordan und den potenziell quirligen Offensivkräften um ihn herum (Hack, Honorat, Ngoumou) ihrer Stärken beraubt – und so zugleich das Mittelfelddreieck defensiv überbelastet und folglich kreativ einschränkt.

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Dabei ist die Viererkette allein natürlich kein Allheilmittel – es wurde auch gegen Bochum wieder deutlich, dass Borussia auch in dieser Formation trotz eines positiveren Gesamteindrucks nicht durchweg stabil agiert und stets auf hohen individuellen Einsatz angewiesen ist. Das belegen auch Zahlen, die Borussia- und Statistikfans bei Twitter zusammengetragen haben: In den Spielen im 4-5-1, 4-4-2 oder ähnlichen Varianten kassierte man sogar im Schnitt mehr Gegentore (2,1) als mit der Dreierreihe (1,85). Aber: Man erzielte dabei auch deutlich mehr eigene Treffer (2,7 vs. 1,1), und - was schlussendlich entscheidend ist - war insgesamt erfolgreicher: In den zehn Spielen, die Borussia mit einer Viererkette begann, holte man durchschnittlich 1,5 Punkte – in anderen Formationen nur knapp 0,8.

Aber da eine Statistik nun weder Tore schießt noch vermeidet, wird es am Samstag, neben der funktionierenden Grundausrichtung, wieder einmal vor allem um die Einstellung gehen, mit der Borussia in die Partie startet. Erfahrungsgemäß ist dann häufig schon in den ersten Minuten eine Tendenz erkennbar, ob es in Mainz mehr werden kann als ein „typisches“ Borussia-Auswärtsspiel der letzten Jahre. EIGENTLICH, sollte man als hoffnungsvoller Beobachter meinen, müsste der vergangene Spieltag der Mannschaft sowohl den nötigen Schwung, als auch das richtige Rezept mitgegeben haben, um in einer solchen Partie bestehen zu können. Nun heißt es für Borussia also (wieder einmal): Farbe bekennen – und den Fans und Anhängern nicht schon wieder das nächste Rätsel aufgeben.

 

Mögliche Startaufstellung:

Nicolas – Lainer, Elvedi, Itakura, Wöber – Weigl – Ngoumou, Reitz, Neuhaus, Hack – Jordan

 

Seitenwahl-Tipps:

Michael Heinen: Einen zweiten Sieg in Folge wird es leider erneut nicht geben. Mainz siegt durch ein Tor in der Nachspielzeit mit 2:1.

Christian Spoo: Die Borussia vom Bochumspiel bleibt in Gladbach. In Mainz verliert die andere. Verzagt geht die Mannschaft das Spiel an und unterliegt mit 0:2. Der neue Geist war bloß das Abstiegsgespenst in disguise.

Claus-Dieter Mayer: Der zweitschlechteste Sturm der Liga hat in noch keinem Spiel dieser Saison mehr als zwei Tore erzielt und somit sollte kein Gladbach-Fan noch groß über die 3:0 Niederlage in Mainz überrascht sein. Trotzdem gibt es Fortschritte: im Vergleich zum Vorjahr kassiert man ein Tor weniger und Seoane behauptet im Anschluss auch nicht irgendwelche imaginären guten Halbzeiten gesehen zu haben.

Uwe Pirl: Gut, dass Mainz nicht Letzter ist. Sonst hätten wir gegen die ja keine Chance. So wird es ein zähes und für die Borussen unangenehmes Spiel. Der 2:1-Sieg in Mainz verhindert den Start eine Mainzer Serie und legt ziemlich Abstand zwischen Borussia und die Karnevalsvereine

Kevin Schulte: Diesmal erlebt die Borussia in Mainz zwar kein Desaster, verliert aber dennoch spät mit 1:2, weshalb das Abstiegsgespenst vor dem Derby erneut am Niederrhein vorbeischaut.

Thomas Häcki:  Zwei Siege in Folge wären ja auch zu schön. Passiert nicht. Auf das Führungstor der Borussia antworten die Mainzer 2x

Michael Oehm: Zweimal in Folge gewinnen? Very nice, very nice, very nice, but maybe in the next season. Aber für ein 2:2 reicht es, und das ist doch auch etwas.