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Mit der zweiten 0:1-Auswärtsniederlage in Folge und dem damit verbundenen Rückfall auf Tabellenplatz 7 ist wieder Ernüchterung ins zuletzt euphorisierte Borussen-Lager eingekehrt. Zwischenzeitliche Träumereien von der Champions-League waren von realistischen Betrachtern zwar stets als erfreuliche Momentaufnahme eingeordnet worden. Nichtsdestotrotz weckten die begeisternden Auftritte nicht ganz zu unrecht Hoffnungen auf mehr als „nur“ eine sorgenfreie Saison. Hatten nicht zuletzt auch Mannschaften wie Hannover und Mainz für Überraschungen gesorgt und diese über eine gesamte Spielzeit hinweg durchgehalten?


Diese beiden Vereine hatten in der Vorsaison das große Glück, dass alle vermeintlichen Spitzenklubs – mit Ausnahme des BVB und Leverkusen – eine katastrophale Runde spielten – eine Ausnahmesituation, wie sie sich nicht in jedem Jahr wiederholt. In dieser Saison scheinen neben den Bayern auch Schalke, Stuttgart und Bremen wieder an bessere Zeiten anzuknüpfen. Für Borussia wäre es daher schon ein Erfolg, sich dauerhaft im Tabellenmittelfeld festzusetzen. Wenn es dauerhaft so gut laufen könnte wie zu Saisonbeginn, erschiene einer der begehrten Plätze im internationalen Geschäft nicht gänzlich unerreichbar. Als Borussen-Fan wirkte es aber schon beinahe befremdlich, wie die Schiedsrichter in den ersten Saisonspielen im Zweifel für den eigenen Verein entschieden haben. Spätestens mit dem Freiburg-Spiel wurde diese aus der jüngeren Bundesliga-Geschichte gänzlich unbekannte Vorgehensweise wieder gerade gerückt.

 

Anders als in Freiburg, als zumindest noch diverse Fehlpfiffe des Schiedsrichters beklagt werden konnten, oder gegen Leverkusen, als lediglich die Effizienz im Abschluss fehlte, kann der Auftritt in Hoffenheim aber nicht mehr mit fehlendem Glück schöngeredet werden. Borussia war an diesem Nachmittag die noch etwas schlechtere von zwei schwachen Mannschaften. Das Ergebnis selbst ist keine allzu große Schande, wurde die Elf von Dietmar Hopp doch wahrscheinlich mehr als doppelt so teuer eingekauft. Eine Niederlage im Kraichgau widerfuhr vor kurzem dem BVB, während sich die Bayern glücklich zu einem 0:0 mühten. Nicht zufriedenstellen kann hingegen die Art und Weise, wie die Punkte hergeschenkt wurden, denn mit etwas mehr Passgenauigkeit und Zielstrebigkeit wäre sogar mehr als nur ein Punkt realistisch gewesen.

 

Keine Frage: Das Spiel in Hoffenheim war bislang der Tiefpunkt der bisherigen Spielzeit. Es ist aber noch deutlich verfrüht, bereits etwaige Krisen herbeizureden. Auch wenn Fans so etwas äußerst ungern hören, so sind die gebetsmühlenartig wiederholten Phrasen des Trainers nicht völlig unbegründet, dass man sich stets darauf besinnen sollte, wo dieser Verein noch vor wenigen Wochen stand. Die Leistung von diesem Samstag wäre in der Vorrunde der vergangenen Saison wahrscheinlich noch als eine der weniger schlechten durchgegangen. Nach den Erfahrungen der letzten Monate fällt die Enttäuschung entsprechend groß aus. Es steht aber zu befürchten, dass sich die Mannschaft mit den Leistungen der letzten Wochen so langsam auf ihrem Normalmaß einpendelt.

 

Die Gründe für ein schlechtes Spiel zu benennen, fällt im Nachhinein immer leicht. In der Vorwoche wurde der Punktverlust – u. a. auch auf Seitenwahl – nicht zuletzt mit einem unglücklichen Wechsel begründet. Raul Bobadilla machte dort nach seiner Einwechselung zweifelsohne eine unglückliche Figur. Zum einen war er aber in den Spielen zuvor in ähnlicher Situation ein belebendes Element gewesen, so dass seine Hereinnahme einer gewissen Logik folgte. Zum zweiten sind rund 25 Minuten Spielzeit reichlich wenig, um einem Akteur die Rolle des (alleinigen) Sündenbocks zuzuweisen.

 

In dieser Woche kann man die Wechsel von Lucien Favre ebenso als (zu) spät kritisieren. Joshua King hatte ganz 15 Minuten Zeit, sich zu präsentieren. Beim Japaner Otsu war es sogar nur knapp die Hälfte. Sicherlich zu wenig, um eine ernsthafte Bewertung ihrer Leistung abzugeben. Einen Push, wie man ihn sich manchmal von neuen, frischen Spielern erhofft, ließ sich durch sie aber ganz und gar nicht erkennen. Bei Otsu weist Favre schon seit Anbeginn darauf hin, dass er kurzfristig kaum wird weiterhelfen können – was im übrigen durch seine bisherigen Leistungen in der U23 eher unterstrichen als widerlegt wird. King war zuletzt oft verletzt und wirkt ebenfalls nicht zwingend als geeignet, sich die Rolle des Heilsbringers zur Beseitigung der Abschlussschwäche zu verdienen.

 

Es ist selbstverständlich erlaubt, Entscheidungen des Trainers zu hinterfragen und zu kritisieren. Lucien Favre ist kein unfehlbarer Messias und es wird ihm ganz besonders recht sein, wenn seine Arbeitsleistung endlich einmal realistischer eingestuft wird als es durch die Euphorisierung der vergangenen Monate möglich war. Dennoch darf man darauf vertrauen, dass der Schweizer sehr gut weiß, was er von seinem Kader zu erwarten hat. Er wird ebenso wissen, warum er Otsu von Anfang an derart kritisch beäugt. Er wird sich im Training, in Testspielen und bei der U23 ein genaues Bild über den Leistungsstand von King gemacht haben, um zu wissen, warum er Hanke oder Herrmann aktuell mehr zutraut. Noch gegen Leverkusen lag er mit dieser Einschätzung übrigens goldrichtig.

 

Wo sich Favre derzeit besonders schwer tut, ist die Besetzung des Nebenmanns von Roman Neustädter. Weder Nordtveit noch Marx können hier bedingungslos überzeugen, wenngleich beide alles in allem auch nicht gnadenlos enttäuschen. Es ist solider Bundesligadurchschnitt, der uns im defensiven Mittelfeld vorgesetzt wird, was für einen vermeintlichen Abstiegskandidaten nicht so inakzeptabel erscheint. Die Forderung nach den hintanstehenden Spielern wie Zimmermann oder Korb ist ähnlich einzuordnen wie jene in der Offensive nach King oder Otsu. Bei dauerhaft erfolglosem Spiel sind Veränderungen die natürliche Folge. Wenn man aber bedenkt, dass die Niederlage in Freiburg höchst unglücklich zustande kam und zuletzt ein berauschendes Spiel gegen Leverkusen stattfand, sollten schon noch ein paar mehr Spiele abgewartet werden, ehe Verwünschungen einzelner Spieler oder gar des Trainers stattfinden.

 

Es ist ohnehin eine stetig wiederkehrende Diskussion, bei ausbleibenden Erfolgen stets die gerade nicht eingesetzten Akteure als Patentlösung herbeizusehnen – zumindest immer solange, bis sie dann irgendwann ihre Chance bekommen und diese in aller Regel nur unzureichend nutzen. Nein, die Probleme der Borussia liegen aktuell weniger an falschen Aufstellungen oder Wechseln. Dieselbe Mannschaft, die in Hoffenheim kaum eine zwingende Torchance herauszuspielen verstand, hat in der Vorwoche noch einen Champions-League-Teilnehmer an die Wand gespielt. Ob auf dem Platz jetzt Bobadilla, Herrmann oder King stehen oder ob sich Favre für Marx oder Nordtveit entscheidet. Dies alles sind Marginalien, die sich je nach Tagesform als richtige oder falsche Entscheidung entpuppen.

 

Wollte sich Favre von der Last solch undankbarer Entscheidungen befreien und den Verein konstant in die nationale Spitzenklasse katapultieren, so müsste auf der einen oder anderen Position qualitativ nachgebessert werden. Zu allererst wären hier die zentralen Schlüsselpositionen im defensiven Mittelfeld sowie im Sturmzentrum zu nennen. Im aktuellen Kader macht allerhöchstens Igor de Camargo Hoffnungen auf eine gewisse Torjägerqualität. Durch seine dauernden Verletzungsprobleme verbietet es sich aber leider, mit ihm langfristig als Sturmführer zu planen. Mit Bobadilla und Leckie waren zwei weitere Hoffnungsträger verletzt, von denen ersterer allerdings in den letzten Jahren schon allzu viele Hoffnungen zerstört hat.

 

Selbstverständlich kann und wird sich Max Eberl daraus die einzig logische Frage ableiten, wie auf dieser Position reagiert werden kann. Die Fortsetzung der Verletzungsmisere bei de Camargo sollte entsprechende Transferaktivitäten schon für den Winter wahrscheinlich machen. Sofern Bobadilla bis dahin nicht endlich der Durchbruch mit mindestens 2-3 guten Spielen in Folge gelingt, sollte der (schwierige) Versuch unternommen werden, für ihn noch ein wenig Geld herauszuschlagen und an seiner Stelle auf einen hoffnungsvolleren Akteur zu setzen. Eberl und Favre werden sich zudem die Frage stellen, wie viel Vertrauen sie den offensiven Neueinkäufen des Sommers entgegenbringen, die bislang noch nicht genügend an den Stammplätzen kratzen können, was bei Leckie und King aber auch mit diversen Blessuren zu entschuldigen ist.

 

Bei allen berechtigten Wünschen nach einem Torjäger darf man aber eines nicht übersehen. Für einen solchen müsste ein anderer Offensivspieler weichen, was das Gesamtgefüge des Teams erheblich beeinflussen wird. Mike Hanke hat statistisch einen ganz schweren Stand, denn ein Stürmer kann mit einer Quote von 0 Toren und 0 Vorlagen nicht zufrieden sein. Dennoch wird selbst sein größter Kritiker nicht sagen können, dass er bislang eine schlechte Saison spielt. Ganz im Gegenteil. In den bejubelten Auftritten der Borussia war es oft genug auch Hanke, der im Zusammenspiel mit seinen Offensivkollegen viele gute Aktionen einleitete. Zudem ist er ein höchst aktiver Stürmer, bei dem – so die moderne Taktikschule – die Defensive bereits anfängt. Würde Borussia an seiner Stelle einen Spieler der Marke Gekas aufbieten, so würde dieser mit Sicherheit bereits das eine oder andere Tor erzielt haben. Die Zahl der Torchancen wäre aber ebenso sicher deutlich geringer ausgefallen und man kann nur darüber spekulieren, welche Auswirkungen dies auf die Abwehrleistung gehabt hätte.

 

Möchte man Borussias Saisonleistung analysieren, dann muss dies in ihrer Gesamtheit geschehen. Das Team in seiner Gesamtheit, wie es ganz überwiegend harmoniert sowie alle 10 bisherigen Spiele in ihrer Gesamtheit, von denen übrigens nur ganz wenige ausnahmslos brillant gewesen sind. Es ist schon ein statistisches Kuriosum, dass Borussia in 9 von 10 Begegnungen bis zur Halbzeit ohne Tor geblieben ist. 7 Mal wurden die Seiten beim Stand von 0:0 gewechselt. Während in den meisten Spielen zumindest in Halbzeit 2 eine deutliche Steigerung zu erkennen war, gelang dies in Hoffenheim leider nicht in gewünschter Form.

 

Es gibt noch viel zu tun für Lucien Favre und sein Team, um Borussia wieder realistisch dorthin zu bringen, wo einige sie nach dem guten Saisonstart bereits dauerhaft gesehen hatten. Der Verein ist nach den Tiefschlägen des vergangenen Jahres weiter auf einem guten Weg und es bietet sich eine ordentliche Perspektive, das originäre Ziel einer Saison ohne Abstiegssorgen souverän zu erreichen. So schön sich dies noch zu Saisonbeginn angehört hätte, ist es aber allzu verständlich, wenn dieser triste Alltag dem gemeinen Borussen-Fan nach den 2. und 3. Plätzen der vergangenen Wochen nur allzu bitter schmeckt.