Gefühlt hat die TSG Hoffenheim mit dem Abstieg schon lange nichts mehr zu tun. Und in jüngster Zeit hatte der kommende Gegner eigentlich gar nicht so schlecht gespielt. Bei dem anderen Verein, bei dem auch keiner so richtig weiß, warum er in der Bundesliga spielen muss, hatte man lange Zeit in Unterzahl agieren müssen und trotzdem ein Unentschieden im Bereich des Möglichen gehalten. Gegen die Mannschaft der (mittlerweile deutlich vergangenen) Stunde Mainz 05 erzielte man ein klares 2:0 zu Hause, verlor dann unglücklich und trotz der besseren Gelegenheiten in Freiburg und wurde am vergangenen Wochenende vom Verein aus Dortmund nur deshalb besiegt, weil Schiedsrichter Brand mit einer feinen Einzelleistung das Spiel spät entschied.
Und das nachdem er in der ersten Halbzeit bereits auf eine äußerst jämmerliche Schauspieleinlage von Gittens hereinfiel, der vor lauter Aufregung ein Wegziehen des falschen Beins simuliert hatte. Guirassys folgenden Fehlschuss korrigierte er dann in der Nachspielzeit, als er nach einem ziemlich eindeutigen Foulspiel mit klarem Kopftreffer an Baumann den Hoffenheimer Torwart benommen durch den Strafraum wanken ließ, bis Anton den Siegtreffer für Dortmund erzielen konnte. Daran war im Sinne des Fußballs und der Gesundheit der Spieler einfach alles falsch, weshalb es im Nachgang von Schiri-Chefverteidiger Feuerherdt natürlich als dufte Entscheidung eingestuft wurde, sich die Situation besser nicht einmal selbst anzusehen. So lange man die Probleme des VAR-Schiedsrichterwesens auf diese scheinheilige Art wegleugnet, werden sie auch nicht gelöst werden. Und das ist schlecht für die Bundesliga, für die Schiedsrichter, für den VAR selbst und damit letztlich auch für den Fußball.
Der in diesem Fall leidtragende Verein ist also kommender Gegner im Borussia-Park, und kann dort in den letzten Spielen eine veritable Gruselstatistik vorweisen, die ihn wiederum als gern gesehenen Gast ausweist. Drei Niederlagen in Folge mit 10:3 Toren stehen da zu Buche, um der Wahrheit Genüge zu tun, sollte aber nicht verschwiegen werden, dass die Ergebnisse sich mit 5:1, 3:1 und 2:1 sich einem Erfolgserlebnis zuletzt annäherten. Und nun wird ein solches ob der Tabellensituation beim Gast vielleicht auch dringend gebraucht. Wie dringend, wird das Spiel am Freitagabend zeigen, wenn Heidenheim den VfL Bochum empfängt. Ein Heimsieg würde die Kraichgauer bis auf zwei Zähler an den Abgrund bringen und entsprechend im Borussia-Park unter Zugzwang setzen. Umgekehrt kann man bei einer Heimniederlage in Heidenheim und eigenem Erfolg in der Fremde die Saison mehr oder weniger vorzeitig beenden. So oder so wird es für Hoffenheim Motivation genug geben. Fraglich, ob es da noch diesen Trainer braucht.
Christian Ilzer ist nämlich ein Motivator; also, zumindest sieht er sich selbst als einen solchen. Er betritt schon mal vor einem Spiel die Kabine als Koch verkleidet und braut pantomimisch einen Zaubertrank mit Zutaten wie Chili (für „Schärfe“) und einem Dildo (für „Härte). Schon beim Niederschreiben ist man so peinlich berührt, als hätte jemand 2025 das Wort „affentittengeil“ benutzt.
Die Verletztenliste bei der TSG ist lang und namhaft. Torhüter Baumann hat sich bei der oben beschriebenen Aktion eine Gehirnerschütterung zugezogen und fällt aus. Ihn wird Luca Philipp ersetzen, ein Hoffenheimer Jung if ever there was one, denn er spielt schon die Hälfte seines 25-jährigen Lebens für die TSG. Was ja irgendwie auch ein Schicksal ist.
Neben Baumann gibt es diverse Langzeitverletzte in Sinsheim zu beklagen: Unter anderem Kabak, Prömel und Bebou stehen weiterhin nicht zur Verfügung. Dafür kehrt der zuletzte gelbgesperrte Tom Bischof zurück. Das Mittelfeldtalent, das im Sommer ablösefrei zu Bayern München wechseln wird (das kommt einem übrigens irgendwie bekannt vor), wird die Mannschaft sicherlich nicht schwächen. Zumal sich der ewige Kramaric zuletzt in hervorragender Verfassung präsentierte.
Bei der Borussia wird es vermutlich wenig Überraschungen auf die Frage geben, wer die Serie aus zuletzt vier sieglosen Spielen in Folge durchbrechen soll. Sollte Elvedi (Innenbandzerrung) nicht rechtzeitig fit werden, müsste sich Seoane entscheiden, ob er noch einmal auf Chiarodia oder nach dessen Patzer zuletzt doch auf Friedrich setzt. Letzterer konnte allerdings am Donnerstag auch nicht mittrainieren. Da Weigl auf dem Aufstellungsbogen mittlerweile schon auf der Druckvorlage steht und Florian Neuhaus sich nicht aufdrängt, werden Weigl und Reitz wieder die Doppelsechs bilden. Nur Čvančara wird seinen Platz in der Startelf verlieren, wenn Honorat wie vermutet wieder von Anfang an beginnen kann. Ansonsten wird Čvančara eine neue Chance erhalten zu zeigen, dass er kein Außenbahnspieler ist. In dieser Disziplin macht ihm aber auch keiner etwas vor.
Und ganz vorne darf natürlich Kleindienst beginnen. Auch er hatte zuletzt geschwächelt, unter der Woche sich aber immerhin nicht versteckt und die üblichen Worthülsen abgesondert, die in solchen Zeiten immer kommen: Borussia müsse „anders auftreten“, „gemeinsam verteidigen“, und die „Gier auf den Platz bringen.“ Da hat er natürlich völlig recht, aber man darf gespannt sein, was am Samstag um 15:42 Uhr davon noch übrig ist.
Borussia hat in den letzten vier Spielen nach menschlichem Ermessen die Saison final gekillt. Das ist selbstverständlich eine große Enttäuschung, und das ist auch kein Widerspruch dazu, dass die Tabellensituation des 32. Spieltags vor der Saison so gut wie ein jeder Borussia-Fan so unterschrieben hätte. Denn vor Wochen bot sich scheinbar die Chance, ganz überraschend sogar noch einmal etwas internationales Flair nach Gladbach zu holen; und so ziemlich jeder Fan ist sich wohl im Klaren, dass sich in der kommenden Saison eine solche Möglichkeit nicht mehr bieten wird. Daher rührt ein Teil der Enttäuschung. Viel wichtiger aber ist noch: Dass sich in diesen letzten vier Spielen wieder alle Probleme zeigten, die die Borussia jetzt schon seit Jahren begleiten und die man zumindest in Teilen überwunden glaubte, das lässt den Glauben schwinden, dass wirklich ein zarter Fortschritt nachhaltig geschafft wurde. Borussia war wieder genauso hilflos, wenn sie auf einen leidenschaftlich agierenden Gegner traf, der sich robust in die Zweikämpfe warf, wie sie es in den vergangenen drei Saisons war. Wieder sorgten einzelne, völlig unerklärliche Blackouts für Niederlagen, und wieder gingen die angeblichen Führungsspieler mit dem Rest der Mannschaft einfach unter. Das ist es, was frustriert: dass die nächste Saison wieder ganz hart werden könnte. Und ihr wisst alle, wie hart.
SEITENWAHL-TIPPS
Mike Lukanz: Borussia beendet die Saison und alle vagen Hoffnungen mit dem zähen 1:1 endgültig. So können sich alle auf die Auswärtsfahrt nach München freuen, wo Borussia beim Thomas-Müller-Abschiedsspiel und ggf. verbundener Meisterfeier ganz sicher ein gern gesehener und dankbarer Gast sein wird.
Claus-Dieter Mayer: Ob ich daran glaube weiß ich nicht, aber zumindest hoffe ich, dass - wenn schon der eigene Erfolg dem Team egal zu sein scheint – die Borussia zumindest den Anstand aufbringt, die Hoffnung der Nation auf einen Abstieg Hoffenheims am Leben zu erhalten. 3:1 für die Guten, weil ich es einfach so will!
Christian Spoo: Borussia muss sich nochmal zusammenreißen, um die Saison zu einem versöhnlichen Ende zu bringen. Das gelingt gegen Hoffenheim ganz gut. 2:0.
Volkhard Patten: Endlich einmal ist der Gästeblock bei einem Hoffenheim-Spiel im Borussia-Park voll. Das motiviert das Heimteam zu einem klaren 4:1-Erfolg.
Michael Oehm: Man könnte befreit aufspielen, man könnte auf einen verkrampfenden Gegner treffen, man könnte eigentlich… Mit viel Glück ein Unentschieden (1:1) zusammenduseln, das ist schon das höchste der Gefühle. So richtig glaube ich nicht mal daran.
Michael Heinen: Es wird mal wieder Zeit für einen Dreier. An diesem Wochenende ist es zumindest für Borussia so weit: Hoffenheim wird mit 2:1 geschlagen.