Es gibt Ranglisten, mit denen man sich lieber beschäftigt als die der peinlichsten Auftritte des eigenen Vereins, aber aus gegebenem Anlass kommen wir da nicht so ganz drum herum. Bei mir persönlich steht da auf dem ersten Platz noch nicht mal eine Niederlage, sondern ein 0:0 in Uerdingen am letzten Spieltag der Saison 89/90, wobei beide Teams mit einem Nichtangriffspakt sich selbst den Klassenerhalt besorgten und den VFL Bochum in die Relegation gegen Saarbrücken schickten. Gleich dahinter kommt dann aber schon das 0:6 bei den Bayern. Nein, nicht das vom Samstag, sondern jene Klatsche am 34. Spieltag 85/86. Das deutsche Fußball-Bewusstsein erinnert sich vor allem an Kutzops verschossenen Elfmeter wenige Tage zuvor und hat weitestgehend vergessen, dass auch die Herren Bruns, Hannes, Rahn, Criens usw mit daran Schuld waren, dass Rudi Völler nie deutscher Meister werden durfte. Mit ihrem lustlosen Auftritt in München half die Borussia damals den Münchnern noch am letzten Spieltag an Werder Bremen vorbeizuziehen. Nun hat der VFL nach 35 Jahren wieder 6:0 beim Rekordmeister verloren und es gibt Parallelen. Wieder wurden die Bayern an diesem Tag deutscher Meister, wieder hatte man das Hinspiel gewonnen und wieder hätte man die Mannschaft vor dem Spiel nicht als komplett chancenlos eingestuft. Anders war, dass die Lederhosler diesmal schon vor dem Spiel den Titel sicher hatten und in vertauschten Rollen die Gladbacher waren, für die es noch um was ging in diesem Spiel. Das ließen sie sich aber zu keiner Phase anmerken, vielmehr ging man die Partie wie ein Freundschaftsspiel am Rande eines Stadtfestes an: Ziel war es das Publikum gut zu unterhalten, während man mit den Gedanken schon beim Grillhähnchen mit Bier danach war.

Die Borussia ging offensiv in die Partie, versuchte die Bayern zu pressen und hatte schon in der ersten Minute nach einer Hereingabe von Embolo fast die erste Chance. Auch im weiteren Spiel zeigten sich die Bayern defensiv durchaus anfällig (40 Gegentore sind für einen Meister einiges), aber das machte nichts, denn zum einen gelang es der Borussia nie diese Unpässlichkeiten konsequent auszunutzen und zum anderen war Gladbach selbst in der Abwehr oft dermaßen entblößt, dass es den Bayern leichtfiel, ein Tor nach dem anderen zu schießen. Symbolisch für das Spiel war das Zustandekommen des 2:0. Ramy Bensebaini wurde auf der linken Seite schön freigespielt, läuft mit Tempo auf den Ball zu und man denkt für einen kurzen Moment, dass dies eine gute Gelegenheit werden könnte, aber dann schafft er es clownesk über den Ball zu stolpern und guckt sich danach auf dem Hintern sitzend an, wie die Bayern im Gegenzug die Gladbacher Abwehr mit klinischer Präzision ausspielen. Beim 4:0 wiederholte sich dieser Ablauf ähnlich auf dem anderen Flügel: Lainer versucht sich im Dribbling gegen Davies am gegnerischen Strafraum (Lainer? Dribbling??...Ja, genau), scheitert erwartungsgemäß und ab geht der Bayern-Express.

Mehr Details wollen wir uns an dieser Stelle ersparen, es war ein Auftritt der in seiner Harmlosigkeit und Naivität beim Zusehen weh tat.  Mag sein, dass auch die Aufstellung nicht optimal war: was (mit einem Wechsel: Hoffmann für Wolf) gegen Bielefeld so prima funktionierte, muss nicht zwangsläufig auch beim amtierenden Champions-League-Sieger klappen. Die Erfahrung von Stindl, Kramer oder Plea hätte vielleicht helfen können, das Ausmaß der Katastrophe etwas einzudämmen, vermutlich aber auch nicht mehr als das.

Wenn die Blamage vom Samstag ein Gutes hat, dann vielleicht die Tatsache, dass man die Saison nun endgültig nicht mehr schön reden kann. Die Hoffnung auf die Europa-League ist bei 5 Punkten Rückstand auf den sechsten Platz nur noch theoretischer Natur und das Saisonziel damit verfehlt. Max Eberl mag in Interviews die Aussicht auf die Conference League anpreisen, aber echte Begeisterung dafür wird es im Verein kaum geben. Schon um keine Wettbewerbsverzerrung (vor allem beim letzten Spiel in Bremen) zu betreiben, mag es aber gerechtfertigt sein diesen Wettbewerb als Anreiz hochzureden. Selbst mit 2 Siegen kann die Borussia nun bestenfalls noch auf 24 Punkte in der Rückrunde kommen und wird damit die 35-30-28-Abwärts-Trajektorie unter Marco Rose auf jeden Fall untermauern. Das Saisonfazit wird ein ernüchterndes sein. Ja, es gab positive Ausrufezeichen aber gerade die Tatsache, dass man Real Madrid am Rande einer Blamage hatte, Donezk abschießen konnte, Bayern und Dortmund daheim besiegte, macht es so schwer verdaulich jetzt zu Saisonende mit Freiburg und Union Berlin um den 7. Platz zu spielen. Die krasse Diskrepanz zwischen Potenzial und Realität werden vom zweiten Jahr unter Marco Rose übrigbleiben.