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Wenn der erste Fußballclub Köln (der erst 1948 durch Fusion entstand und somit irgendwie nicht so richtig der “erste” sein kann) so rund um die Karnevalszeit zum Auswärtsspiel in den Borussia-Park kommt, zeigen sich Gladbacher Fans meist von ihrer gastfreundlichsten Seite und begrüßen das Auswärtsteam mit kölschem Liedgut, wobei allerdings hier und da schon mal kosmetische Änderung beim Text vorgenommen werden. Dabei war der “Kölle steigt ab, steigt ab…”-Refrain bis vor einigen Wochen noch nicht mal mehr Hohn, sondern eher eine nüchterne Feststellung der Umstände. Mit nur 8 Punkten lag man nach dem 14. Spieltag auf dem letzten Tabellenplatz und das, obwohl ein Trainerwechsel stattgefunden hatte. Wenig im Spiel der Jecken ließ vermuten, dass sich dieser Zustand schnell verbessern würde aber dann geschah genau das: 15 Punkte holte der FC aus den letzten 6 Spielen (7 mehr als die Borussia im gleichen Zeitraum) und steht momentan punktgleich mit Mitaufsteiger Union Berlin komfortabel im unteren  Mittelfeld der Liga.  So klar die positive Tendenz bei den Kölnern ist, so unklar ist was, diesen erstaunlichen Aufschwung bewirkt hat. Rein taktisch hat Markus Gisdol in Köln nichts Spektakuläres oder Revolutionäres verändert  (eher 4-2-3-1 statt 4-4-2), es scheint eher ein Zusammenwirken verschiedener kleiner Faktoren zu sein. Rein kadertechnisch hatte man dem FC vor der Saison eigentlich sowieso den Klassenerhalt zugetraut und der schlechte Saisonstart lag zum Teil an einer Mischung von Formschwäche von Schlüsselspielern (Hector, Horn) und einem unglücklichen Spielplan. Dann ist da das “Wunder von Cordoba“, welches vor 2 Jahren noch als “Schmach“ bezeichnet wurde. Kaum eine andere Spielerverpflichtung Jörg Schmadtkes im Sommer 2017 wird somit dem folgenden Abstieg der Geissböcke assoziiert wie der die von Jhon Cordoba. 17 Millionen hatte man an den FSV Mainz damals bezahlt, um einen Ersatz für Antony Modeste als Torjäger zu erhalten. Cordoba beendete jene Saison mit runden 0 Toren bei 18 Einsätzen und war eigentlich schon als klassischer Fall von Fehleinkauf gebrandmarkt. In der zweiten Liga wurde er dann aber zu einem Leistungsträger (20 Treffer) und in seinen letzten 9 Liga-Einsätzen traf er beachtliche 7 Mal, sodass paradoxerweise der vor 2 Jahren noch so arg vermisste Modeste meist auf der Bank Platz nehmen darf. Geschichten, die nur…ja, ok.  Was den Trainer angeht, so wirkt es aus Gladbacher Sicht etwas so, als ob von Markus Gisdol gerettet zu werden die moderne Version des Erreichens eines Pokalfinales unter Jürgen Gelsdorf ist: Es erscheint irgendwie suspekt! Vielleicht tut man dem ehemaligen Hoffenheim und Hamburg Trainer dabei aber auch ein bisschen unrecht, irgendwas wird er schon richtig machen und wenn es auch nur auf der eher psychologischen Ebene von Motivation, Stimmung und Selbstvertrauen sein mag.

Insgesamt  fühlt man sich an die Entwicklung beim rheinischen Nachbarn aus Düsseldorf im Vorjahr erinnert, als die Fortuna ebenfalls mit 3 Siegen in den letzten Hinrundenspielen aus dem Keller springen konnte und dann darauf aufbauend eine für Düsseldorfer Verhältnisse sehr gute Rückrunde spielte. Allzu sicher sollte man sich aber in Köln noch nicht fühlen: Die fünf Siege in den letzten sechs Spielen gab es überwiegend gegen zum jeweiligen Zeitpunkt formschwachen Teams und die 6 Punkte auf den Relegationsplatz könnten in den nächsten Spielen gegen Gladbach und Bayern (danach Hertha und Schalke) schnell dahin schwinden. Was das Personal angeht, scheint Gisdol am Sonntag wenig Einschränkungen zu haben. Selbst der über Monate verletzte Christian Clemens hat das Training wieder aufgenommen, wird aber kaum sofort den Sprung in den Kader schaffen. Der einzige Startelfkandidat, der ausfallen könnte ist Elvis Rexhbecaj (im Winter von Wolfsburg), der unter der Woche das Training wegen Knieproblemen aufgeben musste. Man kann davon ausgehen, dass die Kölner mit dem in den letzten Wochen sehr erfolgreichen 4-2-3-1, in dem Neuzugang Uth etwas zurückgezogen spielt und der bereits angesprochene Cordoba alleiniger Stürmer ist.

In Mönchengladbach leckt man sich immer noch ein wenig die Wunden nach dem intensiven Spiel in Leipzig, das zumindest personell noch Nachwirkungen hat. Alassane Plea wird wegen der lächerlichen Gelb-Rot-Sperre fehlen, was besonders deswegen schmerzt, weil der Franzose in den letzten Spielen immer besser in Form gekommen war, was nicht nur seine 3 Rückrundentore zeigen. Man kann vermuten, dass Rose daher diesmal Breel Embolo wieder in die Startelf zurückholt. Auch hinter Christoph Kramers Einsatz steht nach der in Leipzig erlittenen Gehirnerschütterung noch ein Fragezeichen, wobei es gut sein kann, dass auch ein gesunder Kramer zunächst mal nur auf der Bank sitzen würde, um im defensiven Mittelfeld einen offensiv orientierten Spieler zu bringen. Weiterhin ausfallen werden auch Tony Jantschke und Ramy Bensebaini.

Ansonsten hat Marco Rose aber einige Optionen, z.B. wird es interessant sein zu sehen, ob er an der in Leipzig sehr gut funktionierenden Dreierkette festhält oder Denis Zakaria wieder weiter nach vorn ins defensive Mittelfeld schiebt. Interesant auch, ob Kapitän Stindl wieder ins Team zurückkehrt. Und was ist eigentlich mit László Bénes, der in den letzten 5 Partien überhaupt nicht mehr zum Einsatz kam (in Leipzig verletztungsbedingt)?

Nach 8 Heimsiegen in Folge mit immer mindestens zwei Gladbachtoren ist die Borussia am Sonntag natürlich klarer Favorit. Den Kölnern könnte es helfen, wenn das Spiel eine hektisch-hitzige Derbystimmung entwickelt, was der Mannschaft vom Dom auch durchaus bewusst ist, wie  z.B. die Äusserungen Dominick Drexlers im Kicker („fast wie ein Pokalspiel“) zeigen. Die Borussia sollte sich nicht von der Derby-Folklore ablenken lassen, sondern auf das wesentlich konzentrieren: einen Pflichtsieg gegen einen Abstiegskandidaten! Da die Konkurrenz gegeneinander spielt (Bayern-RB, Leverkusen-BVB) kann man diesem Wochenende zumindest auf 2 Teams Punkte gut machen, wenn man gleichzeitig noch den Erzrivalen wieder ein wenig näher Richtung Abstieg schießen kann, ist das natürlich ein höchst willkommener Nebeneffekt!

Seitenwahl-Tipps:

Claus-Dieter Mayer: We take the high road and they take the low road,...so sollte es zumindest sein und nach dem nur zeitweise wackligem 3:1-Sieg der Borussia sieht es damit für die Restsaison auch ganz gut aus.

Christian Spoo: In Wochen wie dieser passieren die grauenvollsten Dinge. Passend zur Machtergreifung von Thüringen wäre eine dramatische Derbyniederlage. Aber der Fußball schert sich nicht um „passend“. Und so bezwingt Borussia den 1.FC Köln trotz dessen Wiedererstarken recht souverän mit 3:1.

Mike Lukanz: Die Kölner haben ohne Frage einen Lauf und ein neues Selbstbewusstsein. Borussia hat vergangenes Wochenende gezeigt, zu was sie in der Lage ist. Es spricht also alles für ein packendes, spannendes und umkämpftes Derby, das Borussia am Ende nur mit viel Mühe 5:1 gewinnen wird.

Thomas Häcki: Uiuiui... Meine Redaktionskollegen sind bereits euphorisch. Leider war Euphorie in der Vergangenheit stets eine schlechte Begleiterin. Die Borussia setzt sich mühevoll und mit viel Glück, aber auch Kampf am Ende mit 2:1 durch

Michael Heinen: Köln darf nicht unterschätzt werden nach 5 Siegen aus den letzten 6 Spielen. Aber Sonntag ist Derby und da gelten besondere Regeln, die da heißen: Borussia gewinnt. Und zwar mit 4:1.

Uwe Pirl: In Zeiten, in denen selbsternannte "Bürgerliche" Rechtsradikale salonfähig machen, nur um einen Ministerpräsidenten abzusägen, der noch nicht mal in der SPD Linksaußen wäre, fällt  die Konzentration aufs Derby schwer. Andererseits wird das 6:1 gegen Köln natürlich meine Wochenendstimmung ganz erheblich heben.