Die Rückkehr verdienter Spieler oder ehemaliger Trainer zu einem Verein wird oft mit dem Aufwärmen einer romantischen Beziehung verglichen. Das ist ein naheliegender Vergleich. In beiden Fällen, in der Vereinsliebe und Partnerschaft, sind starke Gefühle im Spiel. Man tut bescheuerte Dinge. Man wird enttäuscht und macht trotzdem weiter. Man könnte den anderen zum Mond wünschen und kann doch nicht ohne einander. Naja, und so weiter. 

Bei diesem Bild schwingt natürlich stets die bange Frage mit: Ist das eine gute Idee? Je nach Ausgestaltung des eigenen Erfahrungsschatzes aus amourösen Aufwärmübungen tendiert der Fußballfan bei dieser Frage in die eine oder andere Richtung; und die richtige Antwort lautet natürlich: Kommt darauf an. Ganz böse Überraschungen sollten ausbleiben. Man kennt sich ja bereits, und kann sich auf bestimmte Dinge einstellen. Man hat bereits bemerkt, was miteinander nicht funktioniert, und kann immerhin bestimmte Fehler dieses Mal vermeiden – wenn man das denn hinbekommt. Und in manchen Bereichen kann es ja helfen, wenn man nicht erst rumprobieren muss, wie es ganz gut funktioniert.

Wo wir gerade davon sprechen: Nicht nur die Spatzen, sondern die ganze Vogelschar pfiff es seit Tagen von den Dächern: Lucien Favre kehrt zurück zur Borussia. Wie der Verein in Kürze auch offiziell bekanntgeben wird, erhält der Schweizer einen Zweijahresvertrag. Roland Virkus hat damit eine klare Richtungsentscheidung für die Borussia getroffen. Die Verpflichtung ist nicht nur eine Kurskorrektur, sondern eine Kehrtwende und der Versuch der Rückkehr zu dem Weg, der bis vor drei Jahren so eine Kontinuität rund um die Borussia geschafft hatte.

Ist das eine gute Idee? Das werden wir sehen. Aber vieles spricht dafür. Was sich, und das war schon vor der Inthronisierung Favres deutlich zu spüren, deutlich verbessern wird, ist die allgemeine Stimmung rund um den Verein. Als der Autor des letzten Artikels unbedarft das Wort „Verkündigung“ statt des richtigen „Verkündung“ benutzte, holte er sich gleich einen völlig verdienten Rüffel der Kollegen ab. Verkündigungen gibt es in der Kirche. Aber die Aussicht auf Favres erneutes Wirken in Gladbach hat bei weiten Teilen der Anhängerschaft sofort eine Aufbruchstimmung und Euphorie erzeugt, wie sie zuletzt leider völlig undenkbar schien. Dabei ist Favre natürlich kein Heiland, sondern ein bescheidener Arbeiter im Weinberg der defensiven Stabilität. Das weiß man, und das reicht bei Borussias Anhängerschaft, um in quasireligiöse Verehrungen zu verfallen inklusive umgedichteter Liedtexte, schlechter Memes und Fotomontagen und natürlich Stoßgebeten zum Himmel bzw. Borussias Pressestelle („Jetzt sagt endlich, dass er kommt, ich bin schon völlig wuschig.“)

Wird das lange anhalten? Wer weiß das schon, aber selbstverständlich wird Favre Kredit bekommen, den sein Vorgänger aus gutem Grund nie hatte. Diese Entscheidung wird zu einem Schulterschluss von Fans und Verein führen, der jetzt dringend gebraucht wird. Die Anhängerschaft hatte am letzten Spieltag im Borussia-Park ein positives Signal an Mannschaft und Verein gesendet, inklusive des da noch im Amt befindlichen Trainers. Das war nicht zwangsläufig, denn weder Verein noch Mannschaft hatten sich das trotz des 5-1 verdient, und es war durch die Hervorhebung Patrick Herrmanns vor allem das Zeichen, was sich die Fans von Mannschaft und Verein wünschen. Aber es war eben auch eine mit feinem Gespür ausgestreckte Hand der Anhänger. Der Verein hat mit dieser Entscheidung eingeschlagen. 

Favre wird Zeit brauchen und er wird sie bekommen. Er wird ein anderer Favre sein als vor sieben Jahren. Natürlich, wir werden viele Eigenheiten wiederfinden. Das Warnen vor dem nächsten Gegner. Kurze Ecken trotz eines Rückstandes in der 80. Minute. Späte Wechsel etc. Und je nach Prädisposition werden sie uns wieder nerven. Hoffentlich wird es aber auch wieder ein klares, erfolgreiches Defensivkonzept mit einer klaren Aufgabenverteilung geben. Vor allem aber wird Favre auf seinen Stationen in Nizza und in Dortmund weitere Erfahrungen gemacht haben und diese in sein Trainings- und Trainerkonzept eingearbeitet haben. Es ist Favres Stärke und Schwäche, dass er den Fußball seziert und planbar machen will, dass er immer weiter nach dem Optimum strebt, dass er dabei sich und seine Handlung ständig hinterfragt. Es ist seine Schwäche, weil es ihn zaudern lässt und weil ihn Widrigkeiten, die er nicht beeinflussen kann, verzweifeln lassen können. Und es ist seine Stärke, weil ihm die Selbstüberschätzung vieler aus der Branche fehlt und weil er Spieler und Spielweise immer weiter fordert und fördert. Und letzteres ist, was dieser Mannschaft seit drei Jahren fehlt. 

Roland Virkus ist lang genug im Verein und hat diverse Ansprechpartner, die ihm helfen können, um alle Facetten von Favres Persönlichkeit zu moderieren; gerade das Zaudern und die Selbstzweifel. Er wird sich jetzt auch freischwimmen müssen vom Erbe Max Eberls, der neben allen anderen Verdiensten vor allem ein Meister dieser Moderation war, auch wenn sie oft aus dem unendlich geduldigen Wiederholen von bekannten Versatzstücken bestand. Die Fans haben das Signal gesendet, dass sie den Verein beim nächsten Schritt unterstützen werden. Grund genug für Optimismus. Aber wir brauchen Geduld und es wird sehr schwer, das ist klar. Willkommen zurück, Lucien Favre!