Copyright Poolfotos/Dirk Päffgen

Alte Freunde nach längerer Zeit wiederzusehen ist meist problemlos. Nach wenigen Momenten ist die Chemie wieder da, es ist als hätte man sich erst gestern gesehen. Manchmal kann es aber auch kompliziert sein: wie umgehen mit dem Thema Chemotherapie, Gefängnisaufenthalt, dem tragischen Trauerfall oder dem Zwist, den man damals hatte? Als der Bundesliga-Restart näher rückte, fühlte man sich als Fußballfreund etwas wie in diesem zweiten Szenario: Würde der Bundesliga-Fußball unter diesen Vorzeichen auch nur annähernd das sein, was er vorher war? Wie würde man reagieren? Ganz persönlich hatte ich Tage vorher wenig empfunden: weder Vorfreude noch Widerwillen. Am Samstagmorgen stellte sich dann zu meiner eigenen Überraschung doch eine gewisse Spieltagsanspannung ein, das Gefühl der ganze Tag sei auf die Uhrzeit 18:30 ausgerichtet. Das Checken der anderen Ergebnisse während des gemeinsamen Familienspaziergangs fühlte sich auch schon wieder an wie immer (geil, Freiburg führt in Leizpig!), aber wie würde das sein, wenn man dann live vorm Fernseher das eigene Team sieht?

Viel Zeit darüber zu grübeln, gab es nicht als es dann losging. Schon nach 35 Sekunden stand es 1:0, wenig später gar 2:0 und man tat das, was man als Gladbach-Fan in so einem Moment halt tut: man freute sich und genoss wie der VFL in der Folgezeit die Hessen dominierte, den Ball gut laufen ließ und wenig Grund zur Kritik lieferte außer vielleicht den, dass man nicht noch konsequenter auf die endgültige Entscheidung drängte. Dass sich so ein Spiel ohne Zuschauer etwas anders anfühlt als eine normale Bundesligapartie, muss man nach diesem Spieltag wohl kaum noch jemanden vermitteln und spätestens beim nächsten Spieltag macht man sich als Berichterstatter vermutlich lächerlich, das noch besonders zu betonen. In diesem Fall verstärkte die Ruhe im Stadion nur noch das Gefühl, dass die Borussia auf dem Rasen so ziemlich alles im Griff hatte.

Die Borussen waren dabei im Mittelfeld ohne die im Vorfeld der Partie leicht angeschlagenen Kramer und Stindl angetreten und mussten mit Zakaria nach seiner Knie-Operation noch auf eine dritte potentielle Stammkraft verzichten, so dass Tobias Strobl ins Team rutschte und mit Florian Neuhaus das defensive Mittelfeld bildete. Ersterer bot eine solide Partie, während man Neuhaus die Freude anmerkte in Abwesenheit einiger Platzhirsche die Chefrolle einnehme zu dürfen: einer der besten Gladbacher an diesem Abend in einer Mannschaft, in der insgesamt kein Spieler wirklich abfiel.

Natürlich kam der Spielverlauf dem Team dabei sehr entgegen, denn nach dem Blitzstart waren die Frankfurter eigentlich nie so richtig im Spiel und hatten nur ansatzweise Chancen. Nach der Halbzeit wirkten die Hessen etwas drangvoller, aber erlaubten den Borussen damit auch mehrfach gut Kontermöglichkeiten, wobei der gut aufgelegte Alassane Plea mit einem Pfostenschuss dem 3:0 am nächsten kam. Dieses 3:0 fiel dann kurze Zeit später durch Ramy Bensebaini per Elfmeter. Der Algerier krönte damit eine sehr starke Leistung (vor allem seine Vorlage zum 2:0 war exzellent), hatte aber auch Glück, dass Trapp seinen nicht besonders guten Schuss noch unter dem Körper durch gleiten ließ.

Im Gefühl des nun noch sicheren Sieges gab es dann in der 81. Minute einer der wenigen Unsicherheiten in der Abwehr, die Silva zum 1:3 nutzte. Vielleicht wäre das der Moment gewesen, wo ein ausverkauftes Stadion die Eintracht nochmal nach vorne gepeitscht hätte, aber so war es nur Ergebnis-Kosmetik. Wenn am Ende noch Tore in der Luft lagen, dann eindeutig für Borussia, wobei vor allem der sonst sehr gut spielende Jonas Hoffman eine Chance vergab, die allein einen gefühlten xGoal-Faktor von 5 hatte.

Unterm Strich ein sehr befriedigender Auftakt der Fohlenelf. Nachdem wir in unserem Vorbericht noch auf die völlige Unvorhersehbarkeit des Spielausgangs hingewiesen hatten, war das verblüffende an dieser Partie, dass beide Mannschaften eigentlich exakt da weitermachten, wo sie im März aufgehört hatten. Spielstarke, selbstbewusste Gladbach mit klarer Struktur und System auf der einen Seite, gegen bemühte aber konfuse und verunsicherte Frankfurter auf der anderen. Das mag am Main die Alarmglocken schrillen lassen, am Niederrhein kann man aber hoffnungsvoll auf die letzten 8 Spieltage blicken.

Das gilt natürlich nur unter der Annahme, dass der Rest der Saison auch durchgeführt werden kann. Bei der DFL wird die Erleichterung groß gewesen sein, dass nicht nur in Frankfurt, sondern auch auf den anderen Plätzen keine besonderen Probleme auftauchten. Man kann erwarten, dass damit die Akzeptanz des durchaus riskanten Bundesliga-Neustarts um einiges gestiegen sein wird, aber es ist auf keinen Fall eine Garantie dafür, dass in den nächsten Wochen das Virus nicht durch die erste und zweite Liga zieht und reihenweise Spieler und Betreuer flachlegt. Rein persönlich – und da gibt es sicher Menschen, die das komplett anders empfunden haben – war ich erstaunt, wie viel Freude mir das erste Fußball-Wochenende seit 2 Monaten machte und vermutlich werde ich in der kommenden Woche im Home-Office nicht mehr nur darüber nachdenken wie sich wohl der R-Wert weiterentwickelt, sondern vermehrt auch grübeln, wie man wohl die wichtige Partie gegen Bayer Leverkusen gewinnen kann.

 

Die Stimmen der Seitenwahl-Redaktion: 

Christian Spoo: Wenn die meisten anderen Faktoren ausgeknipst sind, die ein solches Spiel beeinflussen können, entscheidet die individuelle Stärke des Kaders. Und dass Borussia der Eintracht da viel voraus hat, war am Samstag deutlich zu sehen

Uwe Pirl: Atmosphärisch hatte das was von dem Freizeitkick zweier Thekenmannschaften, den ich regelmäßig sehe, wenn ich samstags joggen gehe. Deckungsgleich bis hin zur babylonischen sprachlichen Mischung der Anweisungen. Ansonsten hat man hat gesehen, dass in 2 Monaten ohne Mannschaftstraining eine ganze Menge verloren gehen kann. Zum Glück überwiegend aufseiten der Frankfurter, was die These bestätigt, dass beim Aufeinandertreffen zweier gleich untrainierter Teams ohne gravierende externe Einflüsse wie Publikum das fußballerisch bessere Team gewinnt. Wie bei den Thekenmannschaften ...

 

Thomas Häcki: Wie kamen die Fohlen aus der Zwangspause? Erfreulich aufgeweckt! Während der Gegner noch im Halbschlaf agierte. So war die Partie bereits nach 7 Minuten entschieden und die Borussia hat mittlerweile auch die Qualität, dies gegen einen schwächeren Gegner zu verwalten. Besonderes Sahnehäubchen: Die Chancenverwertung von Jonas Hofmann zählt mittlerweile zur abstrakten Kunst.

Mike Lukanz: Eines ist damit bewiesen: Zuschauer üben auf Borussia zu großen Druck aus. Ohne geht es besser, und das, obwohl in Zakaria und Stindl zwei Stützen gar nicht auf dem Platz waren. Kommende Woche wird dann wohl entscheiden, ob es zu einem Platz unter den ersten Vieren reicht. Den Meisterkampf wird Borussia schon nicht stören, liebe Medien.