Mit dem Papst in der Tasche auf der Reeperbahn

Mit dem Papst in der Tasche auf der Reeperbahn

Borussia hätte Großes schaffen können an diesem 28. Spieltag beim Gastspiel gegen den FC St. Pauli. Zum Beispiel eine Serie von drei (in Zahlen “3”) Siegen in der Bundesliga hinzulegen. Sich an das ungleiche Duo auf den Championsleage-Plätzen heranzusaugen. Platz fünf zurück- und vier Punkte Vorsprung auf den unschönen Platz sieben herauszuholen. Eigentlich fehlten nur fünf Minuten, dann hätte Borussia Großes geschafft. Aber nur eigentlich. Uneigentlich fehlte ein ganzes Spiel, bzw. eine adäquate Einstellung dazu.

Personell bot Trainer Seoane in Hamburg keine Überraschungen auf. Wieder vertrat Cardoso den Vertreter der etatmäßigen Nummer 1. Allerdings zeigte sich hier die größte Änderung im Kader: Hatte man in den vergangenen Spielen den Eindruck gehabt, dass Borussia bei der Abwehrleistung besonders konzentriert und kompromisslos zur Sache ging, weil man dem Jungspund im Gladbacher Tor einen möglichst einfachen Tag bereiten wollte, war diese Schonfrist ganz offensichtlich vorbei und das noch gelbe Küken wurde ohne weitere Umstände aus dem Nest geschubst: Jetzt musst Du schon selbst ran, wenn Du den Kasten sauber halten willst. 

Zum Glück für die Borussia zeigte zumindest eben jener Jungspieler an diesem Tag eine bundesligareife Leistung. Zum Unglück war er damit allerdings allein auf weiter Flur. Über die gesamte erste Halbzeit kam die Borussia fast nie zu einem geordneten Spielvortrag. Wenn überhaupt mal etwas nach vorne ging, dann durch schnelles Umschalten im Stile eines Konterteams zu Gast bei einer spielerisch hoch überlegenen Mannschaft. Ansonsten hatte St. Pauli den Ball und erarbeitete sich zahlreiche Abschlüsse, die hin und wieder sogar richtig gefährlich wurden. Borussia hatte in den ersten 45 Minuten eigentlich nur eine Torannäherung zu bieten, einen Kopfball von Kleindienst nach Flanke von Honorat, die allerdings keine Brenzligkeit heraufzubeschwören vermochte. In einer weiteren Situation startete Hack einen Sololauf und wurde im Strafraum vom Ball getrennt, und zwar ohne dass der Ball gespielt wurde. Dafür muss es wahrscheinlich keinen Elfmeter geben, es ist aber auch nicht so, als wenn es einen solchen noch nie gegeben hätte. Auf der anderen Seite fühlte man sich kurz an das Gastspiel bei Werder Bremen erinnert, wieder einmal gab es einen Kontakt bei einem aus dem Strafraum laufenden Spieler, und wieder wurde zunächst auf Freistoß entschieden, der dann aber in einen Elfmeter korrigiert werden sollte, aber dieses Mal schaute Christian Dingert dann lieber noch einmal genau hin, und dann fiel ihm auf, dass überhaupt kein Foul vorgelegen hatte. 

Dass Borussia nach Ablauf der 45 Minuten noch vor dem Halbzeitpfiff in Führung gehen konnte, war eigentlich ein Witz, allerdings schon ein ziemlich guter. Wieder hatte Honorat geflankt (falls das jetzt so klingt, als habe dieser ein gutes Spiel abgeliefert, so muss man leider enttäuschen: das war auch alles, was man hervorheben kann), dieses Mal in Ausführung eines Eckstoßes, und Itakura hatte den Ball trocken per Kopf ins lange Eck befördert. Borussia ging also mit einer höchst schmeichelhaften Führung in die Halbzeit, aber man führte nun einmal und mit dieser Führung im Rücken und einer sehr schwachen Leistung im Gepäck konnte es ja in der zweiten Spielhälfte nur besser werden. 

Aber Borussia wusste mal wieder zu überraschen und nahm nochmal zwei Schippen runter und zur Sicherheit auch drei Gänge raus. St. Pauli durfte schalten, walten und flanken quasi nach Belieben. Man gestattete dem Gegner 11 Ecken und insgesamt 26 Torabschlüsse. Zwar fiel der Ausgleich erst kurz vor Schluss, aber trotzdem kann kein Zweifel bestehen, dass er höchstverdient war und sich niemand hätte beschweren können, wäre auch noch der verbliebene Punkt an der Reeperbahn geblieben. Auch wenn ein xGoals-Wert von 1,58 angesichts dieser Überlegenheit auch ein bisschen luschig ist. St. Pauli muss sich schon fragen lassen, wie man aus diesem Spiel nur einen Punkt mitnehmen konnte. Die Antwort: Es war ein bisschen Pech, ein bisschen Unvermögen vor dem Tor, und sehr viel gelbes Küken. 

Das einzig Positive an diesem gebrauchten Sonntagnachmittag war, dass niemand im Anschluss versuchte, das Geschehene schönzureden, und man durchaus selbstkritisch mit der eigenen Leistung bzw. der Absenz einer solchen umging. Wenn es noch etwas werden soll mit dem europäischen Geschäft, ist es dringend nötig, dass den Worten aber auch Taten folgen. Vorerst nicht mehr mithelfen können wird vermutlich der spät eingewechselte Nathan Ngoumou, der sich nach Schlusspfiff beim Auslaufen wohl schwerer verletzte. Große Chance bei einem vermeintlich kleinen Verein vertan, eine Führung verspielt; das alles erinnert unangenehm an die letzte Saison. Nur dass Borussia an einem Tag, an dem sie sogar nach Spielschluss noch schlechte Schlagzeilen produzierte, trotzdem einen Punkt mitnimmt, war dann doch so gar nicht typisch Borussia und lässt noch Hoffnung da. Die Frage ist, wieviele katholische Kirchenoberhäupter man noch in petto hat, die man in die Stutzen packen kann. 

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