Eine Legende bleibt Borussia erhalten: Die Borussen-Umfrage ist 2022/23 zurückgekehrt und hat die Gladbacher Fangemeinde in den letzten Tagen so sehr elektrisiert wie kein anderes Thema. Ok, außer dem Schützenfest im Pokal vielleicht. Und dem souveränen 3:1-Ligaauftakt gegen Hoffenheim. Aber sonst hat nichts… Außer natürlich der Vertragsverlängerung von Alassane Plea. Sowie der fast noch unerwarteteren Verlängerung mit Nationalheld Jonas Hofmann. Und nicht zu vergessen die Transfergerüchte um Franck Honorat, Konrad de la Fuente und Dion Beljo. Aber sonst konnte wirklich so gut wie nichts mit der Borussen-Umfrage 2022/23 mithalten.

Die Seitenwahl-Redaktion ist dem Aufruf ebenfalls geschlossen gefolgt und hat die 15 Fragen pflichtschuldig beantwortet. Nachdem wir Euch gestern einen Einblick in die Gesamtergebnisse der Umfrage vermittelt haben, können wir Euch heute die Erwartungen der insgesamt acht Redaktionsmitglieder verraten. Eine ausführliche Auswertung der gesamten Ergebnisse aller Teilnehmer in den einzelnen Fragen erwartet Euch in den kommenden Wochen.

Borussias Abschneiden in Meisterschaft und Pokal

Fangen wir hinten an, denn am wichtigsten ist die Frage, wie Borussia in der Bundesliga abschneiden wird. Im Schnitt erwartet die Redaktion einen 8. Platz (genauer: 8,3), was etwas mehr als ein Platz schlechter ist als die durchschnittliche Erwartungshaltung aller Umfrage-Teilnehmer.

Am optimistischsten ist Uwe Pirl, der eine glorreiche Rückkehr in die Champions-League vorhersieht. Und nein, das Spoorakel wird bei dieser Frage seinem Ruf als Chefpessimist nicht gerecht: Christian Spoo glaubt an einen soliden 9. Platz, womit er von zwei Redakteuren unterboten wird: Claus-Dieter Mayer (Platz 11) und Volkhard Patten (Platz 12) machen sich noch größere Sorgen um ihre Borussia.

Im DFB-Pokal wird von fast allen Redakteuren das Aus im Viertel- oder Achtelfinale erwartet. Michael Heinen fürchtet wie im Vorjahr ein relativ frühzeitiges Ende der Pokalträume: „In Runde 2 kommt Borussia kampflos weiter, weil die Bayern nach der Auslosung freiwillig auf eine neuerliche Reise in den Borussia-Park (inkl. Demütigung) verzichten. Im Achtelfinale wartet ein Auswärtsspiel in Bochum, wo Borussia nach Verlängerung mit 2:1 verliert. 11 Jahre nach der Relegation kann sich der kleine VfL endlich revanchieren.“

Michael Oehm widerspricht dem und bemüht dazu die Statistik: „Seit mehr als 50 Jahren schied Borussia nicht in 2 Saisons nacheinander im Achtelfinale aus. Die Option ist also raus.“

Europapokal und Absteiger

Die langweiligste Frage bezieht sich auf die potenziellen Champions League Teilnehmer, wo die Topantwort in einer Wiederholung des Vorjahresergebnisses liegt. Nicht nur Michael Heinen ist hier desillusioniert: „Einzig Frankfurt traue ich ernsthaft zu, in die Phalanx der ersten Vier einzugreifen. Am Ende werden es aber vermutlich doch wieder dieselben unsympathischen Vereine wie (fast) immer.“

Uwe Pirl kann sich nicht durchringen, RB Leipzig zu benennen, die er stattdessen bei einer anderen Frage würdigt. Dafür nominiert er als einziger Borussia.

In der Europa League gelten Wolfsburg (4 Stimmen), Frankfurt und Hoffenheim (je 3 Stimmen) als Favoriten der Redaktion. Christian Grünewald ist der Einzige, der Borussia benennt. Michael Heinen nominiert seinen Verein dagegen bei der Frage nach der Europa Conference League: „Nachdem der Effzeh sich dort in dieser Saison blamiert, zeigen wir ihnen nächste Saison wie es besser geht.“ Führend bei dieser Frage zu Platz 7 sind aber Freiburg (3 Stimmen) und Mainz (2 Stimmen).

Michael Oehm dagegen „fragt sich wirklich, warum wir auf den europäischen Plätzen nicht dabei sein sollten. Aber wir sind es nicht.“

Geht es nach der Seitenwahl-Redaktion, dann sind die Abstiegsplätze an Augsburg (6 Stimmen) und Bochum (5 Stimmen) vergeben. Uwe Pirl zeigt sich innovativer und nominiert RB Leipzig sowie VW Wolfsburg.

Die Relegation könnte dagegen nach Meinung der Redaktion am ehesten nach Stuttgart (4 Stimmen) oder Schalke (2 Stimmen) gehen.

Potenzielle Stammelf

Doch zurück zur Borussia, wo sich nach Einschätzung der Redaktion folgende Stammelf abzeichnen könnte:

Sommer – Scally, Friedrich, Elvedi, Lainer/Netz – Kone, Neuhaus – Hofmann, Stindl, Thuram – Plea

Dies sind die Spieler, die bei der Frage nach mindestens 25 Ligaeinsätzen am häufigsten genannt werden, wobei Lainer und Netz auf dieselbe Anzahl Stimmen (je 3) kommen und sich daher in dieser Aufstellung um einen Platz in der Außenverteidigung balgen.

Michael Oehm benennt nur 8 Spieler mit folgender Begründung: „Bei unserem Verletzungspech wage ich nicht auf mehr zu hoffen.“

Trainer und Manager

Wenig überraschend fällt das Urteil zu Daniel Farke positiver aus als das zu Roland Virkus, den Christian Grünewald z. B. „eingeschränkt positiv“ bewertet. Claus-Dieter Mayer sieht das ähnlich: „Virkus wird weiterhing mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden, profitiert aber davon, dass auch nichts katastrophal falsch läuft und man sich mit der Zeit an ihn (und auch seinen Schnauzer) gewöhnt.

Weniger euphorisch fällt das Urteil von Christian Spoo aus, der sich schon bei der Verpflichtung des neuen Sportdirektors kritisch geäußert hatte: „Farke wird beliebt bleiben, selbst wenn die Resultate mäßig sind. Virkus bleibt Virkus bleibt der Busfahrer.“

Mit diesem Urteil dürfte er nach der Entwicklung der letzten Tage nicht mehr auf allzu viel Zustimmung bei den meisten Borussen-Fans stoßen. Christian wird sich aber wahrscheinlich selbst am allermeisten freuen, sollte er sich bei dieser Frage auch nach Saisonende noch in den Flop-Rängen wiederfinden.

Gegentore und Torjäger

In der Defensive gab es in den letzten beiden Spielzeiten zunächst 56 und dann gar 61 Gegentore. Eine katastrophale Bilanz, die im neuen Jahr dringend verbessert werden muss. Kein Redakteur geht davon aus, dass es erneut in diese Richtung gehen wird. Mit 52 Gegentoren ist Claus-Dieter Mayer am pessimistischsten: „Es wird nicht mehr die kompletten Einbrüche wie im Vorjahr geben, aber Gladbach bleibt weiterhin immer für ein Gegentor gut.“

Michael Oehm ist mit 40 Gegentoren der größte Optimist. Im arithmetischen Mittel legt sich die Seitenwahl-Redaktion auf 45,43 Gegentore fest und ist damit etwas pessimistischer als die Borussen-Fangemeinde insgesamt (44 Gegentore).

Dafür werden in dieser Saison hoffentlich auch wieder mehr eigene Tore erzielt. Hauptverantwortlich sehen die Redakteure dafür Marcus Thuram (4 Stimmen). Eine Stimme entfällt auf Lars Stindl, was Michael Oehm aber vor dessen Verletzung prognostizierte. Er traute ihm als Toptorjäger 9 Tore zu: „Die Tore verteilen sich auf viele Schultern. Eine Stärke, aber auch Schwäche.“

Volkhard Patten glaubt dagegen an 15 Tore von Alassane Plea, der „in der neuen Saison zeigt, dass er im neuen System hinter den Spitzen seine Stärken hat und dort Stindl verdrängen wird.“

Positive und negative Überraschungen

Manuel Friedrich (3 Stimmen) und Florian Neuhaus (2 Stimmen) werden als wahrscheinlichste Positivüberraschung gesehen. Claus-Dieter Mayer fasst die Topantwort wie folgt zusammen: „Marvin Friedrich kam zu einer Scheißzeit zu uns, in der alles schief ging. Dieses Jahr werden wir sein wahres Potential sehen und "Who the fuck is Ginter?" dazu singen.“

Es gibt aber auch überraschende Antworten auf diese erste Frage. So glaubt Volkhard Patten, dass „Patrick Herrmann im neuen alten System unter Farke seinen dritten Frühling erlebt.“ Uwe Pirl hat noch Hoffnung bei einem Rückkehrer: „Hannes Wolf ist ein guter Fußballer, aber körperlich für das in den letzten drei Jahren präferierte Spiel einfach nicht gemacht. Jedenfalls nicht in der Bundesliga. Jetzt hat Gladbach aber einen Trainer, dessen Ideal nicht mehr im Anlaufen, sondern im Fußball SPIELEN besteht. Könnte sein, dass Wolf einer der großen Gewinner ist.“

Negativ überraschen könnte am ehesten Stefan Lainer (4 Stimmen). Michael Oehm sieht hingegen als einziger Ramy Bensebaini negativ: „Überraschend wechselt er doch noch zu einem ganz ekligen und doofen Verein. Für voll wenig Geld. Gemein!“

Neuzugänge und Abgänge

Ko Itakura wird grundsätzlich positiv gesehen und ihm ein Stammplatz zugetraut. Volkhard Patten sieht dies „aufgrund der Eingewöhnung erst nach der Winterpause“. Michael Oehm befürchtet dagegen, „eine Muskelverletzung setzt ihn für viele Spiele außer Gefecht.“

Oscar Fraulo werden zumeist nur Kurzeinsätze zugetraut, in denen er aber nach Ansicht der meisten Redakteure gute Ansätze zeigen wird. Thomas Häcki glaubt z. B., „Fraulo zeigt mit vielversprechenden Ansätzen, warum er der bessere Benes ist.“

Dass Borussia im Laufe dieser Saison noch einen Mittelstürmer verpflichtet, glauben alle Redakteure, was angesichts der Aussagen der Verantwortlichen nicht überrascht. Volkhard Patten ist sich sicher: „Der Kaderplatz von Embolo wird mit einem Torjäger gefüllt, der die Liga kennt und zweistellig knipst.“ 

Immerhin jeder 2. Redakteur glaubt zudem an einen neuen Linksverteidiger. Am mutigsten ist Thomas Häcki, der von vier noch ausstehenden Neuverpflichtungen ausgeht: „Durch die zu erwartenden Abgänge von Plea, Bensebaini und Thuram wird die Borussia am Transfermarkt aktiv werden müssen.“

Dass Ramy Bensebaini (7 Stimmen) und Alassane Plea (6 Stimmen) den Verein bis spätestens Ende Mai 2023 verlassen, sahen die meisten Redakteure so. Michael Oehm sah sogar 5 Wechsel auf Borussia zukommen mit Bensebaini, Wolf, Müsel, Reitz und Plea.

Zwei Redakteure fürchteten zudem den Abgang von Borussias einzigem Stammspieler in der deutschen Nationalelf, was nach den Entwicklungen von gestern weit unwahrscheinlicher geworden ist. So urteilte Michael Heinen etwas voreilig: „Hofmann wird nach einer ordentlichen WM im Winter verscherbelt, um - analog zu Zakaria im Vorjahr - wenigstens noch etwas Geld für ihn zu bekommen.“

WM-Teilnehmer

Apropos Nationalelf: Yann Sommer kann die Reise nach Katar in diesem Winter bereits buchen. Die Seitenwahl-Redaktion ist sich geschlossen einig: Der Schweizer wird einmal mehr auf höchster Ebene unter Beweis stellen dürfen, besser zu sein als der nur noch laut diverser süddeutscher Medien „beste Torhüter der Welt“ im deutschen Kasten.

Christian Spoo verzichtet als einziger Redakteur auf Jonas Hofmann, Christian Grünewald dagegen als einziger auf Nico Elvedi. Auch wenn sie es nicht explizit dazuschreiben, wird dies vermutlich verletzungsbedingt begründet sein.

Dem US-Amerikaner Joe Scally (6 Stimmen), dem Japaner Ko Itakura (4 Stimmen) und dem deutsche Florian Neuhaus (3 Stimmen) werden ebenfalls ordentliche Chancen eingeräumt. Krasser Außenseiter ist dagegen Marcus Thuram, den einzig Uwe Pirl im Kader der französischen Nationalmannschaft wähnt.

Wer Stefan Lainer oder Ramy Bensebaini in der Auflistung vermisst, dem sei nahegelegt, sich das Teilnehmerfeld der WM näher anzuschauen. Österreich scheiterte in der Qualifikation nämlich ebenso an Wales wie Algerien an Kamerun.

Talente

Bei der Frage, welcher Spieler unter 21 Jahren den größten Sprung machen wird, ist das Votum der Redaktion sehr ausgeglichen. Joe Scally, Oscar Fraulo, Luca Netz und Yvandro Borges Sanches erhalten allesamt zwei Stimmen.

Volkhard Patten meint dazu: „Fraulo zeigt, dass unsere Scouts ein gutes Auge haben und nicht nur in Frankreich gute Spieler finden können.“

Michael Oehm beschließt diesen Text mit einem Klassiker als Antwort auf den „größten Sprung“: „Die letzte Umfrage ist so lange her, ich kann einen alten Gag ausbuddeln: 6,89 m über das ausgestreckte Abwehrbein von Ehizibue, dem alten Versager vom Punkt. Zwei Meter weniger als Bob Beamon, aber die anschließende Flanke findet den Kopf von Thuram. Winner, Eckfahnengefuchtel, das ganze Programm!“