Borussen-Fans müssen sich angesichts der regelmäßigen Feier-Tage in dieser Saison vorkommen als wäre der Weihnachtsmann der Osterhase. Vor vier Tagen gab es den vorläufigen Saisonhöhepunkt als der FC Bayern trotz Borussias hoffnungsloser Unterlegenheit in der ersten Stunde und dank einer beachtlichen Leistungs- und Willenssteigerung in der letzten halben besiegt wurde. Genau einen Monat davor fand ein weiterer vorläufiger Saisonhöhepunkt im Borussia-Park statt als mit dem 2:1-Erfolg über den AS Rom die Weichen für ein Weiterkommen in der Europa League gestellt wurden. Noch vor weniger als zwei Wochen geriet dies allerdings akut in Gefahr, weil wieder einmal der Wolfsberger AC die Borussia vor überraschend große Probleme stellte. Der mühsame 1:0-Erfolg belegte, dass sich die Elf von Marco Rose gegen keinen Gegner zu sicher sein darf. Dies gilt genauso für den türkischen Vizemeister Basaksehir Istanbul, der an diesem Donnerstag die letzte Hürde für ein Überwintern in Europa darstellen wird.

In der Türkei gab es im Hinspiel ein erschreckend schwaches 1:1, das Patrick Herrmann in der Nachspielzeit glücklicherweise sicherstellte. Dank dieses Punktes befindet sich Borussia jetzt in der komfortablen Situation, bereits mit einem Remis in die erste KO-Runde der Europa League einzuziehen, die Ende Februar 2020 ausgetragen wird. Angestrebt wird aber ein Sieg, der darüber hinaus den Gruppensieg bedeuten würde und damit ein weiteres Ausrufezeichen, die Gruppe trotz des katastrophalen Starts vor dem internationalen Spitzenteam aus Rom abzuschließen.

Zusätzlich bietet ein 1. Platz Vorteile bei der Auslosung, die kommenden Montag um 13 Uhr in Nyon stattfinden wird. Borussia träfe dann nämlich entweder auf einen der Zweiten aus den anderen EL-Gruppen, müsste also z. B. eher APOEL Nikosia anstatt den FC Sevilla fürchten. Alternativ könnte ihnen einer der vier schwächsten Gruppendritten aus der Champions-League zugelost werden, was nach jetzigem Stand z. B. den FC Brügge, Roter Stern Belgrad oder Dinamo Zagreb bedeuten könnte. Landet Borussia stattdessen als Zweiter im schwächeren Lostopf, so könnten die potentiellen Gegner z. B. Inter Mailand, Ajax Amsterdam oder RB Salzburg heißen.

Doch bevor zu viel gerechnet wird, sollte Borussia zunächst einmal ihre Hausaufgaben erledigen. Dies ist ihnen in den letzten Wochen gegen meist stärkere Klubs hervorragend gelungen. Bis zum Winter warten jetzt noch vier Partien, in denen die Mannschaft als klarer Favorit starten wird. Wolfsburg und Berlin z. B. sind beide heimschwach und gehörten in den letzten Monaten genau wie Paderborn zu den schwächeren Teams der Bundesliga. Es sind aber genau die beiden Klubs, die Anfang des Jahres mit zwei überraschenden 3:0-Erfolgen im Borussia-Park die famose Heimserie von 12 Siegen in Folge beendeten und eine Krise auslösten.

Inzwischen sind es erneut bereits sieben Heimspiele in Folge, die Borussia gewinnen konnte. Sieg Nummer acht soll am Donnerstag gegen Istanbul folgen. Die türkische Altherrentruppe, deren Kader wir vor dem Hinspiel bereits in aller Ausführlichkeit durchleuchtet hatten, spielt bislang eine wechselhafte Saison. Zuletzt gab es ein 1:1 beim Tabellenzehnten aus Denizli, wodurch sich der Erdogan-Klub aktuell auf Platz 4 und damit in direkter Nachbarschaft zu den Lokalrivalen Besiktas, Fenerbahce und Galatasaray eingenistet hat. Bei letzteren konnte Basaksehir vor einigen Wochen 1:0 gewinnen, was Borussia ebenso eine Warnung sein sollte wie das deutliche 3:0 in Wolfsberg. Die Mannschaft von Trainer Okan Buruk hat die Qualität an einem guten Tag eine ernstzunehmende Prüfung für den Spitzenreiter der Bundesliga zu sein – speziell falls dieser ähnlich auftreten sollte wie im Hinspiel oder in beiden Spielen gegen Wolfsberg.

Allerdings wird die Mannschaft auf einige Stammspieler verzichten müssen, denn Skrtel, Gulbrandsen, Tekdemir, Robinho und Gladbach-Schreck Turan werden voraussichtlich allesamt nicht zur Verfügung stehen. Wieder einsatzbereit ist stattdessen der mit 9 Saisontoren gefährlichste Angreifer Enzo Crivalli, der zuletzt in der Liga gesperrt ausfiel und dort von Demba Ba ersetzt wurde. Zu beachten ist darüber hinaus erneut die starke rechte Angriffsseite mit dem Ex-Schalker Caicara sowie dem stärksten Spieler im Team, dem Torschützen aus dem Hinspiel Edin Visco.

Die linke Defensivseite der Borussia wird also wie am vergangenen Wochenende einmal mehr gefragt sein. Nicht unmöglich gar, dass Marco Rose wie zuletzt bei Breel Embolo erneut seinen Matchwinner zwecks Schonung auf der Bank belässt und für Ramy Bensebaini Altmeister Oscar Wendt in die Startelf beordert. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Rotation eher andere Spieler treffen wird. Glücklicherweise hat Rose inzwischen solche Luxusprobleme, denn selbst der zuletzt angeschlagene Plea sollte wieder zur Verfügung stehen. Die Aufstellung der Borussia vorherzusehen ist dieser Tage dadurch deutlich schwieriger als das – meist positive – Ergebnis.

Borussia: Sommer – Lainer, Ginter, Jantschke, Bensebaini – Neuhaus, Zakaria, Kramer – Thuram, Embolo, Herrmann

Istanbul: Mert – Caicara, Ponck, Epureanu, Clichy – Topal – Visca, Can, Aleksic, Elia – Crivelli

Seitenwahl-Tipps

Michael Heinen: Es gibt das nächste Fußballfest im Borussia-Park. Dieses Mal bedarf es nicht der Nachspielzeit, um die Partie mit 4:1 überlegen zu gewinnen.

Christian Spoo: Gibt es einen Spannungabfall nach dem Intensivst-Erlebnis vom Samstag? Leider ja, Borussia tut sich schwer mit den Gästen aus der Türkei. Die Qualität reicht aber aus, um sich mit einem 1:1 das Überwintern im internationalen Geschäft zu erkrampfen.

Mike Lukanz: Istanbul muss gewinnen ,das kommt Borussia entgegen. Zudem strotzt die Mannschaft vor Selbstbewusstsein. Mit dem 3:1 krönt Borussia einen sehr erfolgreichen Spätherbst.

Claus-Dieter Mayer: Die Europa League scheint der Borussia nur halb so viel Spaß zu machen wie die Bundesliga. Und so ist es erneut ein müder Kick, bei dem Ginters Kopfball nach Benes Ecke aber immerhin den 1:0 Sieg sichert. Der VFL schafft somit das Kunststück mit negativem Torverhältnis, als Gruppenerster in die KO-Runde zu ziehen,