Es lag viel Ärger in der Luft nach dem vorletzten Borussen-Heimspiel der Saison. Auf dem Platz ärgerten sich zwei Mannschaften über einen verpassten Sieg, auf den Rängen ärgerten sich gut 50.000 Menschen über den bemerkenswert bescheidenen Auftritt des von ihnen präferierten Teams. Vor den Fernsehkameras am Spielfeldrand wiederum ärgerten sich einige Spieler dieses Teams über sich selbst bzw. vor allem über ihre Mitspieler. Und dann ärgerte sich Sportdirektor Roland Virkus über die Anhänger des eigenen Vereins, die sich seiner Ansicht nach nicht hinreichend über den späten Ausgleich zum 4:4 gefreut hatten.
Wer nun ärgert sich hier zu Recht? Dafür müssen wir zunächst einen Blick auf die erste Halbzeit werfen. Borussia schien sich da für die wenig ersprießlichen Auftritte der vergangenen Wochen rehabilitieren zu wollen. Und der Gegner – die TSG Hoffenheim – spielte mit. Borussia dominierte die noch nicht ganz aller Abstiegssorgen ledigen Kurpfälzer deutlich, ging verdient mit 2:0 in Führung und niemand konnte sich nach 40 Minuten vorstellen, dass der Sieger an diesem Nachmittag nicht Borussia Mönchengladbach heißen würde.
Was folgte war – die Nacherzählung im Details sparen wir uns an dieser Stelle – eine Parade all der Dinge, die Borussia in den vergangenen Spielzeiten gerne falsch gemacht hat und die doch zumindest teilweise als abgestellt galten. Halbherziges Verteidigen von Standards, halbherziges Verteidigen des eigenen Strafraums, kollektive Verängstigung, zaghaftes Anlaufen, fehlende Geschlossenheit, unglückliches Torwartspiel, fehlende taktische Varianz. Man addiere das für viele Beobachter weiterhin rätselhafte bis erratische Wechselverhalten von Trainer Gerardo Seoane und man liegt in einem Spiel, dass man scheinbar leicht gewinnen zu schien, kurz vor Schluss mit 3:4 hinten. Spätestens beim zweiten Hoffenheimer Ausgleichstor war die Geduld der Zuschauer aufgebraucht. Das 50.000 Menschen „raus“ schreien, um die sich ängstlich im Strafraum versammelt habenden Abwehrspieler auf den Ball zu schicken und genau das passiert, was die 50.000 kommen sehen – ein Distanzschuss ins Tor – kann einen schon mal ärgern. Das ähnlich kläglich zugelassene Führungstor der Gäste machte die Laune nicht besser und so geschah es, dass das 4:4 durch Tim Kleindienst eben tatsächlich nicht mehr genug war, um den Ärger des Publikums wirklich zu besänftigen. Die Mannschaft hatte sich die Pfiffe jedenfalls redlicher verdient als den Ausgleich.
Sportlich muss man nach dem Spiel feststellen, dass wir möglicherweise Luftschlösser bewohnt haben. Die vermeintliche Steigerung gegenüber den Vorjahren hat sich als nicht nachhaltiges Phänomen erwiesen. Fast all die Charakteristika der Mannschaft, die so gerne beklagt wurden, sind wieder da. Borussia ist instabil und man versteht nicht so recht, warum. Natürlich spielen die Ausfälle von Stammspielern eine Rolle beim Abstieg vom Europapokal- zum Zweistelligkeitskandidaten. Die Kompensationsversuche allerdings dürfen großenteils als gescheitert gelten. Der Kader hat nicht die nötige Breite und die Personalentscheidungen des Trainers sorgen immer wieder für Erstaunen. Spätestens als er den offenbar ausgepumpten Franck Honorat auf dem rechten Flügel schon wieder durch Tomas Cvancara ersetzte, frugen sich nicht wenige, ob „Seoane“ wohl auf Galizisch für „der Unbelehrbare“ steht.
Die erwähnte Reaktion des Sportdirektors auf die Pfiffe des Publikums lässt sich, wenn man es gut mit Roland Virkus meint, als unüberlegt abhaken. Ein geschickter Kommunikator wird aus Virkus in diesem Leben nicht mehr. Authentizität allerdings kann man ihm nicht absprechen. Mit allem, was er sagt und ausstrahlt, steht er 1:1 für das, was Borussia im Jahr 2025 ausmacht. Wer die Mitgliederversammlung fünf Tage vor dem Hoffenheim-Spiel verfolgt hat, wird wissen, was gemeint ist. Und auch dort gab es eine gepflegte Publikumsbeschimpfung, in diesem Fall vom Aufsichtsratschef. Kritik an der Personalauswahl in den Gremien sei „dummes Gequatsche“, dass man sich „am Ende nicht anhören" müsse. Zudem war es die zweite Mitgliederversammlung in Folge, in deren Rahmen sich potenzielle Bewerber für die Gremien über intransparente Behandlung durch den Klub beschwerten.
Zurück zum Sport: Positiv bleibt, dass Borussia früh Klarheit geschaffen hat, in welcher Liga sie in der kommenden Spielzeit antreten wird. Das lässt einen die eher erbärmlichen Auftritte seit Ende März mit einer gewissen Gelassenheit ertragen. Das Saisonziel „Einstelligkeit“ allerdings ist noch nicht erreicht. Das aber ist am langen Ende auch egal, denn wir sind zuversichtlich, dass es keinerlei Konsequenzen geben wird, falls Borussia dieses Ziel tatsächlich verfehlen sollte.