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Man kann nicht genau sagen, wann der Liebesentzug zwischen Marco Rose und der Anhängerschaft von Borussia Mönchengladbach begonnen hat. Nach dem letzten Derby wurde der Riss aber auch für Außenstehende überdeutlich. Ein bisschen war es so, als hätte man sich zuerst mit der Dorfdirne vergnügt um dann der noch kämpfenden Ehefrau zu beichten, dass man nun die Scheidung möchte. Die Reaktionen sind bekannt, dass Ende der unschönen Trennung auch. Was lernen wir daraus? Mit dem Derby spielt man nicht, zumindest nicht, wenn man auch nur ein wenig verstanden hat, wie dieser Verein tickt.

Es stellte sich also die Frage: Kann Adi Hütter Derby und haben es auch die Neulinge begriffen? Schließlich standen mit Koné und Scally direkt zwei Spieler auf dem Platz, die den besonderen Charakter dieses Duells noch nicht erlebt hatten. Zunächst darf man festhalten, dass Borussias neuer Trainer dem spröden Charme der Dorfdirne nicht erlegen ist, daran ändert auch das wiederholt unerfreuliche Endergebnis nichts. Der Österreicher schickte das derzeit beste verfügbare Personal auf den Platz, lediglich Florian Neuhaus musste dem wieder genesenen Elvedi Platz machen. Das erstgenannter später dann dem Spiel seinen persönlichen Stempel aufdrückte, zählt zu den Geschichten, die ein solches Aufeinandertreffen schreibt. Umgekehrt stellte sich die Frage, ob Steffen Baumgart Derby kann nicht. Der Rostocker hatte bereits im Vorfeld vom größten Derby seiner Karriere geschwärmt.Seitenwahl IMG 3382 846x564

50.000 Zuschauer gaben dem Spiel endlich wieder den ihm angemessenen Rahmen, nachdem die letzten Aufeinandertreffen ohne Publikum und entsprechend trostlos verliefen. Und sie wurden für ihr Kommen nicht enttäuscht. Von Beginn an entwickelte sich ein intensives Spiel, bei dem sich die Heimmannschaft mit zunehmender Spieldauer ein Übergewicht erspielte und die Borussia tief in die eigene Hälfte drückte. Trotzdem dauerte es fast eine halbe Stunde, bis Duda die erste echte Torchance verzeichnete. Kurz darauf bewahrte Sommer sein Team mit einem klasse Reflex vor dem Rückstand. Borussia schwamm und kam durch eine Großchance von Hermann und einem Pfostentreffer durch Zakaria wieder ins Spiel zurück. Das 0:0 zur Pause war das leistungsgerechte Ergebnis eines unterhaltsamen Spiels. Die Torlosigkeit endete nach 55 Minuten, als sich Borussias Defensive kurz unsortiert zeigte und Ljubicic freistehend einen Abpraller zur nicht unverdienten Kölner Führung nutzte. Die Fohlen reagierten wütend und erspielten sich in einer nun immer hitzigeren Partie ihrerseits ein deutliches Übergewicht. Der Ausgleichstreffer von Jonas Hofmann 20 Minuten später fiel nach einem erneuten Aluminiumtreffer von Plea sowie zwei Großchancen durch Plea und Hofmann in die Kategorie „Überfällig“.

seitenwahl 20211016 AJ7X5982Grade als sich die Borussia anschickte, Spiel und Gegner zu kontrollieren, brachte ein Blackout des eingewechselten Florian Neuhaus die angeschlagenen Geißböcke zurück ins Spiel. Sollte sich der Nationalspieler ernsthaft gefragt haben, warum er seinen Platz in der Stammelf derzeit verloren hat, beantwortete er diese Frage nun selbst. Unbedrängt spielte er mit einem völlig unnötig riskanten Querpass am eigenen Strafraum den Ball vor die Füße von Uth, der sich freistehend mit der erneuten Kölner Führung bedankte. Als eine Minute später auch Elvedi bei einem Klärungsversuch denkbar unglücklich agierte und Duda das Geschenk dankbar zum 3:1 annahm, war die Partie entschieden. Mönchengladbach versuchte zwar in der Folge noch den Anschluss, den Deckel setzte aber Andersson auf, als er in der Nachspielzeit sogar zum 4:1 traf. Ein Treffer, mit dem der rheinische Rivale sogar noch in der Tabelle an der Borussia vorbeizog und einen ergebnistechnisch gebrauchten Tag besiegelte.

Hat die Borussia also Derby verlernt? Nein. Der Sieg der Kölner ist insgesamt zwar nicht unverdient, allerdings aber mindestens zwei Tore zu hoch. Mit ein wenig Glück und Konzentration hätte das Ergebnis auch anders ausfallen können. Fehlende Kampfbereitschaft kann man den Fohlen nicht vorwerfen, davon zeugt schon, dass man bei Ballbesitz und Zweikämpfen eine statistisch nahezu ausgeglichene Bilanz ausweisen kann. Auch wenn das Ergebnis eine andere Sprache spricht, war der heutige Auftritt in keinster Weise mit den blutleeren Darbietungen in Augsburg oder Berlin zu vergleichen. Das sich in solch intensiven Spielen die Waagschale auch mal in die Richtung des Gegners neigen kann, gehört eben zum Fußball. Umgekehrt wurde aber auch deutlich, dass sich die Borussia weiterhin in einem Umbruch befindet. Unabhängig vom wohl spielentscheidenden Aussetzer von Neuhaus prägen weiterhin Ungenauigkeiten und kleinere Unkonzentriertheiten das Spiel der Fohlen, mit denen man sich in der Summe oft um den möglichen Erfolg bringt. Was Florian Neuhaus angeht, dürfte er wohl mit dem Mannschaftsbus zurückgefahren sein. Unter Hennes Weisweiler, für den das Derby eine persönliche Angelegenheit war, hätte er wohl zu Fuß gehen müssen.