Europa ist eher so Mainz

Es sollte ein wegweisendes Spiel werden an diesem Freitagabend gegen die Mannschaft der Stunde, den FSV Mainz 05. Wurde es letztlich auch, denn Borussia musste gegen eine erstaunlich abgebrühte Mannschaft feststellen, dass es für Europa in dieser Saison vielleicht doch noch nicht reicht.

Gerardo Seoane nahm im Vergleich zum souveränen 3:0 in Heidenheim vier Wechsel der Startelf vor, von denen drei erwartbar waren und eine zumindest überraschte. Gelbgesperrt zusehen mussten Ko Itakura und Joe Scally, die durch Stefan Lainer und Marvin Friedrich ersetzt wurden. Auch Kapitän Jonas Omlin kehrte ins Tor zurück und dämpfte die Hoffnung aller deren, die auf einen weiteren Startelfeinsatz des tollen Talents Tiago Pereira Cardoso gehofft hatten. Etwas überraschend war hingegen die Wahl Seoanes für Kevin Stöger statt Alassane Plea, hatte er den Franzosen doch zuletzt noch sehr gelobt.

Die ersten 15 Minuten waren von Abtasten geprägt, beide Mannschaften gingen mit Respekt voreinander in die Partie. Die Zweikämpfe im Spiel waren intensiv, Torchancen entstanden indes keine. Doch schon in diesen Anfangsminuten war zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit und spielerischen Ruhe die Gäste aus Mainz auftraten. Wenig zu sehen vom aus der Vergangenheit bekannten, oft sehr körperlichen Spiel, das vor allem von Dominik Kohr über Gebühr personalisiert wurde. Kohr wird noch seine Rolle im Spiel haben, doch dazu später mehr.

Ab Minute 20 nahm das Spiel dann Fahrt auf. Den Beginn machten der quirlige Amiri, den nicht wenige Gladbacher Fans seinerzeit auch gerne aus Leverkusen an den Niederrhein geholt hätten, und Paul Nebel mit einem Distanzschuss. Wenige Minuten später lag der Torschrei dem Großteil der über 50.000 Zuschauer auf den Lippen, als Kleindienst von einem Fehlgriff Robin Zentners im Mainzer Tor profitierte, doch Kleindiensts Kopfball ging nur an die Latte und nicht ins Tor. Es war die stärkste Phase Borussias, Mainz stand tief und fokussierte sich aufs Verteidigen. Kurz nach dem Lattentreffer hatte Stöger seine einzige nennenswert gute Aktion im Spiel, als er von Kleindienst über den linken Flügel eigentlich mustergültig bedient wurde, doch Stöger entschied sich seltsamerweise für seinen schwächeren rechten Fuß und verzog aus sehr guter Position sehr deutlich.

Wie es aber nun einmal so ist mit Spitzenmannschaften oder auch denen, die qua Form aktuell zur Spitze der Liga gehören, lassen sie sich von solchen heiklen Momenten nicht irritieren, sondern setzen selbst Nadelstiche im richtigen Moment. In der guten Gladbacher Phase spielte Mainz einen Angriff über links sauber aus, in der Mitte war Nebel schneller am Ball als Ullrich und drückte den Ball halb abgefälscht, halb kullernd gegen die Laufrichtung von Omlin über die Linie (39.).

Rund um die Halbzeitpause hatte dann der schon genannte Dominik Kohr seine vielleicht spielentscheidenden Momente. Kohr, gerade erst von seiner zweiten Gelbsperre der Saison zurück in der Startelf, schlug Stöger wenige Sekunden vor dem Halbzeitpfiff in einem Zweikampf im Strafraum abseits des Balls gegen den Hals. Stöger ging pflichtgemäß und etwas zu theatralisch zu Boden. Einmal mehr blieb dem geneigten Zuschauer die eigene Logik des VAR verwehrt: dass diese Aktion mit einem Elfmeter für Gladbach geahndet würde, wäre zweifelsohne sehr hart, aber vertretbar gewesen. Es gab schon Elfmeter für sehr viel Banaleres. Dass diese Szene jedoch offenbar für nicht überprüfungswürdig bewertet wurde, ist dann doch fragwürdig. So ging es mit einem 0:1 und einem nicht des Feldes verwiesenen Kohr in die Kabinen.

Und natürlich, so möchte man meinen, war es dann Kohr, der zu Beginn der zweiten Halbzeit der Partie zum ersten Mal den Stecker zog. Erneut war es der überragende Amiri, der einen Freistoß aus zentraler Position geistesgegenwärtig und schnell in den Strafraum lupfte. Dort vermochten es vier (!) Gladbacher nicht, Kohr am Kopfball aus fünf Metern zu hindern, den Omlin mit einem Reflex noch abwehrte. Doch auch beim Nachschuss blieb Kohr gedanklich schneller und schob den Abpraller aus einem Meter über die Linie. Es war ein symbolisches Tor für den gesamten Abend, dass Mainz einfach immer diesen Tick wacher, schneller und zielstrebiger war.

In der Folge nahm das Spiel einen fast schon klassischen Verlauf, in der eine kämpfende, aber limitiert wirkende Mannschaft (Borussia) gegen eine vor Selbstbewusstsein strotzende Mannschaft (Mainz) anlief. Die Gäste waren mit dem 2:0 zufrieden, Borussia wurde offensiver und erspielte sich ein paar Chancen. Eine davon stocherte tatsächlich Lainer, als Torschütze so selten in Spielberichten zu finden wie auf der Gegenseite Kohr, ins Tor, nachdem Zentner einmal mehr etwas unglücklich eine Flanke von links nicht festhalten konnte. Zuvor war schon Robin Hack sehr aussichtsreich an Zentner gescheitert.

Und so tat Mainz das, was eine Mannschaft in dieser Verfassung eben so tut in solchen Momenten. Als alle hofften, dass mithilfe des Stadions und etwas Glück vielleicht doch noch das Remis möglich wäre, war es der beste Spieler des Abends, Nadiem Amiri, der endgültig das Licht ausknipste. Nach einem Doppelpass mit Lee schweißte Amiri den Ball aus 20 Metern nur vier Minuten nach dem Anschluss zum 1:3 ins lange Eck. Die Partie war gelaufen, Borussia gab auf und Mainz brachte den unterm Strich sehr verdienten Sieg sicher nach Hause.

Gegen die Überraschungsmannschaft der Saison zu verlieren, ist kein Beinbruch und auch die Fans im Borussia-Park hatten nach Schlusspfiff ein feines Gespür, als Pfiffe ausblieben und die Mannschaft mit Applaus verabschiedet wurde. Nach dem 0:3 vor zwei Wochen gegen Augsburg war dieses 1:3 gegen Mainz jedoch der zweite heftige Dämpfer in einem Heimspiel. Natürlich liegt Borussia mit 37 Punkten noch immer absolut im Soll, auch sind europäische Plätze noch nicht aus der Reichweite, aber der letzte, nächste Schritt, um sich oben festzusetzen, fehlt aktuell doch noch. Das Spiel hat zudem gezeigt, wie empfindlich das Gerüst Borussia nach wie vor ist, wenn Leistungsträger fehlen.

Die Bilder der Saison