seitenwahl-20211016-AJ7X5766.jpgEmotional, nach dem am Ende des Spiel nicht gegebenen 3:2, war das Unentschieden gegen Wolfsburg vermutlich sowohl für die Spieler als auch für die Fans von Borussia Mönchengladbach zunächst einmal ein verlorener Sieg. Zwei Punkte zu wenig. Nach einem Tag Durchatmen fühlt es sich dann anders an, eher wie ein verdientes, aber nach dem Verlauf des Spiels nicht unbedingt zu erwartendes Unentschieden. Also eher wie ein gewonnener Punkt.

Und ein bisschen dürfen sich die Gladbacher Borussen auch bei Sebastiaan Bornauw bedanken, dessen unsäglicher Torjubel vor der Nordkurve möglicherweise genau die Emotionen im Stadion und beim Team freisetzte, die es brauchte, um das Spiel noch zu drehen.

Denn eigentlich fing das Spiel an wie viele Gladbacher Matches in den letzten Wochen. Borussia spielte ordentlich, aber nicht zwingend, leistete sich aber in der Abwehr zwei der für die letzten Monate so typischen Tiefschlafeinlagen, sodass Wolfsburg nach einer reichlichen halben Stunde 2:0 führte. Danach der Torjubel von Bornauw, eine deutliche und sehr emotionale Ansage des sonst eher besonnenen Yann Sommer und plötzlich war deutlich mehr Feuer, mehr Emotion im Spiel der Gladbacher. Was diesen sichtlich gut tat. Das Ergebnis ist bekannt: Kurz vor der Pause das 1:2, dann noch einmal eine Schrecksekunde bei der Großchance von Maximilian Philipp kurz vor der Pause, eine überlegen geführte zweite Halbzeit mit dem verdienten Ausgleich und dem nicht gegebenen Siegtreffer.

Bei der Beurteilung des Spiels spielen drei Schiedsrichterentscheidungen natürlich eine ganz erhebliche Rolle:

Da ist zunächst der Platzverweis von Lacroix, der während des Spiels vom Sky-Reporter als zu hart eingestuft wurde. Eine exklusive Sicht der Dinge, wobei mich offen gestanden die Begründung für den Platzverweis erstaunt. Richtig ist zunächst, dass sowohl Thuram als auch Lacroix, der unzweifelhaft letzter Mann war, im Laufduell eine deutliche Tendenz zum Ringkampf erkennen lassen. Das sieht zunächst von beiden Seiten wie halbwegs legitimer Körpereinsatz aus, den man nicht abpfeifen muss, wenn er auf Gegenseitigkeit beruht. Spätestens aber mit dem Griff des Wolfsburgers in das Gesicht von Thuram verlässt der Verteidiger diesen Pfad des legitimen Köpereinsatzes und spätestens damit ist das dann ein Foul des letzten Mannes, eine Notbremse und schlussendlich eine rote Karte. Das darauffolgende Handspiel ist gewissermaßen nur noch das I-Tüpfelchen zur Verhinderung einer klaren Torchance von Thuram.

Die nächste strittige Szene – erstaunlicherweise von Fohlen-TV beim Zusammenschnitt der Highlights ausgelassen – ist der Tritt von Koné auf Kruses Knöchel. Hier gibt es eigentlich keine zwei Meinungen, wenn der Schiedsrichter oder der VAR das sehen, ist die Wahrscheinlichkeit für einen Elfmeter ziemlich hoch. Glück für Gladbach an dieser Stelle.

Die dritte Szene ist das als Foul eingeschätzte Einsteigen von Herrmann vor dem letztlich aberkannten Treffer zum 3:2. Eine Szene, die sich letztlich in einer Grauzone bewegt. Die Berührung zwischen Herrmann und Rousillion ist unstrittig. Auf den ersten Blick, also in Echtzeit betrachtet, sah die Szene stark nach Foul durch Herrmann aus. Die Zeitlupen wecken daran jedoch leise Zweifel: Aus der Perspektive von hinten ist zu sehen, dass Herrmanns Bewegung klar dem Ball gilt bevor der Wolfsburger – ebenfalls mit Blick auf den Ball – mehr auf Herrmanns Knöchel steigt als von diesem getroffen zu werden. Insofern ist das Eingreifen des VAR an dieser Stelle durchaus in Frage zu stellen. Mit Blick auf den nicht gegebenen Elfmeter für Wolfsburg sollte sich aber niemand in Gladbach zu laut über diesen Punkt beschweren.

Welche Erkenntnisse bleiben noch aus dem Spiel?

Jordan Beyer, der den grippal erkrankten Friedrich vertrat, ist ein absolut zuverlässiger Backup.

Marcus Thuram und Alassane Plea scheinen sowohl mental als auch körperlich wieder in der Lage zu sein, Bundesligafußball zu spielen. Insbesondere Plea, dessen Formkurve seit einigen Spielen deutlich nach oben zeigt, sprühte vor Spielfreude und ist so fast wie ein Neuzugang. 

Die Mannschaft lebt, wenn sie Emotionen zeigt. Der Anfang des Spiels zeigt jedoch, wie fragil das Gebilde derzeit ist. Nächste Woche in Stuttgart sollte der nächste Schritt zur Stabilisierung folgen.