Erstmals seit langer Zeit herrschte vor einem Spiel von Borussia Mönchengladbach wieder eine grundoptimistische Stimmung rund ums Stadion. Der couragierte Auftritt gegen Leverkusen, Siege im Pokal und im Bundesligaspiel in Bochum, ein augenscheinlicher Mentalitätswandel und drei auf Anhieb funktionierende Neuzugänge. Bei Sportschau-Online verstieg sich ein Boulevardschreiber sogar zu der Aussage, „Virkus überzeugt so langsam seine Kritiker“. Davon abgesehen, dass… ach, lassen wir das. Einfach nein.
Nach der Heimniederlage gegen den VfB Stuttgart ist klarer denn je: Es war grob fahrlässig, in die Defensive nicht zu investieren. Gegen den Vizemeister ist Borussia fast eine Stunde lang die bessere Mannschaft, presst hoch, setzte Stuttgart unter Druck. Kleindienst, Stöger, Honorat und Plea harmonieren offensiv ausgezeichnet. Es macht Spaß, ihnen beim Fußballspielen zuzusehen. Auch Weigl und Sander tun ihren Teil dazu. All das nutzt aber wenig, wenn die Verteidiger bzw. die verteidigenden Spieler in den entscheidenden Momenten nicht wach sind.
Vor dem 0:1 lässt sich Stöger auf der linken Abwehrseite von Vagnoman düpieren wie ein Bezirksligakicker, den folgenden Schuss von Leweling lässt Omlin suboptimal prallen, so dass Deniz Undav problemlos einschießen kann. Vor dem 1:2 lässt sich Netz von Rieder abkochen, wie ein Kreisligakicker, Itakura lässt Demirovic laufen und Omlin sieht erneut unglücklich aus.
Beim 1:3 stützt sich Chabot regelwidrig bei Scally auf, der allerdings gar nicht richtig ins Duell geht. Den Ball erreicht Demirovic per Kopf, wobei er von Elvedi und Weigl völlig unbehelligt hochgehen kann. Das Tor hätte dennoch nicht zählen dürfen, aber im Kölner Folterkeller hat man sich in dieser Saison bis hierhin offenbar für Borussia in der Rolle des „Sub“ entschieden. In Summe war es diesmal aber mitnichten der VAR, der Borussia geschlagen hat, das hat die Mannschaft schon selbst hinbekommen.
„Fußball ist ein Fehlersport“ phraselt der seine Kritiker angeblich überzeugt habende Sportdirektor nach dem Spiel. Ja, wenn man Borussia Mönchengladbach ist, dann trifft das wohl zu. Borussia macht defensiv nach wie vor so viele Fehler, dass alle Kleindienste der Welt das vorne nicht werden ausbügeln können.
Was neben der Anfälligkeit der Hintermannschaft noch gegen einen Borussen-Erfolg gegen Stuttgart sprach: Die Verletzung von Alassane Plea nach dem 1:1 und der folgende Wechsel. Dass Nathan Ngoumou kein Linksaußen ist, weiß jeder, der in den vergangenen 24 Monaten mal ein Spiel des Franzosen gesehen hat. Wie groß wäre die Chance gewesen, die Ngoumou unmittelbar nach seiner Einwechslung bekam, hätte er sich den Ball nicht umständlich auf den rechten Fuß legen müssen. Ansonsten war der Mann mit der 19 wirklich bemüht, allein gelingen wollte ihm so gut wie nichts. Weder harmonierte er mit seinen Mitspielern, noch setzten die ihn so ein, dass er seine Schnelligkeit hätte ausspielen können. Mehrmals ließ er sich von den Stuttgarter Defensiven ins Abseits tölpeln, in der zweiten Halbzeit hatten seine Aktionen zunehmend etwas Verzweifeltes. Er wollte so gerne und konnte doch nicht. Und was hilft alle Schnelligkeit, wenn der Gegner den wenig robusten Ngoumou durch pures Reinstellen des Körpers an seine Grenzen bringt. Im Publikum wurde am Ende gar Gelächter laut, wenn der bemitleidenswerte junge Mann wieder mit irgendeiner Idee scheiterte. Fast hätte man sich gewünscht, Gerardo Seoane würde ihn erlösen, doch Ngoumou musste bis zum Ende mitspielen.
Als Robin Hack letzten Endes doch eingewechselt wurde, gelang ihm in wenigen Minuten deutlich mehr, da allerdings war die Messe bereits gelesen. Die weiteren Wechsel zum Ende hin waren Zeichen purer Verzweiflung. Tomas Cvancara lief vogelwild irgendwo vorne rum. Florian Neuhaus mühte sich, dem Spiel ein wenig Struktur zu geben, aber da hatte die Mannschaft sich mit der Niederlage längst abgefunden.
Was das alles so bitter macht, ist, dass Borussia dieses Spiel überhaupt nicht hätte verlieren müssen. Im Grunde hatte man Stuttgart über weite Strecken im Griff. Solange das Spiel nicht in der Nähe des eigenen Strafraums stattfindet, ist alles in Ordnung. Das ist ein Fortschritt gegenüber der vergangenen Saison und mit etwas Glück bringt uns das in dieser Saison den einen oder anderen Punkt mehr ein. Aber die Probleme, die bestehen, sind Probleme mit Ansage. Und deswegen sind Niederlagen wie die gegen Stuttgart so außerordentlich ärgerlich.