Puh, was war das für eine Woche! Politisches Drama in den USA und gleichzeitig in Deutschland, die Nachrichtenredaktionen kamen kaum nach, so überschlugen sich die Ereignisse. Komplett ruhig war es im Vergleich dazu in Mönchengladbach. Selbst die ziemlich wirren Aussagen von Roland Virkus nach dem Bremen-Spiel („Die Erwartungshaltung ist so, dass wir eigentlich Champions League spielen müssen.“) wurden vom Gladbacher Geschäftsführer Sport bald wieder zurechtgerückt („Mir ist klar, dass niemand von der Champions League träumt.“). Etwas unklar bleibt, wie beide Aussagen miteinander in Einklang zu bringen sind, außer man räumt ein, dass der Gladbach-Boss zuweilen ziemlichen Unsinn faselt, wenn man ihm dann ein Mikrofon vors Gesicht hält.
Ansonsten hat der klare Sieg über die bis dahin auswärts ungeschlagenen Bremer die nach drei unerquicklichen Auswärtsspielen in Augsburg, Mainz und Frankfurt doch recht negative Stimmung wieder aufgehellt und mit einer ausgeglichenen Bilanz (4 Siege, 4 Niederlagen) steht die Borussia so gut da wie zuletzt im Februar 2023 unter Daniel Farke. Zusätzlich ist das Enttäuschungspotential am Samstagabend im Topspiel in Leipzig relativ gering, denn bei der als Fußballteam getarnten Werbe-Maßnahme rechnet sich eh kaum ein Gladbachfan irgendetwas aus. Noch nie konnte die Borussia bei RB gewinnen, selbst eine 2:0-Führung unter dem jetzigen Leipzig-Trainer Marco Rose reichte zweimal nicht. Insofern wird auch die „Kann die Borussia endlich mal wieder zwei Spiele in Folge gewinnen?“-Frage nicht so heiß diskutiert wie zuletzt, da die einfache Antwort „vermutlich nicht!“ lautet.
Dabei sollte man aber das Red Bull-Konstrukt nicht stärker reden, als es ist. Zwar war man bis vor einer Woche saisonübergreifend in 19 Spielen ungeschlagen gewesen und befand sich punktgleich mit den Bayern auf Platz 2, aber auch der numerisch gute Saisonstart war bei näherer Betrachtung nicht so überzeugend wie man meinen könnte. Ein hauchdünnes 1:0 gegen die bislang desolat wirkenden Bochumer, nur 0:0 daheim gegen Union und in St. Pauli, nach einem komplett dominanten Spitzenteam klingt das nicht. Der Trumpf ist bislang die Defensive: in 6 von 9 Partien blieb man ohne Gegentreffer. Der Leipziger Angriff ist aber weitaus weniger überzeugend: 15 erzielte Treffer sind besseres Liga-Mittelfeld, im Vorjahr hatte man zum gleichen Zeitpunkt schon 10 Treffer mehr erzielt. Hat Marco Rose seinen inneren Tedesco entdeckt? Vielleicht, aber wahrscheinlicher ist, dass man im Augenblick offensiv einfach nicht mehr hinbekommt, als bislang gezeigt. Der Abgang von Dani Olmo scheint die Fuschl-Sachsen härter getroffen zu haben als erwartet und macht den Ausfall von Xavi Simons (Operation am Sprunggelenk) umso bitterer für das Rose-Team. Die Champions-League Reform mag ein nur von Geldgier getriebener Schwachsinn sein, aber der Blick auf die Tabelle ist doch aufschlussreich: Da stehen die Rasenballaballer nämlich sieglos auf dem 32. Platz von 36 Teams. Schade, dass man dort nicht absteigen kann! Gerade die Niederlage beim traditionsreichen, aber nicht gerade hochgradig besetzten Celtic FC, sollte ein Warnsignal sein (wie man Celtic wegfiedelt hat die Borussia ja erst kürzlich vor 8 Jahren gezeigt).
Gerardo Seoane muss in Leipzig weiterhin auf Nico Elvedi verzichten und auch Jonas Omlin wurde zwar unter der Woche erstmals wieder auf dem Trainingsplatz gesichtet, ist aber vorerst keine Option im Tor. Nach seinen zuletzt ansprechenden Leistungen könnte Lucas Ullrich sich vorerst auf der linken Seite fest gespielt haben, zumal sein Konkurrent Luca Netz weiterhin ausfällt. Die wohl spannendste Personalie beim VFL ist momentan Kevin Stöger. Schien der Ex-Bochumer zu Saisonbeginn eigentlich gesetzt, so hat ihn Robin Hack mittlerweile aus der Startelf verdrängt und Stögers eigentliche Paradeposition als Mann hinter den Spitzen wurde zuletzt von Alassane Plea recht gut ausgefüllt. Gut möglich, dass Stöger trotz seines Tores gegen Bremen am Samstagabend zunächst mal auf der Bank sitzen wird.
Auch wenn allgemein keine allzu hohe Punkteausbeute in Leipzig von der Borussia erwartet wird, wäre eine Bestätigung der Leistung gegen Bremen wünschenswert. So wach, griffig und druckvoll hatte man die Fohlenelf lange nicht gesehen und mit dieser Einstellung kann man theoretisch auch eine leicht kriselnde Leipziger Mannschaft beeindrucken. Andererseits soll man sich nichts vormachen: allein schon die individuelle Klasse eines Spielers wie Lois Openda, sollte gegen eine Gladbacher Abwehr, die immer für einen Aussetzer gut ist, in Normalfall reichen.
Seitenwahl-Tipps:
Claus-Dieter Mayer: Vielleicht sollte Borussia aus Protest gegen das alle Regeln verletzende Leipziger Fussball-Konstrukt einfach die Anreise verweigern. Man würde sich Kosten ersparen und das Ergebnis wäre dasselbe, denn RB gewinnt am Ende mit 3:0. Dabei fängt die Borussia durchaus ordentlich an in Leipzig, aber Marcos Roses Elf nutzt die wenigen Defensivpatzer der Gladbacher eiskalt aus.
Christian Spoo: In einer Woche, in der das Böse auf der Welt einen Sieg nach dem anderen einfährt, kann es gar nicht anders sein: Leipzig gewinnt mit 4:1.
Michael Heinen: In Leipzig gibt es den erwartbaren Rückschlag. Borussia verliert mit 1:3.
Mike Lukanz: Christian Spoo hat alles gesagt, und das auch in den richtigen Worten.
Kevin Schulte: Kein Drama, aber auch keine Überraschung: Ein „Verein“, der nichts in der Liga zu suchen hat, besiegt Borussia Mönchengladbach mit 3:1.
Michael Oehm: Wenn man im Rennen um die Champions League-Plätze bleiben will, ist ein Sieg bei den jüngst erfolglosen Werbeträgern aus Leipzig ja schon fast Pflicht. Von der reden in Gladbach allerdings nur Leute, die Kommunikation nicht zu ihren Kernkompetenzen zählen. Passt aber gut zum kommenden Gegner, denn da steht einer an der Seitenlinie, dessen Meisterschaft im Worthülsenkombinieren es durchaus mit der des Gladbacher Sportdirektors aufnehmen kann: „Es ist keine einfache Phase. Die Alternative ist, dranzubleiben und an uns zu glauben,“ sagte jener Übungsleiter nämlich unter der Woche mit Verweis auf die vielen Verletzten. Ich würde zu gerne wissen, zu was das die Alternative ist. Ich fürchte, die Alternative ist, einfach humorlos einen 2:0 Heimsieg einzufahren. Viel lieber wäre mir, sie blieben an was auch immer dran, glaubten an sich, und ließen sich einen Standard zum 0:1 einschenken.