schnellchek 20 21

Weiter geht’s in unserem Bundesliga-Check, wo wir mittlerweile bei denen Teams angekommen sind, die im Vorjahr im vorderen Mittelfeld landeten. Da unser Freiburg-Korrespondent noch Sonderrecherchen im Breisgau betreibt, haben wir die strikte Ordnung kurz mal verlassen und den VFL Wolfsburg auf Platz 8 verbannt (wo er eigentlich auch hingehört).

 

Hertha BSC

Wo kommen sie her?

Vier Trainer, zwei Facebook-Affären, eine Niederlage im Stadtderby gegen den zweiten Hauptstadtverein, Abstiegsangst und Europapokal-Hoffnungen – bei wohl kaum einem anderen Bundesligisten war die letzte Saison so bewegt, wie bei der alten Dame aus Berlin. Klar, dass man sich dies anders vorgestellt hatte. Nach eher beschaulichen Jahren unter Pal Dardai hatten die Windhorst-Millionen neue Begehrlichkeiten geweckt. Der nächste Schritt wurde angestrebt – dies wäre beinah fürchterlich nach hinten losgegangen. Erst Bruno Labbadia schaffte es, den Verein wieder in ein ruhigeres Fahrwasser zu steuern, mit zwei Siegen aus sieben Spielen blieb der erhoffte Endspurt nach Europa aber letztendlich aus. So beendet man die Saison auf Platz zehn, übrigens punktgleich mit den Köpenickern.

Was passiert grade?

Erstaunlich wenig. Bereits in der Winterpause stellte die Hertha ihre Fähigkeit unter Beweis, mit viel Geld verhältnismäßig wenig Schlagkraft einzukaufen. Lucas Tousart aus Lyon ist sicherlich ein Coup. Die Winterverpflichtungen Ascacibar, Cunha und Piatek (insgesamt 52 Mio. € Ablöse) spielten hingegen allenfalls durchwachsen. Daneben werden immer wieder Namen wie Draxler genannt, die sich dann am Ende aber eben doch für andere Perspektiven entscheiden. Da muss man sich schon mit Spielern des eigenen Nachwuchses oder dem talentierten Rechtsverteidiger Zeefuik aus Groningen begnügen. Respekt darf man der Verpflichtung des Freiburgers Schwolows zollen, was vermutlich die Wachablösung des mittlerweile 35jährigen Jarstein bedeuten wird. Daneben wurde die längst anstehende Verjüngung eingeleitet. Skjelbred, Kalou und Ibisevic verlassen die Hertha, erstere spielten zuletzt auch keine Rolle mehr. Für Unruhe sorgt daneben auch der Wunsch nach einem neuen Stadion. Vordergründig aufgrund der (angeblich) schlechten Stimmung liebäugelt man mit einem Verlassen des Olympiastadions. Wo aber ein neues Stadion entstehen soll ist offen. Bisherige Vorschläge sorgten allenfalls für ungläubiges Kopfschütteln.

Wo gehen sie hin?

Champions-League. Mindestens! Zumindest wenn man den Vorstellungen des Umfeldes folgen will. Die Windhorst-Millionen haben Phantasien geweckt und auch außerhalb von Berlin sehen viele die Hertha als die kommende vierte Macht hinter Bayern, Dortmund und Leipzig. Doch Vorsicht. Schon der Blick zum nächsten ICE-Bahnhof in Wolfsburg zeigt deutlich, dass man mit viel Geld nur begrenzt Erfolg kaufen kann, wenn das Konzept fehlt. Und in der Tat lässt sich kein echtes Konzept erkennen. Zuletzt setzte man auf Spieler, die sich bei Spitzenvereinen nicht durchgesetzt haben bzw. talentierte Aufsteiger bei kleineren Vereinen. Das Ergebnis ist durchwachsen. Zudem hinkt der Vergleich mit Wolfsburg schon darin, dass die Investoren irgendwann eine Rendite sehen wollen. Und die kann sich nur mit Erfolg einstellen. Die Hertha ist somit zum Erfolg verdammt, hat aber nicht die Zeit, diesen mit ruhiger Hand vorzubereiten. Ein langjähriger Masterplan, wie ihn einst Leipzig hatte existiert nicht oder ist zumindest nicht erkennbar. Wie konzeptlos man hinter den Kulissen agiert, zeigt auch der Wunsch nach einem neuen Stadion, das man gerne neben das Olympiastadion stellen möchte. Das wäre in etwa, als wenn ein Bäcker seinen Eingangsbereich an einen Backshop untervermietet. Die entscheidende Frage wird also sein, ob es Bruno Labbadia gelingt, aus seinem Kader eine schlagkräftige Mannschaft zu formen. Gelingt dies nicht, könnte es schnell sehr ungemütlich werden. Auch vor dem Hintergrund, dass Mittelmaß unerwünscht ist, landet die Hertha zwischen Platz acht bis zwölf.

(Thomas Häcki)

 

Eintracht Frankfurt

Wo kommen sie her?

41 von 60 Saisontoren haben allein Sebastian Haller, Luka Jovic und Ante Rebic in der Saison 2018/19 im Trikot der Frankfurter Eintracht erzielt. Dieser Umstand alleine verdeutlicht, welchen Verlust die SGE zu Beginn der vergangenen Spielzeit zu verkraften hatte, als es alle drei weg aus Frankfurt und in die weite Fußball- und Geld-Welt zog. Jovic zu Real Madrid, Rebic zum AC Mailand und Haller zu West Ham United. Die Kassen der Eintracht waren danach gut gefüllt, die Wucht im Angriff fehlte. Auf 59 Tore brachten es die Frankfurter dennoch, der Glanz der „Büffelherde“ mitsamt Pokalsieg und rauschenden Europapokalnächten war indes verloren. Zu ein paar Highlights reichte es noch, unter anderem dem 5:1 zu Hause gegen den FC Bayern München. Ein Spiel, das rückwirkend wohl den Grundstein für das Triple der Bayern gelegt hat. Niko Kovac nickt hier zähneknirschend.

Was passiert gerade?

Relativ wenig. Steven Zuber ist der bislang prominenteste Zugang, der linke Mittelfeldspieler kommt für 3 Millionen Euro aus Hoffenheim. Den umgekehrten Weg im Tausch ging hingegen Mijat Gacinovic. Ein Transfer, der die Frankfurter Fanszene durchaus spaltet. Während die einen Gacinovics Weggang beklagen, ist ein ebenso großer Anteil ganz froh, dass der zwar hochveranlagte, aber durchaus launische Mittelfeldspieler nun woanders ist. Unsterblich wird Gacinovic in Frankfurt ohnehin immer bleiben. Sein Treffer zum 3:1 im Pokalfinale 2018 gegen die Bayern ist auch für Außenstehende legendär, als er über 70 Meter alleine aufs leere Münchner Tor und die vollbesetzte Frankfurter Fankurve zulief und zur Entscheidung einschob.

Ansonsten schreit der Kader der Eintracht nach grauem Mittelmaß und die Transfers versprühen in diesem Sommer – natürlich auch coronabedingt – wenig Glanz: Ragner Ache aus Rotterdam, ein paar hochgezogene Jugendspieler. Das war es.

Wo gehen sie hin?

Fredi Bobic hat es in den vergangenen Jahren zusammen mit dem angenehm unaufgeregten Trainer Adi Hütter verstanden, jede Saison das Maximum aus der Truppe zu holen. Nach dem Pokalsieg 2018 und dem denkbar knapp verpassten Finaleinzug der Europa League im Folgejahr ist nun wieder etwas Tristesse eingekehrt in die Metropole am Main. Sicher wird man wieder leicht Richtung Europa League schielen, bei gutem Saisonverlauf mag dies nicht unrealistisch sein. Das Fehlen der Zuschauer in Heimspiel hat die Eintracht vergangene Saison ganz offenkundig mehr getroffen als andere Vereine, entwickelte doch das Frankfurter Publikum oft eine ganz besondere Kulisse.

Auch wenn es vergangene Saison nach einer Negativserie mal eng wurde, für den Abstiegskampf ist die Mannschaft zu stark. Trapp, Hinteregger, Hasebe, Kostic, Rode oder da Costa: keine Spieler, die einen Verein zu den Sternen spielen, aber für einen Platz im gesicherten Mittelfeld sollte es auch dieses Mal wieder reichen.

(Mike Lukanz)

 

VfL Wolfsburg

Wo kommen sie her?

Oliver Glasner ist es gelungen, an die durchaus sportlich erfolgreiche Zeit seines Vorgängers Bruno Labbadia anzuknüpfen und die Wölfe zum zweiten Mal in Folge für Europa zu qualifizieren. Für einen Verein, der in den vergangenen Jahren zweimal nur über die Qualifikation die Liga halten konnte, ist das durchaus keine Selbstverständlichkeit. Den Niedersachsen gelang diesen Erfolg recht unspektakulär. Ab dem zehnten Spieltag pendelte das Team kontinuierlich zwischen dem sechsten und dem zehnten Platz. Große Enttäuschungen blieben ebenso aus, wie Begeisterungsstürme. Letzteres gilt insbesondere für zu Hause. Lediglich 4 Heimsiege konnte man einfahren, mit 19 Toren liegt man sogar hinter Paderborn. Egal. Dank einer starken Auswärtsbilanz reist man wieder in Europa umher und dies auch verdient.

Was passiert gerade?
Bartosz Bialek? Maxence Lacroix? Vielleicht noch Darwin Nunez? Wer ist dieser Verein und was ist mit dem VfL Wolfsburg passiert. In der Tat agieren die Autostädter erstaunlich verhalten am Transfermarkt. Dazu möchte man den als gescheitert angesehenen Tisserand von der Gehaltsliste streichen. Das Urgestein Robin Knoche ist bereits nach Berlin entschwunden, Josip Brekalo wird es aller Vorrausicht nach in Richtung Italien ziehen. Oliver Glasner setzt in seinem zweiten Jahr auf Kontinuität. Überhaupt scheint der bodenständige Österreicher dem Verein gut zu tun. Der große Erfolg ist zwar ausgeblieben, mit Platz 7 hat man sich aber erneut für Europa qualifiziert – und das war im vergangenen Jahr als Erfolg gewertet wurden. Soviel Ruhe war selten in Wolfsburg.


Wo gehen sie hin?

Große Neuzugänge wird es dieses Jahr vermutlich nicht geben. Die Abgänge von Knoche und vermutlich Brekalo könnten sich als unangenehm erweisen, dürften aber auch verkraftbar sein. Grundsätzlich verfügt der Kader über genug Qualität, um wieder um Europa mitzuspielen. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren scheint etwas Ruhe in die Mannschaft eingekehrt zu sein, die sich im vergangenen Jahr wieder als eine solche verstand und neben nicht nur aus elf Einzelspielern bestand. Viel hängt in der Offensive von Weghorst ab. Einen Ausfall könnte die Offensive wohl kaum verkraften. Ähnliches gilt im Mittelfeld für Maximilian Arnold, der eine sehr starke Saison spielte und mittlerweile zum Leader gewachsen ist. Bleiben große Verletzungssorgen aus, ist den Autostädtern erneut ein einstelliger Tabellenplatz zuzutrauen. Der VfL Wolfsburg landet zwischen Platz 6 – 10.

(Thomas Häcki)